Herz voll Hoffnung und blühenden Weltmuthes in der Brust. Wäre er ein König dieser Welt gewesen, so hätte er vermuthlich viele Millionen "verschleudert", so aber konnte er nichts vergeu¬ den, als das Wenige, was er besaß: seines und seiner Mutter Leben.
Gegen Mittag fuhr der Postwagen durch ein großes ansehnliches Dorf, wie sie in der flachern Schweiz häufig sind, wo Fleiß und Betriebsam¬ keit, im Lichte fröhlicher Aufklärung und unter oder vielmehr auf den Flügeln der Freiheit, aus dem schönen Lande nur Eine freie und offene Stadt erbauen. Weiß und glänzend standen die Häuser längs der breiten saubern Landstraße, dehnten sich aber auch in die Runde, mannig¬ faltig durch Baumgärten schimmernd. Auch vor dem geringsten war ein Blumengärtchen zu sehen und im ärmsten derselben blühten eine Hyazinthe oder einige Tulpen hervor, Pflanzen, welche sonst nur von Vermöglicheren gezogen wurden. Es ist aber auch nichts so erbaulich, als wenn durch einen ganzen Landstrich eine fromme Blumen¬ liebe herrscht. Ohne daß die Hausväter im Ge¬
3 *
Herz voll Hoffnung und bluͤhenden Weltmuthes in der Bruſt. Waͤre er ein Koͤnig dieſer Welt geweſen, ſo haͤtte er vermuthlich viele Millionen »verſchleudert«, ſo aber konnte er nichts vergeu¬ den, als das Wenige, was er beſaß: ſeines und ſeiner Mutter Leben.
Gegen Mittag fuhr der Poſtwagen durch ein großes anſehnliches Dorf, wie ſie in der flachern Schweiz haͤufig ſind, wo Fleiß und Betriebſam¬ keit, im Lichte froͤhlicher Aufklaͤrung und unter oder vielmehr auf den Fluͤgeln der Freiheit, aus dem ſchoͤnen Lande nur Eine freie und offene Stadt erbauen. Weiß und glaͤnzend ſtanden die Haͤuſer laͤngs der breiten ſaubern Landſtraße, dehnten ſich aber auch in die Runde, mannig¬ faltig durch Baumgaͤrten ſchimmernd. Auch vor dem geringſten war ein Blumengaͤrtchen zu ſehen und im aͤrmſten derſelben bluͤhten eine Hyazinthe oder einige Tulpen hervor, Pflanzen, welche ſonſt nur von Vermoͤglicheren gezogen wurden. Es iſt aber auch nichts ſo erbaulich, als wenn durch einen ganzen Landſtrich eine fromme Blumen¬ liebe herrſcht. Ohne daß die Hausvaͤter im Ge¬
3 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0049"n="35"/>
Herz voll Hoffnung und bluͤhenden Weltmuthes<lb/>
in der Bruſt. Waͤre er ein Koͤnig dieſer Welt<lb/>
geweſen, ſo haͤtte er vermuthlich viele Millionen<lb/>
»verſchleudert«, ſo aber konnte er nichts vergeu¬<lb/>
den, als das Wenige, was er beſaß: ſeines und<lb/>ſeiner Mutter Leben.</p><lb/><p>Gegen Mittag fuhr der Poſtwagen durch ein<lb/>
großes anſehnliches Dorf, wie ſie in der flachern<lb/>
Schweiz haͤufig ſind, wo Fleiß und Betriebſam¬<lb/>
keit, im Lichte froͤhlicher Aufklaͤrung und unter<lb/>
oder vielmehr <hirendition="#g">auf</hi> den Fluͤgeln der Freiheit, aus<lb/>
dem ſchoͤnen Lande nur Eine freie und offene<lb/>
Stadt erbauen. Weiß und glaͤnzend ſtanden die<lb/>
Haͤuſer laͤngs der breiten ſaubern Landſtraße,<lb/>
dehnten ſich aber auch in die Runde, mannig¬<lb/>
faltig durch Baumgaͤrten ſchimmernd. Auch vor<lb/>
dem geringſten war ein Blumengaͤrtchen zu ſehen<lb/>
und im aͤrmſten derſelben bluͤhten eine Hyazinthe<lb/>
oder einige Tulpen hervor, Pflanzen, welche ſonſt<lb/>
nur von Vermoͤglicheren gezogen wurden. Es iſt<lb/>
aber auch nichts ſo erbaulich, als wenn durch<lb/>
einen ganzen Landſtrich eine fromme Blumen¬<lb/>
liebe herrſcht. Ohne daß die Hausvaͤter im Ge¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">3 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[35/0049]
Herz voll Hoffnung und bluͤhenden Weltmuthes
in der Bruſt. Waͤre er ein Koͤnig dieſer Welt
geweſen, ſo haͤtte er vermuthlich viele Millionen
»verſchleudert«, ſo aber konnte er nichts vergeu¬
den, als das Wenige, was er beſaß: ſeines und
ſeiner Mutter Leben.
Gegen Mittag fuhr der Poſtwagen durch ein
großes anſehnliches Dorf, wie ſie in der flachern
Schweiz haͤufig ſind, wo Fleiß und Betriebſam¬
keit, im Lichte froͤhlicher Aufklaͤrung und unter
oder vielmehr auf den Fluͤgeln der Freiheit, aus
dem ſchoͤnen Lande nur Eine freie und offene
Stadt erbauen. Weiß und glaͤnzend ſtanden die
Haͤuſer laͤngs der breiten ſaubern Landſtraße,
dehnten ſich aber auch in die Runde, mannig¬
faltig durch Baumgaͤrten ſchimmernd. Auch vor
dem geringſten war ein Blumengaͤrtchen zu ſehen
und im aͤrmſten derſelben bluͤhten eine Hyazinthe
oder einige Tulpen hervor, Pflanzen, welche ſonſt
nur von Vermoͤglicheren gezogen wurden. Es iſt
aber auch nichts ſo erbaulich, als wenn durch
einen ganzen Landſtrich eine fromme Blumen¬
liebe herrſcht. Ohne daß die Hausvaͤter im Ge¬
3 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/49>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.