ringsten etwa unnütze Ausgaben zu beklagen hät¬ ten, wissen die Frauen und Töchter durch allerlei liebenswürdigen Verkehr ihren Gärten und Fen¬ stern jede Zierde zu verschaffen, welche etwa noch fehlen mag, und wenn eine neue Pflanze in die Gegend kommt, so wird das Mittheilen von Rei¬ sern, Samen, Knollen und Zwiebeln so eifrig und sorgsam betrieben, es herrschen so strenge Gesetze der Gefälligkeit und des Anstandes darüber, daß in kurzer Zeit jedes Haus im Besitze des neuen Blumenwunders ist. So sind in neuerer Zeit eine der schönsten Erscheinungen die Georginen. Vor zehn oder funfzehn Jahren blühten sie nur noch in den stattlich umhegten Gärten der Rei¬ chen, in der Nähe der Städte, oder vor glänzen¬ den Landhäusern: dann verbreiteten sie sich unter dem Mittelstande, sich zugleich in hundertfarbigen Arten entfaltend durch die Kunst der Gärtner, und jetzt steht ein Strauch dieser merkwürdigen Blume, wo nur ein Fleck Erde vor der Hütte des ländlichen Tagelöhners frei ist. Wie die flüchtig wandernden Stammväter eines später großen Weltvolkes sind die ersten einfachen Exem¬
ringſten etwa unnuͤtze Ausgaben zu beklagen haͤt¬ ten, wiſſen die Frauen und Toͤchter durch allerlei liebenswuͤrdigen Verkehr ihren Gaͤrten und Fen¬ ſtern jede Zierde zu verſchaffen, welche etwa noch fehlen mag, und wenn eine neue Pflanze in die Gegend kommt, ſo wird das Mittheilen von Rei¬ ſern, Samen, Knollen und Zwiebeln ſo eifrig und ſorgſam betrieben, es herrſchen ſo ſtrenge Geſetze der Gefaͤlligkeit und des Anſtandes daruͤber, daß in kurzer Zeit jedes Haus im Beſitze des neuen Blumenwunders iſt. So ſind in neuerer Zeit eine der ſchoͤnſten Erſcheinungen die Georginen. Vor zehn oder funfzehn Jahren bluͤhten ſie nur noch in den ſtattlich umhegten Gaͤrten der Rei¬ chen, in der Naͤhe der Staͤdte, oder vor glaͤnzen¬ den Landhaͤuſern: dann verbreiteten ſie ſich unter dem Mittelſtande, ſich zugleich in hundertfarbigen Arten entfaltend durch die Kunſt der Gaͤrtner, und jetzt ſteht ein Strauch dieſer merkwuͤrdigen Blume, wo nur ein Fleck Erde vor der Huͤtte des laͤndlichen Tageloͤhners frei iſt. Wie die fluͤchtig wandernden Stammvaͤter eines ſpaͤter großen Weltvolkes ſind die erſten einfachen Exem¬
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ringſten etwa unnuͤtze Ausgaben zu beklagen haͤt¬
ten, wiſſen die Frauen und Toͤchter durch allerlei
liebenswuͤrdigen Verkehr ihren Gaͤrten und Fen¬
ſtern jede Zierde zu verſchaffen, welche etwa noch
fehlen mag, und wenn eine neue Pflanze in die
Gegend kommt, ſo wird das Mittheilen von Rei¬
ſern, Samen, Knollen und Zwiebeln ſo eifrig und
ſorgſam betrieben, es herrſchen ſo ſtrenge Geſetze
der Gefaͤlligkeit und des Anſtandes daruͤber, daß
in kurzer Zeit jedes Haus im Beſitze des neuen
Blumenwunders iſt. So ſind in neuerer Zeit
eine der ſchoͤnſten Erſcheinungen die Georginen.
Vor zehn oder funfzehn Jahren bluͤhten ſie nur
noch in den ſtattlich umhegten Gaͤrten der Rei¬
chen, in der Naͤhe der Staͤdte, oder vor glaͤnzen¬
den Landhaͤuſern: dann verbreiteten ſie ſich unter
dem Mittelſtande, ſich zugleich in hundertfarbigen
Arten entfaltend durch die Kunſt der Gaͤrtner,
und jetzt ſteht ein Strauch dieſer merkwuͤrdigen
Blume, wo nur ein Fleck Erde vor der Huͤtte
des laͤndlichen Tageloͤhners frei iſt. Wie die
fluͤchtig wandernden Stammvaͤter eines ſpaͤter
großen Weltvolkes ſind die erſten einfachen Exem¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/50>, abgerufen am 22.11.2024.
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