Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

lauter Tonangeber geworden, der sich in über¬
müthigen Bemerkungen, Witzworten und Erfin¬
dung von Schwänken erging, und welchen die
übrigen Wortführer, die sich bisher wenig aus
mir gemacht, sogleich anerkannten und hätschelten.
Die Eigenschaft als Fremder, der neue Schau¬
platz erhöhte noch die Stimmung, es ist schwer
zu entscheiden, was größer war, ob meine Red¬
seligkeit, mein Freudenrausch oder meine erwachte
Eitelkeit, kurz ich schwamm in einem ganz neuen
Glücke, welches am dritten Tage wo möglich noch
zunahm, als wir heimwärts zogen und die all¬
seitige Zufriedenheit, sowie die freiere Ordnung
und Haltung eine neue Reihe fröhlicher Auftritte
veranlaßten.

Als ich mit Sonnenuntergang das Haus
meiner Mutter betrat, bestaubt und sonnver¬
brannt, die Mütze mit einem Tannenreise ge¬
schmückt, die Mündung des Gewehrchens und der
eigene Mund prahlerisch von Pulver geschwärzt,
da war ich nicht mehr der Gleiche, wie ich aus¬
gezogen, sondern Einer, der sich mit den kecksten
Führern der Knabenwelt in verschiedene Verab¬

lauter Tonangeber geworden, der ſich in uͤber¬
muͤthigen Bemerkungen, Witzworten und Erfin¬
dung von Schwaͤnken erging, und welchen die
uͤbrigen Wortfuͤhrer, die ſich bisher wenig aus
mir gemacht, ſogleich anerkannten und haͤtſchelten.
Die Eigenſchaft als Fremder, der neue Schau¬
platz erhoͤhte noch die Stimmung, es iſt ſchwer
zu entſcheiden, was groͤßer war, ob meine Red¬
ſeligkeit, mein Freudenrauſch oder meine erwachte
Eitelkeit, kurz ich ſchwamm in einem ganz neuen
Gluͤcke, welches am dritten Tage wo moͤglich noch
zunahm, als wir heimwaͤrts zogen und die all¬
ſeitige Zufriedenheit, ſowie die freiere Ordnung
und Haltung eine neue Reihe froͤhlicher Auftritte
veranlaßten.

Als ich mit Sonnenuntergang das Haus
meiner Mutter betrat, beſtaubt und ſonnver¬
brannt, die Muͤtze mit einem Tannenreiſe ge¬
ſchmuͤckt, die Muͤndung des Gewehrchens und der
eigene Mund prahleriſch von Pulver geſchwaͤrzt,
da war ich nicht mehr der Gleiche, wie ich aus¬
gezogen, ſondern Einer, der ſich mit den keckſten
Fuͤhrern der Knabenwelt in verſchiedene Verab¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="319"/>
lauter Tonangeber geworden, der &#x017F;ich in u&#x0364;ber¬<lb/>
mu&#x0364;thigen Bemerkungen, Witzworten und Erfin¬<lb/>
dung von Schwa&#x0364;nken erging, und welchen die<lb/>
u&#x0364;brigen Wortfu&#x0364;hrer, die &#x017F;ich bisher wenig aus<lb/>
mir gemacht, &#x017F;ogleich anerkannten und ha&#x0364;t&#x017F;chelten.<lb/>
Die Eigen&#x017F;chaft als Fremder, der neue Schau¬<lb/>
platz erho&#x0364;hte noch die Stimmung, es i&#x017F;t &#x017F;chwer<lb/>
zu ent&#x017F;cheiden, was gro&#x0364;ßer war, ob meine Red¬<lb/>
&#x017F;eligkeit, mein Freudenrau&#x017F;ch oder meine erwachte<lb/>
Eitelkeit, kurz ich &#x017F;chwamm in einem ganz neuen<lb/>
Glu&#x0364;cke, welches am dritten Tage wo mo&#x0364;glich noch<lb/>
zunahm, als wir heimwa&#x0364;rts zogen und die all¬<lb/>
&#x017F;eitige Zufriedenheit, &#x017F;owie die freiere Ordnung<lb/>
und Haltung eine neue Reihe fro&#x0364;hlicher Auftritte<lb/>
veranlaßten.</p><lb/>
        <p>Als ich mit Sonnenuntergang das Haus<lb/>
meiner Mutter betrat, be&#x017F;taubt und &#x017F;onnver¬<lb/>
brannt, die Mu&#x0364;tze mit einem Tannenrei&#x017F;e ge¬<lb/>
&#x017F;chmu&#x0364;ckt, die Mu&#x0364;ndung des Gewehrchens und der<lb/>
eigene Mund prahleri&#x017F;ch von Pulver ge&#x017F;chwa&#x0364;rzt,<lb/>
da war ich nicht mehr der Gleiche, wie ich aus¬<lb/>
gezogen, &#x017F;ondern Einer, der &#x017F;ich mit den keck&#x017F;ten<lb/>
Fu&#x0364;hrern der Knabenwelt in ver&#x017F;chiedene Verab¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0333] lauter Tonangeber geworden, der ſich in uͤber¬ muͤthigen Bemerkungen, Witzworten und Erfin¬ dung von Schwaͤnken erging, und welchen die uͤbrigen Wortfuͤhrer, die ſich bisher wenig aus mir gemacht, ſogleich anerkannten und haͤtſchelten. Die Eigenſchaft als Fremder, der neue Schau¬ platz erhoͤhte noch die Stimmung, es iſt ſchwer zu entſcheiden, was groͤßer war, ob meine Red¬ ſeligkeit, mein Freudenrauſch oder meine erwachte Eitelkeit, kurz ich ſchwamm in einem ganz neuen Gluͤcke, welches am dritten Tage wo moͤglich noch zunahm, als wir heimwaͤrts zogen und die all¬ ſeitige Zufriedenheit, ſowie die freiere Ordnung und Haltung eine neue Reihe froͤhlicher Auftritte veranlaßten. Als ich mit Sonnenuntergang das Haus meiner Mutter betrat, beſtaubt und ſonnver¬ brannt, die Muͤtze mit einem Tannenreiſe ge¬ ſchmuͤckt, die Muͤndung des Gewehrchens und der eigene Mund prahleriſch von Pulver geſchwaͤrzt, da war ich nicht mehr der Gleiche, wie ich aus¬ gezogen, ſondern Einer, der ſich mit den keckſten Fuͤhrern der Knabenwelt in verſchiedene Verab¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/333
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/333>, abgerufen am 17.05.2024.