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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Alles übertraf, was ich bisher gesehen, gehört
oder selbst combinirt hatte.

Der Vorhang war gefallen, und Alles lief
auf dem Theater bunt durcheinander, während
ich einigen Papieren nachschlich, welche ich in
den Händen des Direktors und der Künstler ge¬
sehen hatte und in einem Winkel hinter einer ge¬
malten Mauer fand. Ich war begierig, Einsicht
zu nehmen von dem Geschriebenen, welches so
große Wirkung hervorgebracht; daher war ich
bald in das Lesen der Rollen versenkt. Aber
obgleich ich die körperlichen Erscheinungen gefaßt
und empfunden hatte, so waren doch nun die
geschriebenen Worte, als die Zeichensprache eines
gereiften und großen männlichen Geistes, dem
unwissenden Kinde vollkommen unverständlich; der
kleine Eindringling fand sich bescheidentlich wie¬
der vor die verschlossene Thüre einer höheren
Welt gestellt, und ich schlief über meinen For¬
schungen schnell und fest ein.

Als ich wieder erwachte, war das Theater
leer und still, die Lampen ausgelöscht, und der

I. 18

Alles uͤbertraf, was ich bisher geſehen, gehoͤrt
oder ſelbſt combinirt hatte.

Der Vorhang war gefallen, und Alles lief
auf dem Theater bunt durcheinander, waͤhrend
ich einigen Papieren nachſchlich, welche ich in
den Haͤnden des Direktors und der Kuͤnſtler ge¬
ſehen hatte und in einem Winkel hinter einer ge¬
malten Mauer fand. Ich war begierig, Einſicht
zu nehmen von dem Geſchriebenen, welches ſo
große Wirkung hervorgebracht; daher war ich
bald in das Leſen der Rollen verſenkt. Aber
obgleich ich die koͤrperlichen Erſcheinungen gefaßt
und empfunden hatte, ſo waren doch nun die
geſchriebenen Worte, als die Zeichenſprache eines
gereiften und großen maͤnnlichen Geiſtes, dem
unwiſſenden Kinde vollkommen unverſtaͤndlich; der
kleine Eindringling fand ſich beſcheidentlich wie¬
der vor die verſchloſſene Thuͤre einer hoͤheren
Welt geſtellt, und ich ſchlief uͤber meinen For¬
ſchungen ſchnell und feſt ein.

Als ich wieder erwachte, war das Theater
leer und ſtill, die Lampen ausgeloͤſcht, und der

I. 18
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[273/0287] Alles uͤbertraf, was ich bisher geſehen, gehoͤrt oder ſelbſt combinirt hatte. Der Vorhang war gefallen, und Alles lief auf dem Theater bunt durcheinander, waͤhrend ich einigen Papieren nachſchlich, welche ich in den Haͤnden des Direktors und der Kuͤnſtler ge¬ ſehen hatte und in einem Winkel hinter einer ge¬ malten Mauer fand. Ich war begierig, Einſicht zu nehmen von dem Geſchriebenen, welches ſo große Wirkung hervorgebracht; daher war ich bald in das Leſen der Rollen verſenkt. Aber obgleich ich die koͤrperlichen Erſcheinungen gefaßt und empfunden hatte, ſo waren doch nun die geſchriebenen Worte, als die Zeichenſprache eines gereiften und großen maͤnnlichen Geiſtes, dem unwiſſenden Kinde vollkommen unverſtaͤndlich; der kleine Eindringling fand ſich beſcheidentlich wie¬ der vor die verſchloſſene Thuͤre einer hoͤheren Welt geſtellt, und ich ſchlief uͤber meinen For¬ ſchungen ſchnell und feſt ein. Als ich wieder erwachte, war das Theater leer und ſtill, die Lampen ausgeloͤſcht, und der I. 18

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/287>, abgerufen am 25.11.2024.