Vollmond goß sein Licht zwischen den Coulissen über die seltsame Unordnung herein. Ich wußte nicht, wie mir geschah, noch wo ich mich befand; doch als ich meine Lage erkannte, ward ich voll Furcht und suchte einen Ausgang, fand aber die Thüren verschlossen, durch welche ich hereinge¬ kommen war. Nun schickte ich mich in das Ge¬ schehene und begann von Neuem, alle Seltsam¬ keiten dieser Räume zu untersuchen. Ich betastete die raschelnden, papiernen Herrlichkeiten und legte das Mäntelchen und den Degen des Mephi¬ stopheles, welche auf einem Stuhle lagen, über meinen Meerkatzenhabit um. So spazierte ich in dem hellen Mondscheine auf und nieder, zog den Degen und fing an zu gestikuliren. Dann ent¬ deckte ich die Maschienerie des Vorhanges, und es gelang mir, denselben aufzuziehen. Da lag der Zuschauerraum dunkel und schwarz vor mir, wie ein erblindetes Auge; ich stieg in das Or¬ chester hinab, wo die Instrumente umherlagen und nur die Violinen sorgfältig in Kästchen ver¬ schlossen waren. Auf den Pauken lagen die schlanken Hämmer, welche ich ergriff und zagend
Vollmond goß ſein Licht zwiſchen den Couliſſen uͤber die ſeltſame Unordnung herein. Ich wußte nicht, wie mir geſchah, noch wo ich mich befand; doch als ich meine Lage erkannte, ward ich voll Furcht und ſuchte einen Ausgang, fand aber die Thuͤren verſchloſſen, durch welche ich hereinge¬ kommen war. Nun ſchickte ich mich in das Ge¬ ſchehene und begann von Neuem, alle Seltſam¬ keiten dieſer Raͤume zu unterſuchen. Ich betaſtete die raſchelnden, papiernen Herrlichkeiten und legte das Maͤntelchen und den Degen des Mephi¬ ſtopheles, welche auf einem Stuhle lagen, uͤber meinen Meerkatzenhabit um. So ſpazierte ich in dem hellen Mondſcheine auf und nieder, zog den Degen und fing an zu geſtikuliren. Dann ent¬ deckte ich die Maſchienerie des Vorhanges, und es gelang mir, denſelben aufzuziehen. Da lag der Zuſchauerraum dunkel und ſchwarz vor mir, wie ein erblindetes Auge; ich ſtieg in das Or¬ cheſter hinab, wo die Inſtrumente umherlagen und nur die Violinen ſorgfaͤltig in Kaͤſtchen ver¬ ſchloſſen waren. Auf den Pauken lagen die ſchlanken Haͤmmer, welche ich ergriff und zagend
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Vollmond goß ſein Licht zwiſchen den Couliſſen
uͤber die ſeltſame Unordnung herein. Ich wußte
nicht, wie mir geſchah, noch wo ich mich befand;
doch als ich meine Lage erkannte, ward ich voll
Furcht und ſuchte einen Ausgang, fand aber die
Thuͤren verſchloſſen, durch welche ich hereinge¬
kommen war. Nun ſchickte ich mich in das Ge¬
ſchehene und begann von Neuem, alle Seltſam¬
keiten dieſer Raͤume zu unterſuchen. Ich betaſtete
die raſchelnden, papiernen Herrlichkeiten und
legte das Maͤntelchen und den Degen des Mephi¬
ſtopheles, welche auf einem Stuhle lagen, uͤber
meinen Meerkatzenhabit um. So ſpazierte ich in
dem hellen Mondſcheine auf und nieder, zog den
Degen und fing an zu geſtikuliren. Dann ent¬
deckte ich die Maſchienerie des Vorhanges, und
es gelang mir, denſelben aufzuziehen. Da lag
der Zuſchauerraum dunkel und ſchwarz vor mir,
wie ein erblindetes Auge; ich ſtieg in das Or¬
cheſter hinab, wo die Inſtrumente umherlagen
und nur die Violinen ſorgfaͤltig in Kaͤſtchen ver¬
ſchloſſen waren. Auf den Pauken lagen die
ſchlanken Haͤmmer, welche ich ergriff und zagend
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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