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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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funfzehn Jahre älter als sie, und näherte sich
den Achtzigen. Er besaß eine fast eben so leb¬
hafte Einbildungskraft, wie seine Frau, dabei
reichten seine Erinnerungen noch tiefer in die
Sagenwelt der Vergangenheit zurück; doch faßte
er Alles von einer spaßhaften Seite auf, da er
von jeher ein spaßhaftes und ziemlich unnützes
Männlein gewesen war, und so wußte er eben
so viel lächerlichen Spuck und verdrehte Men¬
schengeschichten zu erzählen, als seine Frau ernst¬
hafte und schreckliche. In seine frühste Jugend
waren noch die letzten Hexenprocesse gefallen,
und er beschrieb mit Humor aus der mündlichen
Ueberlieferung geschöpfte Hexensabathe und Ban¬
kette ganz genau so, wie man sie noch in den
actenmäßigen Geschichten jener Processe, in den
weitläufigen Anklagen und erzwungenen Geständ¬
nissen liest. Dieses Gebiet sagte ihm besonders
zu, und er versicherte feierlich von einigen selt¬
samen Personen, daß sie sehr wohl auf dem
Besenstiele zu reiten verständen, versprach auch
von einem Tage zum andern, so lange er lebte,
von einem Hexenmeister seiner Bekanntschaft die

funfzehn Jahre aͤlter als ſie, und naͤherte ſich
den Achtzigen. Er beſaß eine faſt eben ſo leb¬
hafte Einbildungskraft, wie ſeine Frau, dabei
reichten ſeine Erinnerungen noch tiefer in die
Sagenwelt der Vergangenheit zuruͤck; doch faßte
er Alles von einer ſpaßhaften Seite auf, da er
von jeher ein ſpaßhaftes und ziemlich unnuͤtzes
Maͤnnlein geweſen war, und ſo wußte er eben
ſo viel laͤcherlichen Spuck und verdrehte Men¬
ſchengeſchichten zu erzaͤhlen, als ſeine Frau ernſt¬
hafte und ſchreckliche. In ſeine fruͤhſte Jugend
waren noch die letzten Hexenproceſſe gefallen,
und er beſchrieb mit Humor aus der muͤndlichen
Ueberlieferung geſchoͤpfte Hexenſabathe und Ban¬
kette ganz genau ſo, wie man ſie noch in den
actenmaͤßigen Geſchichten jener Proceſſe, in den
weitlaͤufigen Anklagen und erzwungenen Geſtaͤnd¬
niſſen lieſt. Dieſes Gebiet ſagte ihm beſonders
zu, und er verſicherte feierlich von einigen ſelt¬
ſamen Perſonen, daß ſie ſehr wohl auf dem
Beſenſtiele zu reiten verſtaͤnden, verſprach auch
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[200/0214] funfzehn Jahre aͤlter als ſie, und naͤherte ſich den Achtzigen. Er beſaß eine faſt eben ſo leb¬ hafte Einbildungskraft, wie ſeine Frau, dabei reichten ſeine Erinnerungen noch tiefer in die Sagenwelt der Vergangenheit zuruͤck; doch faßte er Alles von einer ſpaßhaften Seite auf, da er von jeher ein ſpaßhaftes und ziemlich unnuͤtzes Maͤnnlein geweſen war, und ſo wußte er eben ſo viel laͤcherlichen Spuck und verdrehte Men¬ ſchengeſchichten zu erzaͤhlen, als ſeine Frau ernſt¬ hafte und ſchreckliche. In ſeine fruͤhſte Jugend waren noch die letzten Hexenproceſſe gefallen, und er beſchrieb mit Humor aus der muͤndlichen Ueberlieferung geſchoͤpfte Hexenſabathe und Ban¬ kette ganz genau ſo, wie man ſie noch in den actenmaͤßigen Geſchichten jener Proceſſe, in den weitlaͤufigen Anklagen und erzwungenen Geſtaͤnd¬ niſſen lieſt. Dieſes Gebiet ſagte ihm beſonders zu, und er verſicherte feierlich von einigen ſelt¬ ſamen Perſonen, daß ſie ſehr wohl auf dem Beſenſtiele zu reiten verſtaͤnden, verſprach auch von einem Tage zum andern, ſo lange er lebte, von einem Hexenmeiſter ſeiner Bekanntſchaft die

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/214>, abgerufen am 28.11.2024.