Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

tragen, und diese reichlichen Vorräthe bildeten
die Grundlage zu einem stattlichen Wohlleben,
welches alsobald begann, wenn das geräuschvolle
Gewölbe geschlossen war und in der noch selt¬
sameren Wohnstube das häusliche Abendleben zur
Geltung kam. Dort hatte Frau Margreth die¬
jenigen Gegenstände zusammengehäuft und als
Zierrath angebracht, welche ihr in ihrem Handel
und Wandel am besten gefallen hatten, und sie
nahm keinen Anstand, etwas für sich aufzube¬
wahren, wenn es ihr Interesse erweckte. An den
Wänden hingen alte Heiligenbilder auf Gold¬
grund und in den Fenstern gemalte Scheiben,
und allen diesen Dingen schrieb sie irgend eine
merkwürdige Geschichte oder sogar geheime Kräfte
zu, was ihr dieselben heilig und unveräußerlich
machte, so sehr auch Kenner sich manchmal be¬
mühten, die wirklich werthvollen Denkmäler ihrer
Unwissenheit zu entreißen. In einer Truhe von
Ebenholz bewahrte sie goldene Schaumünzen,
Ketten, Becher, silberne Filigranarbeiten und
andere köstliche Spielereien, für welche sie eine
große Vorliebe trug und dieselben nur wieder

tragen, und dieſe reichlichen Vorraͤthe bildeten
die Grundlage zu einem ſtattlichen Wohlleben,
welches alſobald begann, wenn das geraͤuſchvolle
Gewoͤlbe geſchloſſen war und in der noch ſelt¬
ſameren Wohnſtube das haͤusliche Abendleben zur
Geltung kam. Dort hatte Frau Margreth die¬
jenigen Gegenſtaͤnde zuſammengehaͤuft und als
Zierrath angebracht, welche ihr in ihrem Handel
und Wandel am beſten gefallen hatten, und ſie
nahm keinen Anſtand, etwas fuͤr ſich aufzube¬
wahren, wenn es ihr Intereſſe erweckte. An den
Waͤnden hingen alte Heiligenbilder auf Gold¬
grund und in den Fenſtern gemalte Scheiben,
und allen dieſen Dingen ſchrieb ſie irgend eine
merkwuͤrdige Geſchichte oder ſogar geheime Kraͤfte
zu, was ihr dieſelben heilig und unveraͤußerlich
machte, ſo ſehr auch Kenner ſich manchmal be¬
muͤhten, die wirklich werthvollen Denkmaͤler ihrer
Unwiſſenheit zu entreißen. In einer Truhe von
Ebenholz bewahrte ſie goldene Schaumuͤnzen,
Ketten, Becher, ſilberne Filigranarbeiten und
andere koͤſtliche Spielereien, fuͤr welche ſie eine
große Vorliebe trug und dieſelben nur wieder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0194" n="180"/>
tragen, und die&#x017F;e reichlichen Vorra&#x0364;the bildeten<lb/>
die Grundlage zu einem &#x017F;tattlichen Wohlleben,<lb/>
welches al&#x017F;obald begann, wenn das gera&#x0364;u&#x017F;chvolle<lb/>
Gewo&#x0364;lbe ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war und in der noch &#x017F;elt¬<lb/>
&#x017F;ameren Wohn&#x017F;tube das ha&#x0364;usliche Abendleben zur<lb/>
Geltung kam. Dort hatte Frau Margreth die¬<lb/>
jenigen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde zu&#x017F;ammengeha&#x0364;uft und als<lb/>
Zierrath angebracht, welche ihr in ihrem Handel<lb/>
und Wandel am be&#x017F;ten gefallen hatten, und &#x017F;ie<lb/>
nahm keinen An&#x017F;tand, etwas fu&#x0364;r &#x017F;ich aufzube¬<lb/>
wahren, wenn es ihr Intere&#x017F;&#x017F;e erweckte. An den<lb/>
Wa&#x0364;nden hingen alte Heiligenbilder auf Gold¬<lb/>
grund und in den Fen&#x017F;tern gemalte Scheiben,<lb/>
und allen die&#x017F;en Dingen &#x017F;chrieb &#x017F;ie irgend eine<lb/>
merkwu&#x0364;rdige Ge&#x017F;chichte oder &#x017F;ogar geheime Kra&#x0364;fte<lb/>
zu, was ihr die&#x017F;elben heilig und unvera&#x0364;ußerlich<lb/>
machte, &#x017F;o &#x017F;ehr auch Kenner &#x017F;ich manchmal be¬<lb/>
mu&#x0364;hten, die wirklich werthvollen Denkma&#x0364;ler ihrer<lb/>
Unwi&#x017F;&#x017F;enheit zu entreißen. In einer Truhe von<lb/>
Ebenholz bewahrte &#x017F;ie goldene Schaumu&#x0364;nzen,<lb/>
Ketten, Becher, &#x017F;ilberne Filigranarbeiten und<lb/>
andere ko&#x0364;&#x017F;tliche Spielereien, fu&#x0364;r welche &#x017F;ie eine<lb/>
große Vorliebe trug und die&#x017F;elben nur wieder<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0194] tragen, und dieſe reichlichen Vorraͤthe bildeten die Grundlage zu einem ſtattlichen Wohlleben, welches alſobald begann, wenn das geraͤuſchvolle Gewoͤlbe geſchloſſen war und in der noch ſelt¬ ſameren Wohnſtube das haͤusliche Abendleben zur Geltung kam. Dort hatte Frau Margreth die¬ jenigen Gegenſtaͤnde zuſammengehaͤuft und als Zierrath angebracht, welche ihr in ihrem Handel und Wandel am beſten gefallen hatten, und ſie nahm keinen Anſtand, etwas fuͤr ſich aufzube¬ wahren, wenn es ihr Intereſſe erweckte. An den Waͤnden hingen alte Heiligenbilder auf Gold¬ grund und in den Fenſtern gemalte Scheiben, und allen dieſen Dingen ſchrieb ſie irgend eine merkwuͤrdige Geſchichte oder ſogar geheime Kraͤfte zu, was ihr dieſelben heilig und unveraͤußerlich machte, ſo ſehr auch Kenner ſich manchmal be¬ muͤhten, die wirklich werthvollen Denkmaͤler ihrer Unwiſſenheit zu entreißen. In einer Truhe von Ebenholz bewahrte ſie goldene Schaumuͤnzen, Ketten, Becher, ſilberne Filigranarbeiten und andere koͤſtliche Spielereien, fuͤr welche ſie eine große Vorliebe trug und dieſelben nur wieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/194
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/194>, abgerufen am 04.05.2024.