Nüchternheit meiner Mutter, für mich das wurde, was sonst sagenreiche Großmütter und Ammen für die stoffbedürftigen Kinder sind. In dem Hause gegenüber befand sich eine offene dunkle Halle, welche ganz mit altem und neuem Trödel¬ kram angefüllt war. Die Wände waren mit alten Seidengewändern, gewirkten Stoffen und Teppichen aller Art behangen. Rostige Waffen und Geräthschaften, schwarze zerrissene Oelgemälde bekleideten die Eingangspfosten und verbreiteten sich zu beiden Seiten an der Außenseite des Hauses; auf einer Menge altmodiger Tische und Geräthe stand wunderliches Glasgeschirr und Porcellan aufgethürmt mit allerhand hölzernen und irdenen Figuren vermischt. In den tieferen Räumen waren Berge von Betten und Haus¬ geräthen übereinandergeschichtet und auf den Hoch¬ ebenen und Absätzen derselben, manchmal auf einem gefährlichen einsamen Grate, stand überall noch eine schnörkelhafte Uhr, ein Crucifix oder ein wächserner Engel u. dergl. mehr. Im tief¬ sten Hintergrunde aber saß jederzeit eine bejahrte, dicke Frau in alterthümlicher Tracht, in einem
Nuͤchternheit meiner Mutter, fuͤr mich das wurde, was ſonſt ſagenreiche Großmuͤtter und Ammen fuͤr die ſtoffbeduͤrftigen Kinder ſind. In dem Hauſe gegenuͤber befand ſich eine offene dunkle Halle, welche ganz mit altem und neuem Troͤdel¬ kram angefuͤllt war. Die Waͤnde waren mit alten Seidengewaͤndern, gewirkten Stoffen und Teppichen aller Art behangen. Roſtige Waffen und Geraͤthſchaften, ſchwarze zerriſſene Oelgemaͤlde bekleideten die Eingangſpfoſten und verbreiteten ſich zu beiden Seiten an der Außenſeite des Hauſes; auf einer Menge altmodiger Tiſche und Geraͤthe ſtand wunderliches Glasgeſchirr und Porcellan aufgethuͤrmt mit allerhand hoͤlzernen und irdenen Figuren vermiſcht. In den tieferen Raͤumen waren Berge von Betten und Haus¬ geraͤthen uͤbereinandergeſchichtet und auf den Hoch¬ ebenen und Abſaͤtzen derſelben, manchmal auf einem gefaͤhrlichen einſamen Grate, ſtand uͤberall noch eine ſchnoͤrkelhafte Uhr, ein Crucifix oder ein waͤchſerner Engel u. dergl. mehr. Im tief¬ ſten Hintergrunde aber ſaß jederzeit eine bejahrte, dicke Frau in alterthuͤmlicher Tracht, in einem
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0189"n="175"/>
Nuͤchternheit meiner Mutter, fuͤr mich das wurde,<lb/>
was ſonſt ſagenreiche Großmuͤtter und Ammen<lb/>
fuͤr die ſtoffbeduͤrftigen Kinder ſind. In dem<lb/>
Hauſe gegenuͤber befand ſich eine offene dunkle<lb/>
Halle, welche ganz mit altem und neuem Troͤdel¬<lb/>
kram angefuͤllt war. Die Waͤnde waren mit<lb/>
alten Seidengewaͤndern, gewirkten Stoffen und<lb/>
Teppichen aller Art behangen. Roſtige Waffen<lb/>
und Geraͤthſchaften, ſchwarze zerriſſene Oelgemaͤlde<lb/>
bekleideten die Eingangſpfoſten und verbreiteten<lb/>ſich zu beiden Seiten an der Außenſeite des<lb/>
Hauſes; auf einer Menge altmodiger Tiſche und<lb/>
Geraͤthe ſtand wunderliches Glasgeſchirr und<lb/>
Porcellan aufgethuͤrmt mit allerhand hoͤlzernen<lb/>
und irdenen Figuren vermiſcht. In den tieferen<lb/>
Raͤumen waren Berge von Betten und Haus¬<lb/>
geraͤthen uͤbereinandergeſchichtet und auf den Hoch¬<lb/>
ebenen und Abſaͤtzen derſelben, manchmal auf<lb/>
einem gefaͤhrlichen einſamen Grate, ſtand uͤberall<lb/>
noch eine ſchnoͤrkelhafte Uhr, ein Crucifix oder<lb/>
ein waͤchſerner Engel u. dergl. mehr. Im tief¬<lb/>ſten Hintergrunde aber ſaß jederzeit eine bejahrte,<lb/>
dicke Frau in alterthuͤmlicher Tracht, in einem<lb/></p></div></body></text></TEI>
[175/0189]
Nuͤchternheit meiner Mutter, fuͤr mich das wurde,
was ſonſt ſagenreiche Großmuͤtter und Ammen
fuͤr die ſtoffbeduͤrftigen Kinder ſind. In dem
Hauſe gegenuͤber befand ſich eine offene dunkle
Halle, welche ganz mit altem und neuem Troͤdel¬
kram angefuͤllt war. Die Waͤnde waren mit
alten Seidengewaͤndern, gewirkten Stoffen und
Teppichen aller Art behangen. Roſtige Waffen
und Geraͤthſchaften, ſchwarze zerriſſene Oelgemaͤlde
bekleideten die Eingangſpfoſten und verbreiteten
ſich zu beiden Seiten an der Außenſeite des
Hauſes; auf einer Menge altmodiger Tiſche und
Geraͤthe ſtand wunderliches Glasgeſchirr und
Porcellan aufgethuͤrmt mit allerhand hoͤlzernen
und irdenen Figuren vermiſcht. In den tieferen
Raͤumen waren Berge von Betten und Haus¬
geraͤthen uͤbereinandergeſchichtet und auf den Hoch¬
ebenen und Abſaͤtzen derſelben, manchmal auf
einem gefaͤhrlichen einſamen Grate, ſtand uͤberall
noch eine ſchnoͤrkelhafte Uhr, ein Crucifix oder
ein waͤchſerner Engel u. dergl. mehr. Im tief¬
ſten Hintergrunde aber ſaß jederzeit eine bejahrte,
dicke Frau in alterthuͤmlicher Tracht, in einem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/189>, abgerufen am 04.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.