"Da kannst Du essen, Du eigensinniges Kind!" worauf ich meinerseits unter einem Ausbruche von Schluchzen und Thränen mich hinsetzte und es mir tapfer schmecken ließ, sobald die heftige Be¬ wegung nachließ. Auf dem Wege zur Schule ließ ich es nicht an einem vergnügten Dankseuf¬ zer fehlen für die glückliche Befreiung und Ver¬ söhnung.
Als ich in späteren Jahren im Heimathdorfe auf Besuch war, wurde ich an das Ereigniß leb¬ haft erinnert durch eine Geschichte, welche sich vor mehr als hundert Jahren mit einem Kinde dort zugetragen hatte und einen tiefen Eindruck auf mich machte. In einer Ecke der Kirchhofmauer war eine kleine steinerne Tafel eingelassen, welche nichts als ein halbverwittertes Wappen und die Jahrzahl 1713 trug. Die Leute nannten diesen Platz das Grab des Hexenkindes und erzählten allerlei abenteuerliche und fabelhafte Geschichten von demselben, wie es ein vornehmes Kind aus der Stadt, aber in das Pfarrhaus, in welchem dazumal ein gottesfürchtiger und strenger Mann wohnte, verbannt gewesen sei, um von seiner
»Da kannſt Du eſſen, Du eigenſinniges Kind!« worauf ich meinerſeits unter einem Ausbruche von Schluchzen und Thraͤnen mich hinſetzte und es mir tapfer ſchmecken ließ, ſobald die heftige Be¬ wegung nachließ. Auf dem Wege zur Schule ließ ich es nicht an einem vergnuͤgten Dankſeuf¬ zer fehlen fuͤr die gluͤckliche Befreiung und Ver¬ ſoͤhnung.
Als ich in ſpaͤteren Jahren im Heimathdorfe auf Beſuch war, wurde ich an das Ereigniß leb¬ haft erinnert durch eine Geſchichte, welche ſich vor mehr als hundert Jahren mit einem Kinde dort zugetragen hatte und einen tiefen Eindruck auf mich machte. In einer Ecke der Kirchhofmauer war eine kleine ſteinerne Tafel eingelaſſen, welche nichts als ein halbverwittertes Wappen und die Jahrzahl 1713 trug. Die Leute nannten dieſen Platz das Grab des Hexenkindes und erzaͤhlten allerlei abenteuerliche und fabelhafte Geſchichten von demſelben, wie es ein vornehmes Kind aus der Stadt, aber in das Pfarrhaus, in welchem dazumal ein gottesfuͤrchtiger und ſtrenger Mann wohnte, verbannt geweſen ſei, um von ſeiner
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»Da kannſt Du eſſen, Du eigenſinniges Kind!«
worauf ich meinerſeits unter einem Ausbruche von
Schluchzen und Thraͤnen mich hinſetzte und es
mir tapfer ſchmecken ließ, ſobald die heftige Be¬
wegung nachließ. Auf dem Wege zur Schule
ließ ich es nicht an einem vergnuͤgten Dankſeuf¬
zer fehlen fuͤr die gluͤckliche Befreiung und Ver¬
ſoͤhnung.
Als ich in ſpaͤteren Jahren im Heimathdorfe
auf Beſuch war, wurde ich an das Ereigniß leb¬
haft erinnert durch eine Geſchichte, welche ſich vor
mehr als hundert Jahren mit einem Kinde dort
zugetragen hatte und einen tiefen Eindruck auf
mich machte. In einer Ecke der Kirchhofmauer
war eine kleine ſteinerne Tafel eingelaſſen, welche
nichts als ein halbverwittertes Wappen und die
Jahrzahl 1713 trug. Die Leute nannten dieſen
Platz das Grab des Hexenkindes und erzaͤhlten
allerlei abenteuerliche und fabelhafte Geſchichten
von demſelben, wie es ein vornehmes Kind aus
der Stadt, aber in das Pfarrhaus, in welchem
dazumal ein gottesfuͤrchtiger und ſtrenger Mann
wohnte, verbannt geweſen ſei, um von ſeiner
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/166>, abgerufen am 04.05.2024.
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