wurden. Einige Vertiefungen und Seitengänge gaben dem Raume ein düsteres und verworrenes Ansehen und blieben noch zu entdeckende Geheim¬ nisse für mich; je höher man aber steigt, desto freundlicher und heller wird es, indem der oberste Stock, den wir bewohnen, die Nachbarhäuser überragt. Ein hohes Fenster wirft reichliches Licht auf die mannigfaltig gebrochenen Treppen und wunderlichen Holzgalerien des luftigen Estrichs, welcher einen heitern Gegensatz zu den kühlen Finsternissen der Tiefe bildet. Die Fenster unse¬ rer Wohnstube gehen auf eine Menge kleiner Höfe hinaus, wie sie oft von einem Häuservier¬ tel umschlossen werden und ein verborgenes be¬ hagliches Gesumme enthalten, welches man auf der Straße nicht ahnt. Den Tag über betrach¬ tete ich stundenlang das innere häusliche Leben in diesen Höfen; die grünen Gärtchen in den¬ selben schienen mir kleine Paradiese zu sein, wenn die Nachmittagssonne sie beleuchtete und die weiße Wäsche in denselben wehte, und wunderfremd und doch bekannt kamen mir die Leute vor, welche ich darin gesehen hatte, wenn sie plötzlich einmal
wurden. Einige Vertiefungen und Seitengaͤnge gaben dem Raume ein duͤſteres und verworrenes Anſehen und blieben noch zu entdeckende Geheim¬ niſſe fuͤr mich; je hoͤher man aber ſteigt, deſto freundlicher und heller wird es, indem der oberſte Stock, den wir bewohnen, die Nachbarhaͤuſer uͤberragt. Ein hohes Fenſter wirft reichliches Licht auf die mannigfaltig gebrochenen Treppen und wunderlichen Holzgalerien des luftigen Eſtrichs, welcher einen heitern Gegenſatz zu den kuͤhlen Finſterniſſen der Tiefe bildet. Die Fenſter unſe¬ rer Wohnſtube gehen auf eine Menge kleiner Hoͤfe hinaus, wie ſie oft von einem Haͤuſervier¬ tel umſchloſſen werden und ein verborgenes be¬ hagliches Geſumme enthalten, welches man auf der Straße nicht ahnt. Den Tag uͤber betrach¬ tete ich ſtundenlang das innere haͤusliche Leben in dieſen Hoͤfen; die gruͤnen Gaͤrtchen in den¬ ſelben ſchienen mir kleine Paradieſe zu ſein, wenn die Nachmittagsſonne ſie beleuchtete und die weiße Waͤſche in denſelben wehte, und wunderfremd und doch bekannt kamen mir die Leute vor, welche ich darin geſehen hatte, wenn ſie ploͤtzlich einmal
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wurden. Einige Vertiefungen und Seitengaͤnge
gaben dem Raume ein duͤſteres und verworrenes
Anſehen und blieben noch zu entdeckende Geheim¬
niſſe fuͤr mich; je hoͤher man aber ſteigt, deſto
freundlicher und heller wird es, indem der oberſte
Stock, den wir bewohnen, die Nachbarhaͤuſer
uͤberragt. Ein hohes Fenſter wirft reichliches Licht
auf die mannigfaltig gebrochenen Treppen und
wunderlichen Holzgalerien des luftigen Eſtrichs,
welcher einen heitern Gegenſatz zu den kuͤhlen
Finſterniſſen der Tiefe bildet. Die Fenſter unſe¬
rer Wohnſtube gehen auf eine Menge kleiner
Hoͤfe hinaus, wie ſie oft von einem Haͤuſervier¬
tel umſchloſſen werden und ein verborgenes be¬
hagliches Geſumme enthalten, welches man auf
der Straße nicht ahnt. Den Tag uͤber betrach¬
tete ich ſtundenlang das innere haͤusliche Leben
in dieſen Hoͤfen; die gruͤnen Gaͤrtchen in den¬
ſelben ſchienen mir kleine Paradieſe zu ſein, wenn
die Nachmittagsſonne ſie beleuchtete und die weiße
Waͤſche in denſelben wehte, und wunderfremd
und doch bekannt kamen mir die Leute vor, welche
ich darin geſehen hatte, wenn ſie ploͤtzlich einmal
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/142>, abgerufen am 24.11.2024.
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