derholung aller dieser guten Dinge in einer wei¬ ten, belebten Nachbarschaft, welche sogar noch mit einigen bewohnten Schlössern gespickt war, zogen den einwohnenden Herrschaften Jahr aus und ein eine Menge jagender, fischender, tanzender, singen¬ der, essender und trinkender Gäste aus der Stadt zu. Man bewegte sich um so leichter, als man den Reifrock und die Perrücke weislich da liegen ließ, wohin sie die Revolution geworfen hatte, und das griechische Costüm der Kaiserzeit, wenn auch in diesen Gegenden etwas nachträglich, an¬ gethan hatte. Die Bauern sahen mit Verwun¬ derung die weißumflorten Göttergestalten ihrer vornehmen Mitbürgerinnen, ihre sonderbaren Hüte und noch merkwürdigeren Taillen, welche dicht unter den Armen gegürtet waren. Die Herrlich¬ keit des aristokratischen Regimentes entfaltete sich am höchsten im Pfarrhause. Die reformirten Landgeistlichen der Schweiz waren keine armen, demüthigen Schlucker, wie ihre Amtsbrüder im protestantischen Norden. Da alle Pfründen im Lande ausschließlich den Bürgern der herrschenden Städte offen standen, so bildeten sie zu den welt¬
derholung aller dieſer guten Dinge in einer wei¬ ten, belebten Nachbarſchaft, welche ſogar noch mit einigen bewohnten Schloͤſſern geſpickt war, zogen den einwohnenden Herrſchaften Jahr aus und ein eine Menge jagender, fiſchender, tanzender, ſingen¬ der, eſſender und trinkender Gaͤſte aus der Stadt zu. Man bewegte ſich um ſo leichter, als man den Reifrock und die Perruͤcke weislich da liegen ließ, wohin ſie die Revolution geworfen hatte, und das griechiſche Coſtuͤm der Kaiſerzeit, wenn auch in dieſen Gegenden etwas nachtraͤglich, an¬ gethan hatte. Die Bauern ſahen mit Verwun¬ derung die weißumflorten Goͤttergeſtalten ihrer vornehmen Mitbuͤrgerinnen, ihre ſonderbaren Huͤte und noch merkwuͤrdigeren Taillen, welche dicht unter den Armen geguͤrtet waren. Die Herrlich¬ keit des ariſtokratiſchen Regimentes entfaltete ſich am hoͤchſten im Pfarrhauſe. Die reformirten Landgeiſtlichen der Schweiz waren keine armen, demuͤthigen Schlucker, wie ihre Amtsbruͤder im proteſtantiſchen Norden. Da alle Pfruͤnden im Lande ausſchließlich den Buͤrgern der herrſchenden Staͤdte offen ſtanden, ſo bildeten ſie zu den welt¬
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derholung aller dieſer guten Dinge in einer wei¬
ten, belebten Nachbarſchaft, welche ſogar noch mit
einigen bewohnten Schloͤſſern geſpickt war, zogen
den einwohnenden Herrſchaften Jahr aus und ein
eine Menge jagender, fiſchender, tanzender, ſingen¬
der, eſſender und trinkender Gaͤſte aus der Stadt
zu. Man bewegte ſich um ſo leichter, als man
den Reifrock und die Perruͤcke weislich da liegen
ließ, wohin ſie die Revolution geworfen hatte,
und das griechiſche Coſtuͤm der Kaiſerzeit, wenn
auch in dieſen Gegenden etwas nachtraͤglich, an¬
gethan hatte. Die Bauern ſahen mit Verwun¬
derung die weißumflorten Goͤttergeſtalten ihrer
vornehmen Mitbuͤrgerinnen, ihre ſonderbaren Huͤte
und noch merkwuͤrdigeren Taillen, welche dicht
unter den Armen geguͤrtet waren. Die Herrlich¬
keit des ariſtokratiſchen Regimentes entfaltete ſich
am hoͤchſten im Pfarrhauſe. Die reformirten
Landgeiſtlichen der Schweiz waren keine armen,
demuͤthigen Schlucker, wie ihre Amtsbruͤder im
proteſtantiſchen Norden. Da alle Pfruͤnden im
Lande ausſchließlich den Buͤrgern der herrſchenden
Staͤdte offen ſtanden, ſo bildeten ſie zu den welt¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/112>, abgerufen am 25.11.2024.
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