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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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lichen Ehrenstellen eine Ergänzung im Systeme
der Herrschaft, und die Pfarrer, deren Brüder
das Schwert und die Wage handhabten, nahmen
Theil an der Glorie, wirkten und regierten auf
ihre Weise im Sinne des Ganzen kräftig mit
oder überließen sich einem sorgenfreien, vergnüg¬
lichen Dasein, gleich den vornehmen Geistlichen
der katholischen Kirche. Sehr oft waren sie von
Haus aus reich und die ländlichen Pfarrhäuser
glichen eher den Landsitzen großer Herren; auch
gab es eine Menge adeliger Seelenhirten, welche
die Bauern Junker Pfarrer nennen mußten. Ein
solcher war nun zwar der Pfarrer meines Heimath¬
dorfes nicht, auch nichts weniger als ein reicher
Mann; doch sonst einer sehr alten Bürgerfamilie
angehörend, vereinigte er in seiner Person und
in seinem Hauswesen allen Stolz, Kastengeist
und Lustbarkeit eines warmgesessenen Städtethu¬
mes. Er that sich etwas darauf zu gut, ein
Aristokrat zu heißen, und vermischte seine geist¬
liche Würde ungezwungen mit einem derben, mi¬
litärisch-junkerhaften Anstriche; denn man wußte
dazumal noch nichts, weder von dem Namen noch

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lichen Ehrenſtellen eine Ergaͤnzung im Syſteme
der Herrſchaft, und die Pfarrer, deren Bruͤder
das Schwert und die Wage handhabten, nahmen
Theil an der Glorie, wirkten und regierten auf
ihre Weiſe im Sinne des Ganzen kraͤftig mit
oder uͤberließen ſich einem ſorgenfreien, vergnuͤg¬
lichen Daſein, gleich den vornehmen Geiſtlichen
der katholiſchen Kirche. Sehr oft waren ſie von
Haus aus reich und die laͤndlichen Pfarrhaͤuſer
glichen eher den Landſitzen großer Herren; auch
gab es eine Menge adeliger Seelenhirten, welche
die Bauern Junker Pfarrer nennen mußten. Ein
ſolcher war nun zwar der Pfarrer meines Heimath¬
dorfes nicht, auch nichts weniger als ein reicher
Mann; doch ſonſt einer ſehr alten Buͤrgerfamilie
angehoͤrend, vereinigte er in ſeiner Perſon und
in ſeinem Hausweſen allen Stolz, Kaſtengeiſt
und Luſtbarkeit eines warmgeſeſſenen Staͤdtethu¬
mes. Er that ſich etwas darauf zu gut, ein
Ariſtokrat zu heißen, und vermiſchte ſeine geiſt¬
liche Wuͤrde ungezwungen mit einem derben, mi¬
litaͤriſch-junkerhaften Anſtriche; denn man wußte
dazumal noch nichts, weder von dem Namen noch

7 *
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[99/0113] lichen Ehrenſtellen eine Ergaͤnzung im Syſteme der Herrſchaft, und die Pfarrer, deren Bruͤder das Schwert und die Wage handhabten, nahmen Theil an der Glorie, wirkten und regierten auf ihre Weiſe im Sinne des Ganzen kraͤftig mit oder uͤberließen ſich einem ſorgenfreien, vergnuͤg¬ lichen Daſein, gleich den vornehmen Geiſtlichen der katholiſchen Kirche. Sehr oft waren ſie von Haus aus reich und die laͤndlichen Pfarrhaͤuſer glichen eher den Landſitzen großer Herren; auch gab es eine Menge adeliger Seelenhirten, welche die Bauern Junker Pfarrer nennen mußten. Ein ſolcher war nun zwar der Pfarrer meines Heimath¬ dorfes nicht, auch nichts weniger als ein reicher Mann; doch ſonſt einer ſehr alten Buͤrgerfamilie angehoͤrend, vereinigte er in ſeiner Perſon und in ſeinem Hausweſen allen Stolz, Kaſtengeiſt und Luſtbarkeit eines warmgeſeſſenen Staͤdtethu¬ mes. Er that ſich etwas darauf zu gut, ein Ariſtokrat zu heißen, und vermiſchte ſeine geiſt¬ liche Wuͤrde ungezwungen mit einem derben, mi¬ litaͤriſch-junkerhaften Anſtriche; denn man wußte dazumal noch nichts, weder von dem Namen noch 7 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/113>, abgerufen am 25.11.2024.