befinden, und sie hatte Recht. -- -- Drei Tage dar- nach wurde sie abermals durch ein Paket, welches ihr der Herr Graf schickte, auf das angenehmste über- rascht: sie fand darinnen das verbindlichste Schreiben von der Hand des Herrn Grafen, und eine Anden- kens-Asse mit der ausgesuchten Devise: Wandle auf Kosen, und Vergiß mein nicht. Ausser der Kott- witzischen Dose in Glogau, war ihr niemals ein Ge- schenk willkommner und werther gewesen.
Nach dieser Ehrenbegebenheit, welche sie zu stark empfunden hatte, schwächelte sie mehr als jemals, ihr Geist aber blieb munter, so wie die Begierde, sich ihren Freunden mitzutheilen. Sie hatte sich seit dreyßig Jahren her so sehr ausser dem Hause gewöhnt, daß sie auch bei ihrer äußersten Hin- fälligkeit das Gehn zu Andern nicht lassen konnte. Sie glaubte sich dadurch zu stärken, allein sie schadete sich offenbar; denn durch das Vergnügen der Mit- theilung ward sie bei dem Glase Wein, welches sie trank, wie gewöhnlich zu poetischen Einfällen verleitet, welches sie unvermerkt angriff. Denn ihr Geist war kein Feuer mehr, sondern hielt nur noch Funken in ihr verborgen; holte sie dieselben durch Anstrengung der Gedanken zusammen, so war es natürlich, daß der entkräftete Körper ganz dadurch erschöpft werden mußte. Dennoch konnte sie weder das eine noch das
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befinden, und ſie hatte Recht. — — Drei Tage dar- nach wurde ſie abermals durch ein Paket, welches ihr der Herr Graf ſchickte, auf das angenehmſte uͤber- raſcht: ſie fand darinnen das verbindlichſte Schreiben von der Hand des Herrn Grafen, und eine Anden- kens-Aſſe mit der ausgeſuchten Deviſe: Wandle auf Koſen, und Vergiß mein nicht. Auſſer der Kott- witziſchen Doſe in Glogau, war ihr niemals ein Ge- ſchenk willkommner und werther geweſen.
Nach dieſer Ehrenbegebenheit, welche ſie zu ſtark empfunden hatte, ſchwaͤchelte ſie mehr als jemals, ihr Geiſt aber blieb munter, ſo wie die Begierde, ſich ihren Freunden mitzutheilen. Sie hatte ſich ſeit dreyßig Jahren her ſo ſehr auſſer dem Hauſe gewoͤhnt, daß ſie auch bei ihrer aͤußerſten Hin- faͤlligkeit das Gehn zu Andern nicht laſſen konnte. Sie glaubte ſich dadurch zu ſtaͤrken, allein ſie ſchadete ſich offenbar; denn durch das Vergnuͤgen der Mit- theilung ward ſie bei dem Glaſe Wein, welches ſie trank, wie gewoͤhnlich zu poetiſchen Einfaͤllen verleitet, welches ſie unvermerkt angriff. Denn ihr Geiſt war kein Feuer mehr, ſondern hielt nur noch Funken in ihr verborgen; holte ſie dieſelben durch Anſtrengung der Gedanken zuſammen, ſo war es natuͤrlich, daß der entkraͤftete Koͤrper ganz dadurch erſchoͤpft werden mußte. Dennoch konnte ſie weder das eine noch das
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befinden, und ſie hatte Recht. — — Drei Tage dar-
nach wurde ſie abermals durch ein Paket, welches ihr
der Herr Graf ſchickte, auf das angenehmſte uͤber-
raſcht: ſie fand darinnen das verbindlichſte Schreiben
von der Hand des Herrn Grafen, und eine Anden-
kens-Aſſe mit der ausgeſuchten Deviſe: Wandle auf
Koſen, und Vergiß mein nicht. Auſſer der Kott-
witziſchen Doſe in Glogau, war ihr niemals ein Ge-
ſchenk willkommner und werther geweſen.
Nach dieſer Ehrenbegebenheit, welche ſie zu
ſtark empfunden hatte, ſchwaͤchelte ſie mehr als
jemals, ihr Geiſt aber blieb munter, ſo wie die
Begierde, ſich ihren Freunden mitzutheilen. Sie
hatte ſich ſeit dreyßig Jahren her ſo ſehr auſſer dem
Hauſe gewoͤhnt, daß ſie auch bei ihrer aͤußerſten Hin-
faͤlligkeit das Gehn zu Andern nicht laſſen konnte.
Sie glaubte ſich dadurch zu ſtaͤrken, allein ſie ſchadete
ſich offenbar; denn durch das Vergnuͤgen der Mit-
theilung ward ſie bei dem Glaſe Wein, welches ſie
trank, wie gewoͤhnlich zu poetiſchen Einfaͤllen verleitet,
welches ſie unvermerkt angriff. Denn ihr Geiſt war
kein Feuer mehr, ſondern hielt nur noch Funken in
ihr verborgen; holte ſie dieſelben durch Anſtrengung
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/153>, abgerufen am 24.11.2024.
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