so tief im Staube geborne Dichterin würkte. -- Oft zwar hatte sie schon des Vorzuges genossen, von Aller- höchsten Personen gerufen, und mit besondern Gna- denäusserungen behandelt zu werden; allein, so wie Ihro Königl. Hoheit, die Prinzeßin Ferdinand, durch diese Einladung sie ehrte, das ging zu weit über alles, was jemals ihren Stolz gereizt hatte. Die Großen bedürfen nur wenig zu thun, um jemand in Erfahrung zu setzen: "wie man vor Freude sterben kann." Auch die Dichterin würde vor Freuden über die Erwartung zum andern Morgen vielleicht sterbend krank gewor- den seyn, wenn sie nicht den Königlich-denkenden Hof des Prinzen Ferdinands K. H. schon mehrma- len beisammen gesehen und gesprochen hätte. Sie erschien also am bestimmten Morgen vor dem Gar- ten des Hofjägers, wo ihr der Herr Graf als Wirth entgegen kam, und sie zu den Allerhöchsten Herrschaf- ten, welche schon versammlet waren, einführte. Man ließ sie auf einen Stuhl niedersitzen, welcher zur Rech- ten der Gemahlin des Prinzen Ferdinand K. H. für sie ledig gelassen war. Die unvergleichliche Prinzessin Tochter legte der Dichterin mit eigener schöner Hand vor, und alle die höchsten Anwesenden ließen sich herab, die Gespräche auf lauter Gegenstände zu lenken, welche der Karschin angenehm seyn konnten. Sie glaubte sich hier wirklich schon unter den guten Göttern zu
ſo tief im Staube geborne Dichterin wuͤrkte. — Oft zwar hatte ſie ſchon des Vorzuges genoſſen, von Aller- hoͤchſten Perſonen gerufen, und mit beſondern Gna- denaͤuſſerungen behandelt zu werden; allein, ſo wie Ihro Koͤnigl. Hoheit, die Prinzeßin Ferdinand, durch dieſe Einladung ſie ehrte, das ging zu weit uͤber alles, was jemals ihren Stolz gereizt hatte. Die Großen beduͤrfen nur wenig zu thun, um jemand in Erfahrung zu ſetzen: „wie man vor Freude ſterben kann.“ Auch die Dichterin wuͤrde vor Freuden uͤber die Erwartung zum andern Morgen vielleicht ſterbend krank gewor- den ſeyn, wenn ſie nicht den Koͤniglich-denkenden Hof des Prinzen Ferdinands K. H. ſchon mehrma- len beiſammen geſehen und geſprochen haͤtte. Sie erſchien alſo am beſtimmten Morgen vor dem Gar- ten des Hofjaͤgers, wo ihr der Herr Graf als Wirth entgegen kam, und ſie zu den Allerhoͤchſten Herrſchaf- ten, welche ſchon verſammlet waren, einfuͤhrte. Man ließ ſie auf einen Stuhl niederſitzen, welcher zur Rech- ten der Gemahlin des Prinzen Ferdinand K. H. fuͤr ſie ledig gelaſſen war. Die unvergleichliche Prinzeſſin Tochter legte der Dichterin mit eigener ſchoͤner Hand vor, und alle die hoͤchſten Anweſenden ließen ſich herab, die Geſpraͤche auf lauter Gegenſtaͤnde zu lenken, welche der Karſchin angenehm ſeyn konnten. Sie glaubte ſich hier wirklich ſchon unter den guten Goͤttern zu
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ſo tief im Staube geborne Dichterin wuͤrkte. — Oft
zwar hatte ſie ſchon des Vorzuges genoſſen, von Aller-
hoͤchſten Perſonen gerufen, und mit beſondern Gna-
denaͤuſſerungen behandelt zu werden; allein, ſo wie
Ihro Koͤnigl. Hoheit, die Prinzeßin Ferdinand, durch
dieſe Einladung ſie ehrte, das ging zu weit uͤber alles,
was jemals ihren Stolz gereizt hatte. Die Großen
beduͤrfen nur wenig zu thun, um jemand in Erfahrung
zu ſetzen: „wie man vor Freude ſterben kann.“ Auch
die Dichterin wuͤrde vor Freuden uͤber die Erwartung
zum andern Morgen vielleicht ſterbend krank gewor-
den ſeyn, wenn ſie nicht den Koͤniglich-denkenden
Hof des Prinzen Ferdinands K. H. ſchon mehrma-
len beiſammen geſehen und geſprochen haͤtte. Sie
erſchien alſo am beſtimmten Morgen vor dem Gar-
ten des Hofjaͤgers, wo ihr der Herr Graf als Wirth
entgegen kam, und ſie zu den Allerhoͤchſten Herrſchaf-
ten, welche ſchon verſammlet waren, einfuͤhrte. Man
ließ ſie auf einen Stuhl niederſitzen, welcher zur Rech-
ten der Gemahlin des Prinzen Ferdinand K. H. fuͤr
ſie ledig gelaſſen war. Die unvergleichliche Prinzeſſin
Tochter legte der Dichterin mit eigener ſchoͤner Hand
vor, und alle die hoͤchſten Anweſenden ließen ſich herab,
die Geſpraͤche auf lauter Gegenſtaͤnde zu lenken, welche
der Karſchin angenehm ſeyn konnten. Sie glaubte
ſich hier wirklich ſchon unter den guten Goͤttern zu
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/152>, abgerufen am 28.11.2024.
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