Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

terin ließ sich einen so liebreichen Vorschlag nicht zwei-
mal sagen, sie eilte nach Hause, und schrieb eine poe-
tische Schuldforderung an den König, und richtete
solche an die Prinzessin Friederike Königl. Hoheit
Die höchstgütige Gouvernante überreichte sie sogleich,
und die engelmüthige Prinzessin las das Schreiben
dem Könige ihrem Vater vor, als Seine Majestät
sich eben mahlen ließen. Der huldreichste Monarch
lächelte des Einfalls der Dichterin, er steckte das
Schreiben zu sich, und nicht lange darauf gab Seine
Majestät dem Herrn Minister von Wöllner den un-
erwarteten höchstgnädigen Befehl: der Karschin
anzukündigen, daß ihr ein Haus gebaut
werden sollte; ausgeziert mit allen Al-
legorien der Musen
.

Die Dichterin, welche bloß einen verlornen
Wunsch gethan zu haben glaubte, dachte an nichts
weniger, als an eine solche Wirkung. Eines Tages
gegen Abend ward sie in ihrer Nachbarschaft, in
das Haus des Herrn Geheimen Oberhofbuchdruckers
Decker zu kommen, genöthigt. Weil dies zu ihren
freundschaftlichen Häusern gehörte, so glaubte sie,
daß man ein kleines poetisches Anliegen an sie habe,
und eilte sogleich wie sie war in ihrem Haushabit
dahin. Aber wie erstaunte sie, als man sie in den
ganz erleuchteten Saal des Hauses führte, wo eine

terin ließ ſich einen ſo liebreichen Vorſchlag nicht zwei-
mal ſagen, ſie eilte nach Hauſe, und ſchrieb eine poe-
tiſche Schuldforderung an den Koͤnig, und richtete
ſolche an die Prinzeſſin Friederike Koͤnigl. Hoheit
Die hoͤchſtguͤtige Gouvernante uͤberreichte ſie ſogleich,
und die engelmuͤthige Prinzeſſin las das Schreiben
dem Koͤnige ihrem Vater vor, als Seine Majeſtaͤt
ſich eben mahlen ließen. Der huldreichſte Monarch
laͤchelte des Einfalls der Dichterin, er ſteckte das
Schreiben zu ſich, und nicht lange darauf gab Seine
Majeſtaͤt dem Herrn Miniſter von Woͤllner den un-
erwarteten hoͤchſtgnaͤdigen Befehl: der Karſchin
anzukuͤndigen, daß ihr ein Haus gebaut
werden ſollte; ausgeziert mit allen Al-
legorien der Muſen
.

Die Dichterin, welche bloß einen verlornen
Wunſch gethan zu haben glaubte, dachte an nichts
weniger, als an eine ſolche Wirkung. Eines Tages
gegen Abend ward ſie in ihrer Nachbarſchaft, in
das Haus des Herrn Geheimen Oberhofbuchdruckers
Decker zu kommen, genoͤthigt. Weil dies zu ihren
freundſchaftlichen Haͤuſern gehoͤrte, ſo glaubte ſie,
daß man ein kleines poetiſches Anliegen an ſie habe,
und eilte ſogleich wie ſie war in ihrem Haushabit
dahin. Aber wie erſtaunte ſie, als man ſie in den
ganz erleuchteten Saal des Hauſes fuͤhrte, wo eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="116"/>
terin ließ &#x017F;ich einen &#x017F;o liebreichen Vor&#x017F;chlag nicht zwei-<lb/>
mal &#x017F;agen, &#x017F;ie eilte nach Hau&#x017F;e, und &#x017F;chrieb eine poe-<lb/>
ti&#x017F;che Schuldforderung an den Ko&#x0364;nig, und richtete<lb/>
&#x017F;olche an die Prinze&#x017F;&#x017F;in Friederike Ko&#x0364;nigl. Hoheit<lb/>
Die ho&#x0364;ch&#x017F;tgu&#x0364;tige Gouvernante u&#x0364;berreichte &#x017F;ie &#x017F;ogleich,<lb/>
und die engelmu&#x0364;thige Prinze&#x017F;&#x017F;in las das Schreiben<lb/>
dem Ko&#x0364;nige ihrem Vater vor, als Seine Maje&#x017F;ta&#x0364;t<lb/>
&#x017F;ich eben mahlen ließen. Der huldreich&#x017F;te Monarch<lb/>
la&#x0364;chelte des Einfalls der Dichterin, er &#x017F;teckte das<lb/>
Schreiben zu &#x017F;ich, und nicht lange darauf gab Seine<lb/>
Maje&#x017F;ta&#x0364;t dem Herrn Mini&#x017F;ter von <hi rendition="#fr">Wo&#x0364;llner</hi> den un-<lb/>
erwarteten ho&#x0364;ch&#x017F;tgna&#x0364;digen Befehl: <hi rendition="#g">der Kar&#x017F;chin<lb/>
anzuku&#x0364;ndigen, daß ihr ein Haus gebaut<lb/>
werden &#x017F;ollte; ausgeziert mit allen Al-<lb/>
legorien der Mu&#x017F;en</hi>.</p><lb/>
        <p>Die Dichterin, welche bloß einen verlornen<lb/>
Wun&#x017F;ch gethan zu haben glaubte, dachte an nichts<lb/>
weniger, als an eine &#x017F;olche Wirkung. Eines Tages<lb/>
gegen Abend ward &#x017F;ie in ihrer Nachbar&#x017F;chaft, in<lb/>
das Haus des Herrn Geheimen Oberhofbuchdruckers<lb/><hi rendition="#fr">Decker</hi> zu kommen, geno&#x0364;thigt. Weil dies zu ihren<lb/>
freund&#x017F;chaftlichen Ha&#x0364;u&#x017F;ern geho&#x0364;rte, &#x017F;o glaubte &#x017F;ie,<lb/>
daß man ein kleines poeti&#x017F;ches Anliegen an &#x017F;ie habe,<lb/>
und eilte &#x017F;ogleich wie &#x017F;ie war in ihrem Haushabit<lb/>
dahin. Aber wie er&#x017F;taunte &#x017F;ie, als man &#x017F;ie in den<lb/>
ganz erleuchteten Saal des Hau&#x017F;es fu&#x0364;hrte, wo eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0148] terin ließ ſich einen ſo liebreichen Vorſchlag nicht zwei- mal ſagen, ſie eilte nach Hauſe, und ſchrieb eine poe- tiſche Schuldforderung an den Koͤnig, und richtete ſolche an die Prinzeſſin Friederike Koͤnigl. Hoheit Die hoͤchſtguͤtige Gouvernante uͤberreichte ſie ſogleich, und die engelmuͤthige Prinzeſſin las das Schreiben dem Koͤnige ihrem Vater vor, als Seine Majeſtaͤt ſich eben mahlen ließen. Der huldreichſte Monarch laͤchelte des Einfalls der Dichterin, er ſteckte das Schreiben zu ſich, und nicht lange darauf gab Seine Majeſtaͤt dem Herrn Miniſter von Woͤllner den un- erwarteten hoͤchſtgnaͤdigen Befehl: der Karſchin anzukuͤndigen, daß ihr ein Haus gebaut werden ſollte; ausgeziert mit allen Al- legorien der Muſen. Die Dichterin, welche bloß einen verlornen Wunſch gethan zu haben glaubte, dachte an nichts weniger, als an eine ſolche Wirkung. Eines Tages gegen Abend ward ſie in ihrer Nachbarſchaft, in das Haus des Herrn Geheimen Oberhofbuchdruckers Decker zu kommen, genoͤthigt. Weil dies zu ihren freundſchaftlichen Haͤuſern gehoͤrte, ſo glaubte ſie, daß man ein kleines poetiſches Anliegen an ſie habe, und eilte ſogleich wie ſie war in ihrem Haushabit dahin. Aber wie erſtaunte ſie, als man ſie in den ganz erleuchteten Saal des Hauſes fuͤhrte, wo eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/148
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/148>, abgerufen am 23.11.2024.