Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

wendigsten Geschäfte deswegen liegen, und schonte
keine Mühe und kein Anhalten; und sie hatte auch
immer die Freude, ihre Bitte erfüllt zu sehen, nur in
ihren eigenen Angelegenheiten gelang es ihr nicht so.
Diesmal ging es anders. Sie wendete sich wegen
ihrer Freundin an die damalige Oberhofmeisterin der
ersten Prinzessin Tochter des Königs, an das Fräu-
lein von Vieregg, jetzt verwittwete Ministerin von
Gaudi, und Gouvernante der regierenden Königin
von Preußen. Dieser menschenfreundlichen Dame
trug die Dichterin den Wunsch ihrer Freundin vor,
allein, sie kam damit um acht Tage zu spät. "Der
König, sagte die Dame, wird nun dergleichen nicht
mehr kaufen, es sind der Ausgaben zu viel. Seine
Majestät bezahlen alle Schulden des verstorbenen
Königs." Alle Schulden? alle? ruft die Dichterin
ihr zu; beim Himmel! dann haben mir seine Maje-
stät auch eine Schuld zu bezahlen. Sein Oheim hat
mir vor 24 Jahren eine Versorgung versprochen;
man versicherte mir eine Pension von jährlich 200
Thalern. Hätte ich die Summe von 24 Jahren zu
heben, so wär es schon ein Kapitälchen, wofür ich mir
ein Häuschen kaufen könnte. "Gut, antwortete die
lächelnde Gouvernantin, setzen sie das Anliegen so
auf, wie sie da sagen, und wir wollen sehen, ob
wir es dem Könige vorbringen können." Die Dich-

h 2

wendigſten Geſchaͤfte deswegen liegen, und ſchonte
keine Muͤhe und kein Anhalten; und ſie hatte auch
immer die Freude, ihre Bitte erfuͤllt zu ſehen, nur in
ihren eigenen Angelegenheiten gelang es ihr nicht ſo.
Diesmal ging es anders. Sie wendete ſich wegen
ihrer Freundin an die damalige Oberhofmeiſterin der
erſten Prinzeſſin Tochter des Koͤnigs, an das Fraͤu-
lein von Vieregg, jetzt verwittwete Miniſterin von
Gaudi, und Gouvernante der regierenden Koͤnigin
von Preußen. Dieſer menſchenfreundlichen Dame
trug die Dichterin den Wunſch ihrer Freundin vor,
allein, ſie kam damit um acht Tage zu ſpaͤt. „Der
Koͤnig, ſagte die Dame, wird nun dergleichen nicht
mehr kaufen, es ſind der Ausgaben zu viel. Seine
Majeſtaͤt bezahlen alle Schulden des verſtorbenen
Koͤnigs.“ Alle Schulden? alle? ruft die Dichterin
ihr zu; beim Himmel! dann haben mir ſeine Maje-
ſtaͤt auch eine Schuld zu bezahlen. Sein Oheim hat
mir vor 24 Jahren eine Verſorgung verſprochen;
man verſicherte mir eine Penſion von jaͤhrlich 200
Thalern. Haͤtte ich die Summe von 24 Jahren zu
heben, ſo waͤr es ſchon ein Kapitaͤlchen, wofuͤr ich mir
ein Haͤuschen kaufen koͤnnte. „Gut, antwortete die
laͤchelnde Gouvernantin, ſetzen ſie das Anliegen ſo
auf, wie ſie da ſagen, und wir wollen ſehen, ob
wir es dem Koͤnige vorbringen koͤnnen.“ Die Dich-

h 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0147" n="115"/>
wendig&#x017F;ten Ge&#x017F;cha&#x0364;fte deswegen liegen, und &#x017F;chonte<lb/>
keine Mu&#x0364;he und kein Anhalten; und &#x017F;ie hatte auch<lb/>
immer die Freude, ihre Bitte erfu&#x0364;llt zu &#x017F;ehen, nur in<lb/>
ihren eigenen Angelegenheiten gelang es ihr nicht &#x017F;o.<lb/>
Diesmal ging es anders. Sie wendete &#x017F;ich wegen<lb/>
ihrer Freundin an die damalige Oberhofmei&#x017F;terin der<lb/>
er&#x017F;ten Prinze&#x017F;&#x017F;in Tochter des Ko&#x0364;nigs, an das Fra&#x0364;u-<lb/>
lein <hi rendition="#fr">von Vieregg</hi>, jetzt verwittwete Mini&#x017F;terin von<lb/>
Gaudi, und Gouvernante der regierenden Ko&#x0364;nigin<lb/>
von Preußen. Die&#x017F;er men&#x017F;chenfreundlichen Dame<lb/>
trug die Dichterin den Wun&#x017F;ch ihrer Freundin vor,<lb/>
allein, &#x017F;ie kam damit um acht Tage zu &#x017F;pa&#x0364;t. &#x201E;Der<lb/>
Ko&#x0364;nig, &#x017F;agte die Dame, wird nun dergleichen nicht<lb/>
mehr kaufen, es &#x017F;ind der Ausgaben zu viel. Seine<lb/>
Maje&#x017F;ta&#x0364;t bezahlen alle Schulden des ver&#x017F;torbenen<lb/>
Ko&#x0364;nigs.&#x201C; Alle Schulden? alle? ruft die Dichterin<lb/>
ihr zu; beim Himmel! dann haben mir &#x017F;eine Maje-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;t auch eine Schuld zu bezahlen. Sein Oheim hat<lb/>
mir vor 24 Jahren eine Ver&#x017F;orgung ver&#x017F;prochen;<lb/>
man ver&#x017F;icherte mir eine Pen&#x017F;ion von ja&#x0364;hrlich 200<lb/>
Thalern. Ha&#x0364;tte ich die Summe von 24 Jahren zu<lb/>
heben, &#x017F;o wa&#x0364;r es &#x017F;chon ein Kapita&#x0364;lchen, wofu&#x0364;r ich mir<lb/>
ein Ha&#x0364;uschen kaufen ko&#x0364;nnte. &#x201E;Gut, antwortete die<lb/>
la&#x0364;chelnde Gouvernantin, &#x017F;etzen &#x017F;ie das Anliegen &#x017F;o<lb/>
auf, wie &#x017F;ie da &#x017F;agen, und wir wollen &#x017F;ehen, ob<lb/>
wir es dem Ko&#x0364;nige vorbringen ko&#x0364;nnen.&#x201C; Die Dich-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">h 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0147] wendigſten Geſchaͤfte deswegen liegen, und ſchonte keine Muͤhe und kein Anhalten; und ſie hatte auch immer die Freude, ihre Bitte erfuͤllt zu ſehen, nur in ihren eigenen Angelegenheiten gelang es ihr nicht ſo. Diesmal ging es anders. Sie wendete ſich wegen ihrer Freundin an die damalige Oberhofmeiſterin der erſten Prinzeſſin Tochter des Koͤnigs, an das Fraͤu- lein von Vieregg, jetzt verwittwete Miniſterin von Gaudi, und Gouvernante der regierenden Koͤnigin von Preußen. Dieſer menſchenfreundlichen Dame trug die Dichterin den Wunſch ihrer Freundin vor, allein, ſie kam damit um acht Tage zu ſpaͤt. „Der Koͤnig, ſagte die Dame, wird nun dergleichen nicht mehr kaufen, es ſind der Ausgaben zu viel. Seine Majeſtaͤt bezahlen alle Schulden des verſtorbenen Koͤnigs.“ Alle Schulden? alle? ruft die Dichterin ihr zu; beim Himmel! dann haben mir ſeine Maje- ſtaͤt auch eine Schuld zu bezahlen. Sein Oheim hat mir vor 24 Jahren eine Verſorgung verſprochen; man verſicherte mir eine Penſion von jaͤhrlich 200 Thalern. Haͤtte ich die Summe von 24 Jahren zu heben, ſo waͤr es ſchon ein Kapitaͤlchen, wofuͤr ich mir ein Haͤuschen kaufen koͤnnte. „Gut, antwortete die laͤchelnde Gouvernantin, ſetzen ſie das Anliegen ſo auf, wie ſie da ſagen, und wir wollen ſehen, ob wir es dem Koͤnige vorbringen koͤnnen.“ Die Dich- h 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/147
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/147>, abgerufen am 01.05.2024.