die Phillis, und das süße Gift ihrer Beredsamkeit würkte: die versprochene und gehoffte Versorgung der Dichterin ging zurück. Von dem, was ihre Freunde für die Sammlung zusammengebracht hatten, blieben, durch die Vorschüsse, wie gesagt, nach Abzug aller Kosten, 2000 Thaler in gutem Golde, nebst noch ein paar hun- dert, wovon sie sich etablirte. Das Kapital wurde auf Interessen gethan, und durch das Ansehn ihrer Freunde beinahe eisern gemacht, aus Furcht, daß es in ihren Händen drauf gehn möchte. Weil sie als Dichterin um Rechnungen sich nicht bekümmern konn- te, so war diese Vorsicht von ihren Freunden höchst nöthig. Von den zweitausend Thalern zog sie jährlich hundert Thaler in Golde Interessen, und das war frei- lich wenig Fond für eine Haushaltung in Berlin. Dennoch suchte sie nach einiger Zeit eine anständigere Wohnung für sich aus, dichtete täglich und ging täg- lich in Gesellschaften zu ihren Freunden. Jahrelang behielt sie den schönen Traum, daß der König sich noch eines Bessern besinnen und ihr eine Pension geben würde; allein ihre Hoffnung blieb getäuscht. Der einzige Herzog Friedrich von Braunschweig dachte großmüthiger, als der König, sein Oheim. Seine Durchlaucht gaben aus eigener hoher Bewegung ihr jährlich ein kleines Gnadengehalt, und haben dasselbe fortgesetzt bis sie starb. Auch der Oheim
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die Phillis, und das ſuͤße Gift ihrer Beredſamkeit wuͤrkte: die verſprochene und gehoffte Verſorgung der Dichterin ging zuruͤck. Von dem, was ihre Freunde fuͤr die Sammlung zuſammengebracht hatten, blieben, durch die Vorſchuͤſſe, wie geſagt, nach Abzug aller Koſten, 2000 Thaler in gutem Golde, nebſt noch ein paar hun- dert, wovon ſie ſich etablirte. Das Kapital wurde auf Intereſſen gethan, und durch das Anſehn ihrer Freunde beinahe eiſern gemacht, aus Furcht, daß es in ihren Haͤnden drauf gehn moͤchte. Weil ſie als Dichterin um Rechnungen ſich nicht bekuͤmmern konn- te, ſo war dieſe Vorſicht von ihren Freunden hoͤchſt noͤthig. Von den zweitauſend Thalern zog ſie jaͤhrlich hundert Thaler in Golde Intereſſen, und das war frei- lich wenig Fond fuͤr eine Haushaltung in Berlin. Dennoch ſuchte ſie nach einiger Zeit eine anſtaͤndigere Wohnung fuͤr ſich aus, dichtete taͤglich und ging taͤg- lich in Geſellſchaften zu ihren Freunden. Jahrelang behielt ſie den ſchoͤnen Traum, daß der Koͤnig ſich noch eines Beſſern beſinnen und ihr eine Penſion geben wuͤrde; allein ihre Hoffnung blieb getaͤuſcht. Der einzige Herzog Friedrich von Braunſchweig dachte großmuͤthiger, als der Koͤnig, ſein Oheim. Seine Durchlaucht gaben aus eigener hoher Bewegung ihr jaͤhrlich ein kleines Gnadengehalt, und haben daſſelbe fortgeſetzt bis ſie ſtarb. Auch der Oheim
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die Phillis, und das ſuͤße Gift ihrer Beredſamkeit
wuͤrkte: die verſprochene und gehoffte Verſorgung der
Dichterin ging zuruͤck. Von dem, was ihre Freunde
fuͤr die Sammlung zuſammengebracht hatten, blieben,
durch die Vorſchuͤſſe, wie geſagt, nach Abzug aller Koſten,
2000 Thaler in gutem Golde, nebſt noch ein paar hun-
dert, wovon ſie ſich etablirte. Das Kapital wurde
auf Intereſſen gethan, und durch das Anſehn ihrer
Freunde beinahe eiſern gemacht, aus Furcht, daß es
in ihren Haͤnden drauf gehn moͤchte. Weil ſie als
Dichterin um Rechnungen ſich nicht bekuͤmmern konn-
te, ſo war dieſe Vorſicht von ihren Freunden hoͤchſt
noͤthig. Von den zweitauſend Thalern zog ſie jaͤhrlich
hundert Thaler in Golde Intereſſen, und das war frei-
lich wenig Fond fuͤr eine Haushaltung in Berlin.
Dennoch ſuchte ſie nach einiger Zeit eine anſtaͤndigere
Wohnung fuͤr ſich aus, dichtete taͤglich und ging taͤg-
lich in Geſellſchaften zu ihren Freunden. Jahrelang
behielt ſie den ſchoͤnen Traum, daß der Koͤnig ſich noch
eines Beſſern beſinnen und ihr eine Penſion geben
wuͤrde; allein ihre Hoffnung blieb getaͤuſcht. Der
einzige Herzog Friedrich von Braunſchweig dachte
großmuͤthiger, als der Koͤnig, ſein Oheim. Seine
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jaͤhrlich ein kleines Gnadengehalt, und haben
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/137>, abgerufen am 21.11.2024.
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