artigen Verse. Sie bat hierauf um Schreibzeug, und setzte während einer halben Stunde ein angenehmes Gedicht an den Baron auf. Als man sie beurlaubte, ward sie genöthigt, am andern Tage wieder zu kommen, wo der Baron sie einigen seiner Freunde vorstellen wollte. Kaum war sie ein paar Stunden wieder zu Hau- se, als der Bediente des Barons kam, und ihr im Na- men seines Herrn einen bessern Kopfaufsatz und einige andere feine Kleidungsstücke brachte, womit er bitten ließ, daß sie am andern Tage darin erscheinen möchte. Es ist unmöglich, daß der Zaarin Peters des Ersten die Krone mehr süßen Stolz gegeben hat, als die Dich- terin über diese geschenkten Kleidungsstücke empfand; jedes war ihr ein Zeichen, daß sie wirklich geehrt wur- de, und jedes machte sie vor Freude trunken. So, durch seine Hand geschmückt, ging sie zu ihrem gütigen Baron; hier fand sie die Fremden schon anwesend, und die Freude, welche sie begeisterte, gab allem, was sie der Gesellschaft sagte, etwas Blendendes. Als sie sich wieder entfernte, beschenkte sie der Baron mit einer schönen emaillirten Dose nach damaliger neusten Mo- de; noch nie hatte man ihr so artig begegnet; sie fühlte in dem angenehmen Geschenk das Edle des Gebers; er dünkte ihr mehr als andere Menschen zu seyn. Sie eilte damit nach Hause, und wie sie nichts auf dem Herzen behalten konnte, so zeigte sie dieselbe sogleich
artigen Verſe. Sie bat hierauf um Schreibzeug, und ſetzte waͤhrend einer halben Stunde ein angenehmes Gedicht an den Baron auf. Als man ſie beurlaubte, ward ſie genoͤthigt, am andern Tage wieder zu kommen, wo der Baron ſie einigen ſeiner Freunde vorſtellen wollte. Kaum war ſie ein paar Stunden wieder zu Hau- ſe, als der Bediente des Barons kam, und ihr im Na- men ſeines Herrn einen beſſern Kopfaufſatz und einige andere feine Kleidungsſtuͤcke brachte, womit er bitten ließ, daß ſie am andern Tage darin erſcheinen moͤchte. Es iſt unmoͤglich, daß der Zaarin Peters des Erſten die Krone mehr ſuͤßen Stolz gegeben hat, als die Dich- terin uͤber dieſe geſchenkten Kleidungsſtuͤcke empfand; jedes war ihr ein Zeichen, daß ſie wirklich geehrt wur- de, und jedes machte ſie vor Freude trunken. So, durch ſeine Hand geſchmuͤckt, ging ſie zu ihrem guͤtigen Baron; hier fand ſie die Fremden ſchon anweſend, und die Freude, welche ſie begeiſterte, gab allem, was ſie der Geſellſchaft ſagte, etwas Blendendes. Als ſie ſich wieder entfernte, beſchenkte ſie der Baron mit einer ſchoͤnen emaillirten Doſe nach damaliger neuſten Mo- de; noch nie hatte man ihr ſo artig begegnet; ſie fuͤhlte in dem angenehmen Geſchenk das Edle des Gebers; er duͤnkte ihr mehr als andere Menſchen zu ſeyn. Sie eilte damit nach Hauſe, und wie ſie nichts auf dem Herzen behalten konnte, ſo zeigte ſie dieſelbe ſogleich
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artigen Verſe. Sie bat hierauf um Schreibzeug, und
ſetzte waͤhrend einer halben Stunde ein angenehmes
Gedicht an den Baron auf. Als man ſie beurlaubte,
ward ſie genoͤthigt, am andern Tage wieder zu kommen,
wo der Baron ſie einigen ſeiner Freunde vorſtellen
wollte. Kaum war ſie ein paar Stunden wieder zu Hau-
ſe, als der Bediente des Barons kam, und ihr im Na-
men ſeines Herrn einen beſſern Kopfaufſatz und einige
andere feine Kleidungsſtuͤcke brachte, womit er bitten
ließ, daß ſie am andern Tage darin erſcheinen moͤchte.
Es iſt unmoͤglich, daß der Zaarin Peters des Erſten
die Krone mehr ſuͤßen Stolz gegeben hat, als die Dich-
terin uͤber dieſe geſchenkten Kleidungsſtuͤcke empfand;
jedes war ihr ein Zeichen, daß ſie wirklich geehrt wur-
de, und jedes machte ſie vor Freude trunken. So,
durch ſeine Hand geſchmuͤckt, ging ſie zu ihrem guͤtigen
Baron; hier fand ſie die Fremden ſchon anweſend,
und die Freude, welche ſie begeiſterte, gab allem, was
ſie der Geſellſchaft ſagte, etwas Blendendes. Als ſie
ſich wieder entfernte, beſchenkte ſie der Baron mit einer
ſchoͤnen emaillirten Doſe nach damaliger neuſten Mo-
de; noch nie hatte man ihr ſo artig begegnet; ſie fuͤhlte
in dem angenehmen Geſchenk das Edle des Gebers; er
duͤnkte ihr mehr als andere Menſchen zu ſeyn. Sie
eilte damit nach Hauſe, und wie ſie nichts auf dem
Herzen behalten konnte, ſo zeigte ſie dieſelbe ſogleich
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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