Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des
moralischen verbunden wird, sind jene vermöge der
Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Principien,
so viel sich thun läßt, zu befolgen, von großer Be-
deutung, um der practischen Realität jener Jdee,
durch die, welche sie in theoretischer Absicht für die
Urtheilskraft bereit hat, zu Hülfe zu kommen.

Hiebey ist nun, zu Verhütung eines leicht eintre-
tenden Misverständnisses, höchst nöthig anzumerken:
daß wir erstlich diese Eigenschaften des höchsten Wesens
nur nach der Analogie denken können. Denn wie
wollten wir seine Natur, davon uns die Erfahrung
nichts ähnliches zeigen kann, erforschen? Zweytens,
daß wir es durch dasselbe auch nur denken, nicht dar-
nach erkennen und sie ihm etwa theoretisch beylegen
können; denn das wäre für die bestimmte Urtheilskraft
in speculativer Absicht unserer Vernunft, um, was
die oberste Weltursache an sich sey, einzusehen. Hier
aber ist es nur darum zu thun, welchen Begrif wir
uns, nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisver-
mögen, von demselben zu machen und ob wir seine
Existenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den
uns reine practische Vernunft, ohne alle solche Vor-
aussetzung, a priori nach allen Kräften zu bewirken
auferlegt, gleichfalls nur practische Realität zu ver-
schaffen, d. i. nur eine beabsichtete Wirkung als mög-
lich denken zu können. Jmmerhin mag jener Begrif

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des
moraliſchen verbunden wird, ſind jene vermoͤge der
Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Principien,
ſo viel ſich thun laͤßt, zu befolgen, von großer Be-
deutung, um der practiſchen Realitaͤt jener Jdee,
durch die, welche ſie in theoretiſcher Abſicht fuͤr die
Urtheilskraft bereit hat, zu Huͤlfe zu kommen.

Hiebey iſt nun, zu Verhuͤtung eines leicht eintre-
tenden Misverſtaͤndniſſes, hoͤchſt noͤthig anzumerken:
daß wir erſtlich dieſe Eigenſchaften des hoͤchſten Weſens
nur nach der Analogie denken koͤnnen. Denn wie
wollten wir ſeine Natur, davon uns die Erfahrung
nichts aͤhnliches zeigen kann, erforſchen? Zweytens,
daß wir es durch daſſelbe auch nur denken, nicht dar-
nach erkennen und ſie ihm etwa theoretiſch beylegen
koͤnnen; denn das waͤre fuͤr die beſtimmte Urtheilskraft
in ſpeculativer Abſicht unſerer Vernunft, um, was
die oberſte Welturſache an ſich ſey, einzuſehen. Hier
aber iſt es nur darum zu thun, welchen Begrif wir
uns, nach der Beſchaffenheit unſerer Erkenntnisver-
moͤgen, von demſelben zu machen und ob wir ſeine
Exiſtenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den
uns reine practiſche Vernunft, ohne alle ſolche Vor-
ausſetzung, a priori nach allen Kraͤften zu bewirken
auferlegt, gleichfalls nur practiſche Realitaͤt zu ver-
ſchaffen, d. i. nur eine beabſichtete Wirkung als moͤg-
lich denken zu koͤnnen. Jmmerhin mag jener Begrif

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0494" n="430"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologi&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des<lb/>
morali&#x017F;chen verbunden wird, &#x017F;ind jene vermo&#x0364;ge der<lb/>
Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Principien,<lb/>
&#x017F;o viel &#x017F;ich thun la&#x0364;ßt, zu befolgen, von großer Be-<lb/>
deutung, um der practi&#x017F;chen Realita&#x0364;t jener Jdee,<lb/>
durch die, welche &#x017F;ie in theoreti&#x017F;cher Ab&#x017F;icht fu&#x0364;r die<lb/>
Urtheilskraft bereit hat, zu Hu&#x0364;lfe zu kommen.</p><lb/>
              <p>Hiebey i&#x017F;t nun, zu Verhu&#x0364;tung eines leicht eintre-<lb/>
tenden Misver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es, ho&#x0364;ch&#x017F;t no&#x0364;thig anzumerken:<lb/>
daß wir er&#x017F;tlich die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaften des ho&#x0364;ch&#x017F;ten We&#x017F;ens<lb/>
nur nach der Analogie <hi rendition="#fr">denken</hi> ko&#x0364;nnen. Denn wie<lb/>
wollten wir &#x017F;eine Natur, davon uns die Erfahrung<lb/>
nichts a&#x0364;hnliches zeigen kann, erfor&#x017F;chen? Zweytens,<lb/>
daß wir es durch da&#x017F;&#x017F;elbe auch nur denken, nicht dar-<lb/>
nach <hi rendition="#fr">erkennen</hi> und &#x017F;ie ihm etwa theoreti&#x017F;ch beylegen<lb/>
ko&#x0364;nnen; denn das wa&#x0364;re fu&#x0364;r die be&#x017F;timmte Urtheilskraft<lb/>
in &#x017F;peculativer Ab&#x017F;icht un&#x017F;erer Vernunft, um, was<lb/>
die ober&#x017F;te Weltur&#x017F;ache <hi rendition="#fr">an &#x017F;ich</hi> &#x017F;ey, einzu&#x017F;ehen. Hier<lb/>
aber i&#x017F;t es nur darum zu thun, welchen Begrif wir<lb/>
uns, nach der Be&#x017F;chaffenheit un&#x017F;erer Erkenntnisver-<lb/>
mo&#x0364;gen, von dem&#x017F;elben zu machen und ob wir &#x017F;eine<lb/>
Exi&#x017F;tenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den<lb/>
uns reine practi&#x017F;che Vernunft, ohne alle &#x017F;olche Vor-<lb/>
aus&#x017F;etzung, <hi rendition="#aq">a priori</hi> nach allen Kra&#x0364;ften zu bewirken<lb/>
auferlegt, gleichfalls nur practi&#x017F;che Realita&#x0364;t zu ver-<lb/>
&#x017F;chaffen, d. i. nur eine beab&#x017F;ichtete Wirkung als mo&#x0364;g-<lb/>
lich denken zu ko&#x0364;nnen. Jmmerhin mag jener Begrif<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[430/0494] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des moraliſchen verbunden wird, ſind jene vermoͤge der Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Principien, ſo viel ſich thun laͤßt, zu befolgen, von großer Be- deutung, um der practiſchen Realitaͤt jener Jdee, durch die, welche ſie in theoretiſcher Abſicht fuͤr die Urtheilskraft bereit hat, zu Huͤlfe zu kommen. Hiebey iſt nun, zu Verhuͤtung eines leicht eintre- tenden Misverſtaͤndniſſes, hoͤchſt noͤthig anzumerken: daß wir erſtlich dieſe Eigenſchaften des hoͤchſten Weſens nur nach der Analogie denken koͤnnen. Denn wie wollten wir ſeine Natur, davon uns die Erfahrung nichts aͤhnliches zeigen kann, erforſchen? Zweytens, daß wir es durch daſſelbe auch nur denken, nicht dar- nach erkennen und ſie ihm etwa theoretiſch beylegen koͤnnen; denn das waͤre fuͤr die beſtimmte Urtheilskraft in ſpeculativer Abſicht unſerer Vernunft, um, was die oberſte Welturſache an ſich ſey, einzuſehen. Hier aber iſt es nur darum zu thun, welchen Begrif wir uns, nach der Beſchaffenheit unſerer Erkenntnisver- moͤgen, von demſelben zu machen und ob wir ſeine Exiſtenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den uns reine practiſche Vernunft, ohne alle ſolche Vor- ausſetzung, a priori nach allen Kraͤften zu bewirken auferlegt, gleichfalls nur practiſche Realitaͤt zu ver- ſchaffen, d. i. nur eine beabſichtete Wirkung als moͤg- lich denken zu koͤnnen. Jmmerhin mag jener Begrif

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/494
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/494>, abgerufen am 20.05.2024.