Endursachen und eine Jdee, die dieser zum Grunde liegt, unterlegen müssen, wir auch die Existenz dieses Products nicht anders als Zweck denken können; denn die vorgestellte Wirkung, die zugleich der Bestim- mungsgrund der verständigen wirkenden Ursache zu ihrer Hervorbringung ist, heißt Zweck. Jn diesem Falle also kann man entweder sagen: der Zweck der Existenz eines solchen Naturwesens ist in ihm selbst, d. i. es ist nicht blos Zweck, sondern auch Endzweck, oder dieser ist ausser ihm in anderen Naturwesen, d. i. es existirt zweckmäßig nicht als Endzweck, sondern nothwendig zugleich als Mittel.
Wenn wir aber die ganze Natur durchgehen, so finden wir in ihr, als Natur, kein Wesen, was auf den Vorzug Endzweck der Schöpfung zu seyn An- spruch machen könnte und man kann sogar a pricri beweisen: daß dasjenige, was etwa noch für die Na- tur ein letzter Zweck seyn könnte, nach allen er- denklichen Bestimmungen und Eigenschaften, womit man es ausrüsten möchte, doch als Naturding nie- mals ein Endzweck seyn könne.
Wenn man das Gewächsreich ansieht, so könnte man anfänglich durch die unermesliche Fruchtbarkeit, durch welche es sich beynahe über jeden Boden ver- breitet, auf die Gedanken gebracht werden, es für ein bloßes Product des Mechanisms der Natur, welches sie in den Bildungen des Mineralreichs zeigt, zu hal-
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Endurſachen und eine Jdee, die dieſer zum Grunde liegt, unterlegen muͤſſen, wir auch die Exiſtenz dieſes Products nicht anders als Zweck denken koͤnnen; denn die vorgeſtellte Wirkung, die zugleich der Beſtim- mungsgrund der verſtaͤndigen wirkenden Urſache zu ihrer Hervorbringung iſt, heißt Zweck. Jn dieſem Falle alſo kann man entweder ſagen: der Zweck der Exiſtenz eines ſolchen Naturweſens iſt in ihm ſelbſt, d. i. es iſt nicht blos Zweck, ſondern auch Endzweck, oder dieſer iſt auſſer ihm in anderen Naturweſen, d. i. es exiſtirt zweckmaͤßig nicht als Endzweck, ſondern nothwendig zugleich als Mittel.
Wenn wir aber die ganze Natur durchgehen, ſo finden wir in ihr, als Natur, kein Weſen, was auf den Vorzug Endzweck der Schoͤpfung zu ſeyn An- ſpruch machen koͤnnte und man kann ſogar a pricri beweiſen: daß dasjenige, was etwa noch fuͤr die Na- tur ein letzter Zweck ſeyn koͤnnte, nach allen er- denklichen Beſtimmungen und Eigenſchaften, womit man es ausruͤſten moͤchte, doch als Naturding nie- mals ein Endzweck ſeyn koͤnne.
Wenn man das Gewaͤchsreich anſieht, ſo koͤnnte man anfaͤnglich durch die unermesliche Fruchtbarkeit, durch welche es ſich beynahe uͤber jeden Boden ver- breitet, auf die Gedanken gebracht werden, es fuͤr ein bloßes Product des Mechanisms der Natur, welches ſie in den Bildungen des Mineralreichs zeigt, zu hal-
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Endurſachen und eine Jdee, die dieſer zum Grunde
liegt, unterlegen muͤſſen, wir auch die Exiſtenz dieſes
Products nicht anders als Zweck denken koͤnnen; denn
die vorgeſtellte Wirkung, die zugleich der Beſtim-
mungsgrund der verſtaͤndigen wirkenden Urſache zu
ihrer Hervorbringung iſt, heißt Zweck. Jn dieſem
Falle alſo kann man entweder ſagen: der Zweck der
Exiſtenz eines ſolchen Naturweſens iſt in ihm ſelbſt,
d. i. es iſt nicht blos Zweck, ſondern auch Endzweck,
oder dieſer iſt auſſer ihm in anderen Naturweſen,
d. i. es exiſtirt zweckmaͤßig nicht als Endzweck, ſondern
nothwendig zugleich als Mittel.
Wenn wir aber die ganze Natur durchgehen, ſo
finden wir in ihr, als Natur, kein Weſen, was auf
den Vorzug Endzweck der Schoͤpfung zu ſeyn An-
ſpruch machen koͤnnte und man kann ſogar a pricri
beweiſen: daß dasjenige, was etwa noch fuͤr die Na-
tur ein letzter Zweck ſeyn koͤnnte, nach allen er-
denklichen Beſtimmungen und Eigenſchaften, womit
man es ausruͤſten moͤchte, doch als Naturding nie-
mals ein Endzweck ſeyn koͤnne.
Wenn man das Gewaͤchsreich anſieht, ſo koͤnnte
man anfaͤnglich durch die unermesliche Fruchtbarkeit,
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/441>, abgerufen am 17.07.2024.
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