Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
burten (die man doch unmöglich für Zwecke der Natur
halten kann) eine bewunderungswürdige Zweckmäßig-
keit finden, sollte sie auch nur darauf abgezielt seyn, daß
ein Anatoniker einmal daran, als einer zwecklosen Zweck-
mäßigkeit, Anstos nehmen und niederschlagende Bewun-
derung fühlen sollte. Aber die Erzeugung der Bastarte
konnten sie schlechterdings nicht in das System der Prä-
formation hineinpassen, sondern mußten dem Saamen
der männlichen Geschöpfe, dem sie übrigens nichts, als
die mechanische Eigenschaft, zum ersten Nahrungsmittel
des Embryo zu dienen, zugestanden hatten, doch noch
obenein eine zweckmäßig bildende Kraft zugestehen,
welche sie doch in Ansehung des ganzen Products einer
Erzeugung von zweyen Geschöpfen derselben Gattung
keinem von beyden einräumen wollten.

Wenn man dagegen an dem Vertheidiger der Epi-
genesis den großen Vorzug, den er in Ansehung der Er-
fahrungsgründe zum Beweise seiner Theorie vor dem
ersteren hat, gleich nicht kennete: so würde die Vernunft
doch schon zum Voraus für seine Erklärungsart mit vor-
züglicher Gunst eingenommen seyn, weil sie die Natur
in Ansehung der Dinge, welche man ursprünglich nur
nach der Caussalität der Zwecke sich als möglich vorstellen
kann, doch wenigstens, was die Fortpflanzung betrift,
als selbst hervorbringend, nicht blos als entwickelnd,
betrachtet und so doch mit dem kleinst-möglichen Auf-
wande des Uebernatürlichen alles folgende vom ersten

A a 3

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
burten (die man doch unmoͤglich fuͤr Zwecke der Natur
halten kann) eine bewunderungswuͤrdige Zweckmaͤßig-
keit finden, ſollte ſie auch nur darauf abgezielt ſeyn, daß
ein Anatoniker einmal daran, als einer zweckloſen Zweck-
maͤßigkeit, Anſtos nehmen und niederſchlagende Bewun-
derung fuͤhlen ſollte. Aber die Erzeugung der Baſtarte
konnten ſie ſchlechterdings nicht in das Syſtem der Praͤ-
formation hineinpaſſen, ſondern mußten dem Saamen
der maͤnnlichen Geſchoͤpfe, dem ſie uͤbrigens nichts, als
die mechaniſche Eigenſchaft, zum erſten Nahrungsmittel
des Embryo zu dienen, zugeſtanden hatten, doch noch
obenein eine zweckmaͤßig bildende Kraft zugeſtehen,
welche ſie doch in Anſehung des ganzen Products einer
Erzeugung von zweyen Geſchoͤpfen derſelben Gattung
keinem von beyden einraͤumen wollten.

Wenn man dagegen an dem Vertheidiger der Epi-
geneſis den großen Vorzug, den er in Anſehung der Er-
fahrungsgruͤnde zum Beweiſe ſeiner Theorie vor dem
erſteren hat, gleich nicht kennete: ſo wuͤrde die Vernunft
doch ſchon zum Voraus fuͤr ſeine Erklaͤrungsart mit vor-
zuͤglicher Gunſt eingenommen ſeyn, weil ſie die Natur
in Anſehung der Dinge, welche man urſpruͤnglich nur
nach der Cauſſalitaͤt der Zwecke ſich als moͤglich vorſtellen
kann, doch wenigſtens, was die Fortpflanzung betrift,
als ſelbſt hervorbringend, nicht blos als entwickelnd,
betrachtet und ſo doch mit dem kleinſt-moͤglichen Auf-
wande des Uebernatuͤrlichen alles folgende vom erſten

A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0437" n="373"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologi&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
burten (die man doch unmo&#x0364;glich fu&#x0364;r Zwecke der Natur<lb/>
halten kann) eine bewunderungswu&#x0364;rdige Zweckma&#x0364;ßig-<lb/>
keit finden, &#x017F;ollte &#x017F;ie auch nur darauf abgezielt &#x017F;eyn, daß<lb/>
ein Anatoniker einmal daran, als einer zwecklo&#x017F;en Zweck-<lb/>
ma&#x0364;ßigkeit, An&#x017F;tos nehmen und nieder&#x017F;chlagende Bewun-<lb/>
derung fu&#x0364;hlen &#x017F;ollte. Aber die Erzeugung der Ba&#x017F;tarte<lb/>
konnten &#x017F;ie &#x017F;chlechterdings nicht in das Sy&#x017F;tem der Pra&#x0364;-<lb/>
formation hineinpa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern mußten dem Saamen<lb/>
der ma&#x0364;nnlichen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, dem &#x017F;ie u&#x0364;brigens nichts, als<lb/>
die mechani&#x017F;che Eigen&#x017F;chaft, zum er&#x017F;ten Nahrungsmittel<lb/>
des Embryo zu dienen, zuge&#x017F;tanden hatten, doch noch<lb/>
obenein eine zweckma&#x0364;ßig bildende Kraft zuge&#x017F;tehen,<lb/>
welche &#x017F;ie doch in An&#x017F;ehung des ganzen Products einer<lb/>
Erzeugung von zweyen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen der&#x017F;elben Gattung<lb/>
keinem von beyden einra&#x0364;umen wollten.</p><lb/>
              <p>Wenn man dagegen an dem Vertheidiger der Epi-<lb/>
gene&#x017F;is den großen Vorzug, den er in An&#x017F;ehung der Er-<lb/>
fahrungsgru&#x0364;nde zum Bewei&#x017F;e &#x017F;einer Theorie vor dem<lb/>
er&#x017F;teren hat, gleich nicht kennete: &#x017F;o wu&#x0364;rde die Vernunft<lb/>
doch &#x017F;chon zum Voraus fu&#x0364;r &#x017F;eine Erkla&#x0364;rungsart mit vor-<lb/>
zu&#x0364;glicher Gun&#x017F;t eingenommen &#x017F;eyn, weil &#x017F;ie die Natur<lb/>
in An&#x017F;ehung der Dinge, welche man ur&#x017F;pru&#x0364;nglich nur<lb/>
nach der Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t der Zwecke &#x017F;ich als mo&#x0364;glich vor&#x017F;tellen<lb/>
kann, doch wenig&#x017F;tens, was die Fortpflanzung betrift,<lb/>
als &#x017F;elb&#x017F;t hervorbringend, nicht blos als entwickelnd,<lb/>
betrachtet und &#x017F;o doch mit dem klein&#x017F;t-mo&#x0364;glichen Auf-<lb/>
wande des Uebernatu&#x0364;rlichen alles folgende vom er&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0437] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. burten (die man doch unmoͤglich fuͤr Zwecke der Natur halten kann) eine bewunderungswuͤrdige Zweckmaͤßig- keit finden, ſollte ſie auch nur darauf abgezielt ſeyn, daß ein Anatoniker einmal daran, als einer zweckloſen Zweck- maͤßigkeit, Anſtos nehmen und niederſchlagende Bewun- derung fuͤhlen ſollte. Aber die Erzeugung der Baſtarte konnten ſie ſchlechterdings nicht in das Syſtem der Praͤ- formation hineinpaſſen, ſondern mußten dem Saamen der maͤnnlichen Geſchoͤpfe, dem ſie uͤbrigens nichts, als die mechaniſche Eigenſchaft, zum erſten Nahrungsmittel des Embryo zu dienen, zugeſtanden hatten, doch noch obenein eine zweckmaͤßig bildende Kraft zugeſtehen, welche ſie doch in Anſehung des ganzen Products einer Erzeugung von zweyen Geſchoͤpfen derſelben Gattung keinem von beyden einraͤumen wollten. Wenn man dagegen an dem Vertheidiger der Epi- geneſis den großen Vorzug, den er in Anſehung der Er- fahrungsgruͤnde zum Beweiſe ſeiner Theorie vor dem erſteren hat, gleich nicht kennete: ſo wuͤrde die Vernunft doch ſchon zum Voraus fuͤr ſeine Erklaͤrungsart mit vor- zuͤglicher Gunſt eingenommen ſeyn, weil ſie die Natur in Anſehung der Dinge, welche man urſpruͤnglich nur nach der Cauſſalitaͤt der Zwecke ſich als moͤglich vorſtellen kann, doch wenigſtens, was die Fortpflanzung betrift, als ſelbſt hervorbringend, nicht blos als entwickelnd, betrachtet und ſo doch mit dem kleinſt-moͤglichen Auf- wande des Uebernatuͤrlichen alles folgende vom erſten A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/437
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/437>, abgerufen am 20.05.2024.