Damit nun Physik sich genau in ihren Gränzen halte, so abstrahirt sie von der Frage, ob die Natur- zwecke es absichtlich oder unabsichtlich sind, gänz- lich; denn das würde Einmengung in ein fremdes Ge- schäft (nämlich das der Metaphysik) seyn. Genug es sind nach Naturgesetzen, die wir uns nur unter der Jdee der Zwecke als Princip denken können, einzig und allein erklärbare und blos auf diese Weise ihrer innern Form nach, sogar auch nur innerlich erkennbare Gegenstände. Um sich also auch nicht der mindesten Anmaßung, als wollte man etwas, was gar nicht in die Physik gehört, nämlich eine übernatürliche Ursache, unter unsere Er- kenntnisgründe mischen, verdächtig zu machen, spricht man in der Teleologie zwar von der Natur als ob die Zweckmäßigkeit in ihr absichtlich sey, aber doch zugleich so, daß man der Natur, d. i. der Materie, diese Absicht beylegt; wodurch man (weil hierüber kein Misverstand statt finden kann, indem von selbst schon keiner einem leblosen Stoffe Absicht in eigentlicher Bedeutung des Worts beylegen wird) anzeigen will, daß dieses Wort hier nur ein Princip der reflectirenden nicht der bestim- menden Urtheilskraft bedeute und also keinen besondern Grund der Caussalität einführen solle, sondern auch nur zum Gebrauche der Vernunft eine andere Art der Nach- forschung als die nach mechanischen Gesetzen ist, hinzu- füge, um die Unzulänglichkeit der letzteren, selbst zur empirischen Aufsuchung aller besondern Gesetze der Na-
tur,
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Damit nun Phyſik ſich genau in ihren Graͤnzen halte, ſo abſtrahirt ſie von der Frage, ob die Natur- zwecke es abſichtlich oder unabſichtlich ſind, gaͤnz- lich; denn das wuͤrde Einmengung in ein fremdes Ge- ſchaͤft (naͤmlich das der Metaphyſik) ſeyn. Genug es ſind nach Naturgeſetzen, die wir uns nur unter der Jdee der Zwecke als Princip denken koͤnnen, einzig und allein erklaͤrbare und blos auf dieſe Weiſe ihrer innern Form nach, ſogar auch nur innerlich erkennbare Gegenſtaͤnde. Um ſich alſo auch nicht der mindeſten Anmaßung, als wollte man etwas, was gar nicht in die Phyſik gehoͤrt, naͤmlich eine uͤbernatuͤrliche Urſache, unter unſere Er- kenntnisgruͤnde miſchen, verdaͤchtig zu machen, ſpricht man in der Teleologie zwar von der Natur als ob die Zweckmaͤßigkeit in ihr abſichtlich ſey, aber doch zugleich ſo, daß man der Natur, d. i. der Materie, dieſe Abſicht beylegt; wodurch man (weil hieruͤber kein Misverſtand ſtatt finden kann, indem von ſelbſt ſchon keiner einem lebloſen Stoffe Abſicht in eigentlicher Bedeutung des Worts beylegen wird) anzeigen will, daß dieſes Wort hier nur ein Princip der reflectirenden nicht der beſtim- menden Urtheilskraft bedeute und alſo keinen beſondern Grund der Cauſſalitaͤt einfuͤhren ſolle, ſondern auch nur zum Gebrauche der Vernunft eine andere Art der Nach- forſchung als die nach mechaniſchen Geſetzen iſt, hinzu- fuͤge, um die Unzulaͤnglichkeit der letzteren, ſelbſt zur empiriſchen Aufſuchung aller beſondern Geſetze der Na-
tur,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0368"n="304"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/><p>Damit nun Phyſik ſich genau in ihren Graͤnzen<lb/>
halte, ſo abſtrahirt ſie von der Frage, ob die Natur-<lb/>
zwecke es <hirendition="#fr">abſichtlich</hi> oder <hirendition="#fr">unabſichtlich</hi>ſind, gaͤnz-<lb/>
lich; denn das wuͤrde Einmengung in ein fremdes Ge-<lb/>ſchaͤft (naͤmlich das der Metaphyſik) ſeyn. Genug es<lb/>ſind nach Naturgeſetzen, die wir uns nur unter der Jdee<lb/>
der Zwecke als Princip denken koͤnnen, einzig und allein<lb/>
erklaͤrbare und blos auf dieſe Weiſe ihrer innern Form<lb/>
nach, ſogar auch nur innerlich erkennbare Gegenſtaͤnde.<lb/>
Um ſich alſo auch nicht der mindeſten Anmaßung, als<lb/>
wollte man etwas, was gar nicht in die Phyſik gehoͤrt,<lb/>
naͤmlich eine uͤbernatuͤrliche Urſache, unter unſere Er-<lb/>
kenntnisgruͤnde miſchen, verdaͤchtig zu machen, ſpricht<lb/>
man in der Teleologie zwar von der Natur als ob die<lb/>
Zweckmaͤßigkeit in ihr abſichtlich ſey, aber doch zugleich<lb/>ſo, daß man der Natur, d. i. der Materie, dieſe Abſicht<lb/>
beylegt; wodurch man (weil hieruͤber kein Misverſtand<lb/>ſtatt finden kann, indem von ſelbſt ſchon keiner einem<lb/>
lebloſen Stoffe Abſicht in eigentlicher Bedeutung des<lb/>
Worts beylegen wird) anzeigen will, daß dieſes Wort<lb/>
hier nur ein Princip der reflectirenden nicht der beſtim-<lb/>
menden Urtheilskraft bedeute und alſo keinen beſondern<lb/>
Grund der Cauſſalitaͤt einfuͤhren ſolle, ſondern auch nur<lb/>
zum Gebrauche der Vernunft eine andere Art der Nach-<lb/>
forſchung als die nach mechaniſchen Geſetzen iſt, hinzu-<lb/>
fuͤge, um die Unzulaͤnglichkeit der letzteren, ſelbſt zur<lb/>
empiriſchen Aufſuchung aller beſondern Geſetze der Na-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">tur,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[304/0368]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Damit nun Phyſik ſich genau in ihren Graͤnzen
halte, ſo abſtrahirt ſie von der Frage, ob die Natur-
zwecke es abſichtlich oder unabſichtlich ſind, gaͤnz-
lich; denn das wuͤrde Einmengung in ein fremdes Ge-
ſchaͤft (naͤmlich das der Metaphyſik) ſeyn. Genug es
ſind nach Naturgeſetzen, die wir uns nur unter der Jdee
der Zwecke als Princip denken koͤnnen, einzig und allein
erklaͤrbare und blos auf dieſe Weiſe ihrer innern Form
nach, ſogar auch nur innerlich erkennbare Gegenſtaͤnde.
Um ſich alſo auch nicht der mindeſten Anmaßung, als
wollte man etwas, was gar nicht in die Phyſik gehoͤrt,
naͤmlich eine uͤbernatuͤrliche Urſache, unter unſere Er-
kenntnisgruͤnde miſchen, verdaͤchtig zu machen, ſpricht
man in der Teleologie zwar von der Natur als ob die
Zweckmaͤßigkeit in ihr abſichtlich ſey, aber doch zugleich
ſo, daß man der Natur, d. i. der Materie, dieſe Abſicht
beylegt; wodurch man (weil hieruͤber kein Misverſtand
ſtatt finden kann, indem von ſelbſt ſchon keiner einem
lebloſen Stoffe Abſicht in eigentlicher Bedeutung des
Worts beylegen wird) anzeigen will, daß dieſes Wort
hier nur ein Princip der reflectirenden nicht der beſtim-
menden Urtheilskraft bedeute und alſo keinen beſondern
Grund der Cauſſalitaͤt einfuͤhren ſolle, ſondern auch nur
zum Gebrauche der Vernunft eine andere Art der Nach-
forſchung als die nach mechaniſchen Geſetzen iſt, hinzu-
fuͤge, um die Unzulaͤnglichkeit der letzteren, ſelbſt zur
empiriſchen Aufſuchung aller beſondern Geſetze der Na-
tur,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/368>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.