die Gemeinschaft im Jnnern der|Länder unter Völker befördern, Gebirge, weil sie zu diesen die Quellen und zur Erhaltung derselben den Schneevorrath für regenlose Zeiten enthalten, imgleichen den Abhang der Länder, der diese Gewässer abführt und das Land trocken werden läßt, darum nicht so fort für Naturzwecke halten; weil, ob zwar diese Gestalt der Oberfläche der Erde zur Entstehung und Erhaltung des Gewächs- und Thierreichs sehr nöthig war, sie doch nichts an sich hat, zu dessen Möglichkeit man sich genöthigt sähe eine Caussa- lität nach Zwecken anzunehmen. Eben das gilt von Gewächsen, die der Mensch zu seiner Nothdurft oder Er- götzlichkeit nutzt: von Thieren, dem Cameele, dem Rin- de, dem Pferde, Hunde u. s. w. die er theils zu seiner Nahrung, theils seinem Dienste so vielfältig gebrauchen und großentheils gar nicht entbehren kann. Von Din- gen deren keines für sich als Zweck anzusehen man Ur- sache hat, kann das äußere Verhältnis nur hypothetisch für zweckmäßig beurtheilt werden.
Ein Ding seiner innern Form halber, als Natur- zweck beurtheilen, ist ganz etwas anderes, als die Exi- stenz dieses Dinges für Zweck der Natur halten. Zu der letztern Behauptung bedürfen wir nicht blos den Be- grif von einem möglichen Zweck, sondern die Erkenntnis des Endzwecks (scopus) der Natur, welches eine Bezie- hung derselben auf etwas Uebersinnliches bedarf, die alle unsere teleologische Naturerkenntnis weit übersteigt;
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
die Gemeinſchaft im Jnnern der|Laͤnder unter Voͤlker befoͤrdern, Gebirge, weil ſie zu dieſen die Quellen und zur Erhaltung derſelben den Schneevorrath fuͤr regenloſe Zeiten enthalten, imgleichen den Abhang der Laͤnder, der dieſe Gewaͤſſer abfuͤhrt und das Land trocken werden laͤßt, darum nicht ſo fort fuͤr Naturzwecke halten; weil, ob zwar dieſe Geſtalt der Oberflaͤche der Erde zur Entſtehung und Erhaltung des Gewaͤchs- und Thierreichs ſehr noͤthig war, ſie doch nichts an ſich hat, zu deſſen Moͤglichkeit man ſich genoͤthigt ſaͤhe eine Cauſſa- litaͤt nach Zwecken anzunehmen. Eben das gilt von Gewaͤchſen, die der Menſch zu ſeiner Nothdurft oder Er- goͤtzlichkeit nutzt: von Thieren, dem Cameele, dem Rin- de, dem Pferde, Hunde u. ſ. w. die er theils zu ſeiner Nahrung, theils ſeinem Dienſte ſo vielfaͤltig gebrauchen und großentheils gar nicht entbehren kann. Von Din- gen deren keines fuͤr ſich als Zweck anzuſehen man Ur- ſache hat, kann das aͤußere Verhaͤltnis nur hypothetiſch fuͤr zweckmaͤßig beurtheilt werden.
Ein Ding ſeiner innern Form halber, als Natur- zweck beurtheilen, iſt ganz etwas anderes, als die Exi- ſtenz dieſes Dinges fuͤr Zweck der Natur halten. Zu der letztern Behauptung beduͤrfen wir nicht blos den Be- grif von einem moͤglichen Zweck, ſondern die Erkenntnis des Endzwecks (ſcopus) der Natur, welches eine Bezie- hung derſelben auf etwas Ueberſinnliches bedarf, die alle unſere teleologiſche Naturerkenntnis weit uͤberſteigt;
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
die Gemeinſchaft im Jnnern der|Laͤnder unter Voͤlker
befoͤrdern, Gebirge, weil ſie zu dieſen die Quellen
und zur Erhaltung derſelben den Schneevorrath fuͤr
regenloſe Zeiten enthalten, imgleichen den Abhang
der Laͤnder, der dieſe Gewaͤſſer abfuͤhrt und das Land
trocken werden laͤßt, darum nicht ſo fort fuͤr Naturzwecke
halten; weil, ob zwar dieſe Geſtalt der Oberflaͤche der
Erde zur Entſtehung und Erhaltung des Gewaͤchs- und
Thierreichs ſehr noͤthig war, ſie doch nichts an ſich hat,
zu deſſen Moͤglichkeit man ſich genoͤthigt ſaͤhe eine Cauſſa-
litaͤt nach Zwecken anzunehmen. Eben das gilt von
Gewaͤchſen, die der Menſch zu ſeiner Nothdurft oder Er-
goͤtzlichkeit nutzt: von Thieren, dem Cameele, dem Rin-
de, dem Pferde, Hunde u. ſ. w. die er theils zu ſeiner
Nahrung, theils ſeinem Dienſte ſo vielfaͤltig gebrauchen
und großentheils gar nicht entbehren kann. Von Din-
gen deren keines fuͤr ſich als Zweck anzuſehen man Ur-
ſache hat, kann das aͤußere Verhaͤltnis nur hypothetiſch
fuͤr zweckmaͤßig beurtheilt werden.
Ein Ding ſeiner innern Form halber, als Natur-
zweck beurtheilen, iſt ganz etwas anderes, als die Exi-
ſtenz dieſes Dinges fuͤr Zweck der Natur halten. Zu
der letztern Behauptung beduͤrfen wir nicht blos den Be-
grif von einem moͤglichen Zweck, ſondern die Erkenntnis
des Endzwecks (ſcopus) der Natur, welches eine Bezie-
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unſere teleologiſche Naturerkenntnis weit uͤberſteigt;
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/359>, abgerufen am 23.07.2024.
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