uubestimmten Jdeen, die zweyte Art aber von bestimm- ten Jdeen zu Empfindungen. Die letztere sind von bleibenden, die erstere nur von transitorischen Eindrucke. Die Einbildungskraft kann jene zurückrufen und sich damit angenehm unterhalten, diese aber erlö- schen entweder gänzlich, oder, wenn sie unwillkührlich von der Einbildungskraft wiederholt werden, sind sie uns eher lästig als angenehm. -- Unter den bildenden Künsten würde ich der Mahlerey den Vorzug geben, theils weil sie, als Zeichnungskunst, allen übrigen bil- denden zum Grunde liegt, theils, weil sie weit mehr in die Region der Jdeen eindringen und auch das Feld der Anschauung, diesen gemäs mehr erweitern kann, als es den übrigen verstattet ist.
Anmerkung.
Zwischen dem, was blos in der Beurtheilung ge- fällt und dem, was vergnügt (in der Empfindung gefällt), ist, wie wir oft gezeigt haben, ein wesentlicher Unterschied. Das letztere ist etwas, welches man nicht so, wie das erstere, jedermann ansinnen kann. Vergnügen, (die Ursache dessel- ben mag immerhin auch in Jdeen liegen), scheint jederzeit in einem Gefühl der Beförderung des gesammten Lebens des Menschen, mithin auch des körperlichen Wohlbefindens d. i. der Gesundheit, zu bestehen, so daß Epicur, der alles Ver- gnügen im Grunde für körperliche Empfindung ausgab, so fern vielleicht nicht Unrecht haben mag und sich nur selbst misverstand, wenn er das intellectuelle und selbst practische Wohlgefallen zu den Vergnügen zählte. Wenn man den
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
uubeſtimmten Jdeen, die zweyte Art aber von beſtimm- ten Jdeen zu Empfindungen. Die letztere ſind von bleibenden, die erſtere nur von tranſitoriſchen Eindrucke. Die Einbildungskraft kann jene zuruͤckrufen und ſich damit angenehm unterhalten, dieſe aber erloͤ- ſchen entweder gaͤnzlich, oder, wenn ſie unwillkuͤhrlich von der Einbildungskraft wiederholt werden, ſind ſie uns eher laͤſtig als angenehm. — Unter den bildenden Kuͤnſten wuͤrde ich der Mahlerey den Vorzug geben, theils weil ſie, als Zeichnungskunſt, allen uͤbrigen bil- denden zum Grunde liegt, theils, weil ſie weit mehr in die Region der Jdeen eindringen und auch das Feld der Anſchauung, dieſen gemaͤs mehr erweitern kann, als es den uͤbrigen verſtattet iſt.
Anmerkung.
Zwiſchen dem, was blos in der Beurtheilung ge- faͤllt und dem, was vergnuͤgt (in der Empfindung gefaͤllt), iſt, wie wir oft gezeigt haben, ein weſentlicher Unterſchied. Das letztere iſt etwas, welches man nicht ſo, wie das erſtere, jedermann anſinnen kann. Vergnuͤgen, (die Urſache deſſel- ben mag immerhin auch in Jdeen liegen), ſcheint jederzeit in einem Gefuͤhl der Befoͤrderung des geſammten Lebens des Menſchen, mithin auch des koͤrperlichen Wohlbefindens d. i. der Geſundheit, zu beſtehen, ſo daß Epicur, der alles Ver- gnuͤgen im Grunde fuͤr koͤrperliche Empfindung ausgab, ſo fern vielleicht nicht Unrecht haben mag und ſich nur ſelbſt misverſtand, wenn er das intellectuelle und ſelbſt practiſche Wohlgefallen zu den Vergnuͤgen zaͤhlte. Wenn man den
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
uubeſtimmten Jdeen, die zweyte Art aber von beſtimm-
ten Jdeen zu Empfindungen. Die letztere ſind von
bleibenden, die erſtere nur von tranſitoriſchen
Eindrucke. Die Einbildungskraft kann jene zuruͤckrufen
und ſich damit angenehm unterhalten, dieſe aber erloͤ-
ſchen entweder gaͤnzlich, oder, wenn ſie unwillkuͤhrlich
von der Einbildungskraft wiederholt werden, ſind ſie
uns eher laͤſtig als angenehm. — Unter den bildenden
Kuͤnſten wuͤrde ich der Mahlerey den Vorzug geben,
theils weil ſie, als Zeichnungskunſt, allen uͤbrigen bil-
denden zum Grunde liegt, theils, weil ſie weit mehr in
die Region der Jdeen eindringen und auch das Feld der
Anſchauung, dieſen gemaͤs mehr erweitern kann, als es
den uͤbrigen verſtattet iſt.
Anmerkung.
Zwiſchen dem, was blos in der Beurtheilung ge-
faͤllt und dem, was vergnuͤgt (in der Empfindung gefaͤllt),
iſt, wie wir oft gezeigt haben, ein weſentlicher Unterſchied.
Das letztere iſt etwas, welches man nicht ſo, wie das erſtere,
jedermann anſinnen kann. Vergnuͤgen, (die Urſache deſſel-
ben mag immerhin auch in Jdeen liegen), ſcheint jederzeit in
einem Gefuͤhl der Befoͤrderung des geſammten Lebens des
Menſchen, mithin auch des koͤrperlichen Wohlbefindens d. i.
der Geſundheit, zu beſtehen, ſo daß Epicur, der alles Ver-
gnuͤgen im Grunde fuͤr koͤrperliche Empfindung ausgab, ſo
fern vielleicht nicht Unrecht haben mag und ſich nur ſelbſt
misverſtand, wenn er das intellectuelle und ſelbſt practiſche
Wohlgefallen zu den Vergnuͤgen zaͤhlte. Wenn man den
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/283>, abgerufen am 16.07.2024.
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