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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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Einleitung.
Ursache nicht durch Begriffe (sondern, wie bey der leblo-
sen Materie, durch Mechanism und, bey Thieren, durch
Jnstinkt) zur Caussalität bestimmt wird. -- Hier wird
nun in Ansehung des Practischen unbestimmt gelassen:
ob der Begrif, der der Caussalität des Willens die Regel
giebt, ein Naturbegrif, oder ein Freyheitsbegrif sey.

Der letztere Unterschied aber ist wesentlich: denn ist
der die Caussalität bestimmende Begrif ein Naturbegrif,
so sind die Principien technisch-practisch ist er aber
ein Freyheitsbegrif, so sind diese moralisch-practisch
und weil es in der Eintheilung einer Vernunftwissen-
schaft gänzlich auf diejenige Verschiedenheit der Gegen-
stände ankommt, deren Erkenntuis verschiedener Princi-
pien bedarf, so werden die erstere zur theoretischen Philo-
sophie (als Naturlehre) gehören, die zweyten aber ganz
allein den zweyten Theil, nämlich (als Sittenlehre) die
practische Philosophie ausmachen.

Alle technisch-practische Regeln (d. i. die der Kunst
und Geschicklichkeit überhaupt, oder auch der Klugheit,
als einer Geschicklichkeit auf Menschen und ihren Willen
Einfluß zu haben), so fern ihre Principien auf Begriffen
beruhen, müssen nur als Corollarien zur theoretischen
Philosophie gezählt werden. Denn sie betreffen nur
die Möglichkeit der Dinge nach Naturbegriffen, wozu
nicht allein die Mittel, die in der Natur dazu anzutreffen
sind, sondern selbst der Wille (als Begehrungs-mithin
als Naturvermögen) gehört, so fern er durch Triebfe-

Einleitung.
Urſache nicht durch Begriffe (ſondern, wie bey der leblo-
ſen Materie, durch Mechanism und, bey Thieren, durch
Jnſtinkt) zur Cauſſalitaͤt beſtimmt wird. — Hier wird
nun in Anſehung des Practiſchen unbeſtimmt gelaſſen:
ob der Begrif, der der Cauſſalitaͤt des Willens die Regel
giebt, ein Naturbegrif, oder ein Freyheitsbegrif ſey.

Der letztere Unterſchied aber iſt weſentlich: denn iſt
der die Cauſſalitaͤt beſtimmende Begrif ein Naturbegrif,
ſo ſind die Principien techniſch-practiſch iſt er aber
ein Freyheitsbegrif, ſo ſind dieſe moraliſch-practiſch
und weil es in der Eintheilung einer Vernunftwiſſen-
ſchaft gaͤnzlich auf diejenige Verſchiedenheit der Gegen-
ſtaͤnde ankommt, deren Erkenntuis verſchiedener Princi-
pien bedarf, ſo werden die erſtere zur theoretiſchen Philo-
ſophie (als Naturlehre) gehoͤren, die zweyten aber ganz
allein den zweyten Theil, naͤmlich (als Sittenlehre) die
practiſche Philoſophie ausmachen.

Alle techniſch-practiſche Regeln (d. i. die der Kunſt
und Geſchicklichkeit uͤberhaupt, oder auch der Klugheit,
als einer Geſchicklichkeit auf Menſchen und ihren Willen
Einfluß zu haben), ſo fern ihre Principien auf Begriffen
beruhen, muͤſſen nur als Corollarien zur theoretiſchen
Philoſophie gezaͤhlt werden. Denn ſie betreffen nur
die Moͤglichkeit der Dinge nach Naturbegriffen, wozu
nicht allein die Mittel, die in der Natur dazu anzutreffen
ſind, ſondern ſelbſt der Wille (als Begehrungs-mithin
als Naturvermoͤgen) gehoͤrt, ſo fern er durch Triebfe-

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[XIII/0019] Einleitung. Urſache nicht durch Begriffe (ſondern, wie bey der leblo- ſen Materie, durch Mechanism und, bey Thieren, durch Jnſtinkt) zur Cauſſalitaͤt beſtimmt wird. — Hier wird nun in Anſehung des Practiſchen unbeſtimmt gelaſſen: ob der Begrif, der der Cauſſalitaͤt des Willens die Regel giebt, ein Naturbegrif, oder ein Freyheitsbegrif ſey. Der letztere Unterſchied aber iſt weſentlich: denn iſt der die Cauſſalitaͤt beſtimmende Begrif ein Naturbegrif, ſo ſind die Principien techniſch-practiſch iſt er aber ein Freyheitsbegrif, ſo ſind dieſe moraliſch-practiſch und weil es in der Eintheilung einer Vernunftwiſſen- ſchaft gaͤnzlich auf diejenige Verſchiedenheit der Gegen- ſtaͤnde ankommt, deren Erkenntuis verſchiedener Princi- pien bedarf, ſo werden die erſtere zur theoretiſchen Philo- ſophie (als Naturlehre) gehoͤren, die zweyten aber ganz allein den zweyten Theil, naͤmlich (als Sittenlehre) die practiſche Philoſophie ausmachen. Alle techniſch-practiſche Regeln (d. i. die der Kunſt und Geſchicklichkeit uͤberhaupt, oder auch der Klugheit, als einer Geſchicklichkeit auf Menſchen und ihren Willen Einfluß zu haben), ſo fern ihre Principien auf Begriffen beruhen, muͤſſen nur als Corollarien zur theoretiſchen Philoſophie gezaͤhlt werden. Denn ſie betreffen nur die Moͤglichkeit der Dinge nach Naturbegriffen, wozu nicht allein die Mittel, die in der Natur dazu anzutreffen ſind, ſondern ſelbſt der Wille (als Begehrungs-mithin als Naturvermoͤgen) gehoͤrt, ſo fern er durch Triebfe-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/19>, abgerufen am 27.04.2024.