Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Elementarl. II. Th. II. Abth. II.Buch. III. Hauptst.
dieses transsendentale Ding ist blos das Schema ienes re-
gulativen Princips, wodurch die Vernunft, so viel an ihr
ist, systematische Einheit über alle Erfahrung verbreitet.

Das erste Obiect einer solchen Idee bin ich selbst,
blos als denkende Natur (Seele) betrachtet. Will ich
die Eigenschaften, mit denen ein denkend Wesen an sich
existirt, aufsuchen, so muß ich die Erfahrung befragen und
selbst von allen Categorien kan ich keine auf diesen Gegen-
stand anwenden, als in so fern das Schema derselben in
der sinnlichen Anschauung gegeben ist. Hiemit gelange ich
aber niemals zu einer systematischen Einheit aller Erschei-
nungen des inneren Sinnes. Satt des Erfahrungsbegriffs
also (von dem, was die Seele wirklich ist), der uns nicht
weit führen kan, nimt die Vernunft den Begriff der em-
pirischen Einheit alles Denkens und macht dadurch, daß
sie diese Einheit unbedingt und ursprünglich denkt, aus
demselben einen Vernunftbegriff (Idee) von einer einfa-
chen Substanz, die an sich selbst unwandelbar (persön-
lich identisch), mit andern wirklichen Dingen ausser ihr
in Gemeinschaft stehe, mit einem Worte: von einer ein-
fachen selbstständigen Intelligenz. Hiebey aber hat sie
nichts anders vor Augen, als Principien der systematischen
Einheit in Erklärung der Erscheinungen der Seele, nem-
lich: alle Bestimmungen, als in einem einigen Subiecte, alle
Kräfte, so viel möglich, als abgeleitet von einer einigen
Grundkraft, allen Wechsel, als gehörig zu den Zuständen

eines

Elementarl. II. Th. II. Abth. II.Buch. III. Hauptſt.
dieſes transſendentale Ding iſt blos das Schema ienes re-
gulativen Princips, wodurch die Vernunft, ſo viel an ihr
iſt, ſyſtematiſche Einheit uͤber alle Erfahrung verbreitet.

Das erſte Obiect einer ſolchen Idee bin ich ſelbſt,
blos als denkende Natur (Seele) betrachtet. Will ich
die Eigenſchaften, mit denen ein denkend Weſen an ſich
exiſtirt, aufſuchen, ſo muß ich die Erfahrung befragen und
ſelbſt von allen Categorien kan ich keine auf dieſen Gegen-
ſtand anwenden, als in ſo fern das Schema derſelben in
der ſinnlichen Anſchauung gegeben iſt. Hiemit gelange ich
aber niemals zu einer ſyſtematiſchen Einheit aller Erſchei-
nungen des inneren Sinnes. Satt des Erfahrungsbegriffs
alſo (von dem, was die Seele wirklich iſt), der uns nicht
weit fuͤhren kan, nimt die Vernunft den Begriff der em-
piriſchen Einheit alles Denkens und macht dadurch, daß
ſie dieſe Einheit unbedingt und urſpruͤnglich denkt, aus
demſelben einen Vernunftbegriff (Idee) von einer einfa-
chen Subſtanz, die an ſich ſelbſt unwandelbar (perſoͤn-
lich identiſch), mit andern wirklichen Dingen auſſer ihr
in Gemeinſchaft ſtehe, mit einem Worte: von einer ein-
fachen ſelbſtſtaͤndigen Intelligenz. Hiebey aber hat ſie
nichts anders vor Augen, als Principien der ſyſtematiſchen
Einheit in Erklaͤrung der Erſcheinungen der Seele, nem-
lich: alle Beſtimmungen, als in einem einigen Subiecte, alle
Kraͤfte, ſo viel moͤglich, als abgeleitet von einer einigen
Grundkraft, allen Wechſel, als gehoͤrig zu den Zuſtaͤnden

eines
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0712" n="682"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi>Buch. <hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
die&#x017F;es trans&#x017F;endentale Ding i&#x017F;t blos das Schema ienes re-<lb/>
gulativen Princips, wodurch die Vernunft, &#x017F;o viel an ihr<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che Einheit u&#x0364;ber alle Erfahrung verbreitet.</p><lb/>
                        <p>Das er&#x017F;te Obiect einer &#x017F;olchen Idee bin ich &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
blos als denkende Natur (Seele) betrachtet. Will ich<lb/>
die Eigen&#x017F;chaften, mit denen ein denkend We&#x017F;en an &#x017F;ich<lb/>
exi&#x017F;tirt, auf&#x017F;uchen, &#x017F;o muß ich die Erfahrung befragen und<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t von allen Categorien kan ich keine auf die&#x017F;en Gegen-<lb/>
&#x017F;tand anwenden, als in &#x017F;o fern das Schema der&#x017F;elben in<lb/>
der &#x017F;innlichen An&#x017F;chauung gegeben i&#x017F;t. Hiemit gelange ich<lb/>
aber niemals zu einer &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Einheit aller Er&#x017F;chei-<lb/>
nungen des inneren Sinnes. Satt des Erfahrungsbegriffs<lb/>
al&#x017F;o (von dem, was die Seele wirklich i&#x017F;t), der uns nicht<lb/>
weit fu&#x0364;hren kan, nimt die Vernunft den Begriff der em-<lb/>
piri&#x017F;chen Einheit alles Denkens und macht dadurch, daß<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;e Einheit unbedingt und ur&#x017F;pru&#x0364;nglich denkt, aus<lb/>
dem&#x017F;elben einen Vernunftbegriff (Idee) von einer einfa-<lb/>
chen Sub&#x017F;tanz, die an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t unwandelbar (per&#x017F;o&#x0364;n-<lb/>
lich identi&#x017F;ch), mit andern wirklichen Dingen au&#x017F;&#x017F;er ihr<lb/>
in Gemein&#x017F;chaft &#x017F;tehe, mit einem Worte: von einer ein-<lb/>
fachen &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigen Intelligenz. Hiebey aber hat &#x017F;ie<lb/>
nichts anders vor Augen, als Principien der &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen<lb/>
Einheit in Erkla&#x0364;rung der Er&#x017F;cheinungen der Seele, nem-<lb/>
lich: alle Be&#x017F;timmungen, als in einem einigen Subiecte, alle<lb/>
Kra&#x0364;fte, &#x017F;o viel mo&#x0364;glich, als abgeleitet von einer einigen<lb/>
Grundkraft, allen Wech&#x017F;el, als geho&#x0364;rig zu den Zu&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eines</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[682/0712] Elementarl. II. Th. II. Abth. II.Buch. III. Hauptſt. dieſes transſendentale Ding iſt blos das Schema ienes re- gulativen Princips, wodurch die Vernunft, ſo viel an ihr iſt, ſyſtematiſche Einheit uͤber alle Erfahrung verbreitet. Das erſte Obiect einer ſolchen Idee bin ich ſelbſt, blos als denkende Natur (Seele) betrachtet. Will ich die Eigenſchaften, mit denen ein denkend Weſen an ſich exiſtirt, aufſuchen, ſo muß ich die Erfahrung befragen und ſelbſt von allen Categorien kan ich keine auf dieſen Gegen- ſtand anwenden, als in ſo fern das Schema derſelben in der ſinnlichen Anſchauung gegeben iſt. Hiemit gelange ich aber niemals zu einer ſyſtematiſchen Einheit aller Erſchei- nungen des inneren Sinnes. Satt des Erfahrungsbegriffs alſo (von dem, was die Seele wirklich iſt), der uns nicht weit fuͤhren kan, nimt die Vernunft den Begriff der em- piriſchen Einheit alles Denkens und macht dadurch, daß ſie dieſe Einheit unbedingt und urſpruͤnglich denkt, aus demſelben einen Vernunftbegriff (Idee) von einer einfa- chen Subſtanz, die an ſich ſelbſt unwandelbar (perſoͤn- lich identiſch), mit andern wirklichen Dingen auſſer ihr in Gemeinſchaft ſtehe, mit einem Worte: von einer ein- fachen ſelbſtſtaͤndigen Intelligenz. Hiebey aber hat ſie nichts anders vor Augen, als Principien der ſyſtematiſchen Einheit in Erklaͤrung der Erſcheinungen der Seele, nem- lich: alle Beſtimmungen, als in einem einigen Subiecte, alle Kraͤfte, ſo viel moͤglich, als abgeleitet von einer einigen Grundkraft, allen Wechſel, als gehoͤrig zu den Zuſtaͤnden eines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/712
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/712>, abgerufen am 01.07.2024.