Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
nem künstlichen Bauwerk, an demienigen, wohin unsere Beobachtung reicht, mit Gewißheit, weiter hin aber, nach allen Grundsätzen der Analogie, mit Wahrscheinlich- keit schliessen.
Ohne hier mit der natürlichen Vernunft über ihren Schluß zu chicaniren, da sie aus der Analogie einiger Na- turproducte mit demienigen, was menschliche Kunst hervor- bringt, wenn sie der Natur Gewalt thut und sie nöthigt, nicht nach ihren Zwecken zu verfahren, sondern sich in die unsrige zu schmiegen, (der Aehnlichkeit derselben mit Häu- sern, Schiffen, Uhren) schließt, es werde eben eine solche Caussalität, nemlich Verstand und Wille, bey ihr zum Grunde liegen, wenn sie die innere Möglichkeit der freiwirken- den Natur (die alle Kunst und vielleicht selbst so gar die Vernunft zuerst möglich macht), noch von einer anderen, obgleich übermenschlichen Kunst ableitet, welche Schlußart vielleicht die schärfste transsc. Critik nicht aushalten dürfte, muß man doch gestehen, daß, wenn wir einmal eine Ursache nennen sollen, wir hier nicht sicherer, als nach der Analogie mit dergleichen zweckmässigen Erzeugungen, die die einzige sind, wovon uns die Ursachen und Wirkungsart völlig bekant sind, verfahren können. Die Vernunft würde es bey sich selbst nicht verantworten können, wenn sie von der Caussalität, die sie kent, zu dunkeln und unerweislichen Erklärungs- gründen, die sie nicht kent, übergehen wolte.
Nach diesem Schlusse müßte die undeckmässigkeit und Wolgereimtheit so vieler Naturanstalten blos die Zufällig-
keit
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
nem kuͤnſtlichen Bauwerk, an demienigen, wohin unſere Beobachtung reicht, mit Gewißheit, weiter hin aber, nach allen Grundſaͤtzen der Analogie, mit Wahrſcheinlich- keit ſchlieſſen.
Ohne hier mit der natuͤrlichen Vernunft uͤber ihren Schluß zu chicaniren, da ſie aus der Analogie einiger Na- turproducte mit demienigen, was menſchliche Kunſt hervor- bringt, wenn ſie der Natur Gewalt thut und ſie noͤthigt, nicht nach ihren Zwecken zu verfahren, ſondern ſich in die unſrige zu ſchmiegen, (der Aehnlichkeit derſelben mit Haͤu- ſern, Schiffen, Uhren) ſchließt, es werde eben eine ſolche Cauſſalitaͤt, nemlich Verſtand und Wille, bey ihr zum Grunde liegen, wenn ſie die innere Moͤglichkeit der freiwirken- den Natur (die alle Kunſt und vielleicht ſelbſt ſo gar die Vernunft zuerſt moͤglich macht), noch von einer anderen, obgleich uͤbermenſchlichen Kunſt ableitet, welche Schlußart vielleicht die ſchaͤrfſte transſc. Critik nicht aushalten duͤrfte, muß man doch geſtehen, daß, wenn wir einmal eine Urſache nennen ſollen, wir hier nicht ſicherer, als nach der Analogie mit dergleichen zweckmaͤſſigen Erzeugungen, die die einzige ſind, wovon uns die Urſachen und Wirkungsart voͤllig bekant ſind, verfahren koͤnnen. Die Vernunft wuͤrde es bey ſich ſelbſt nicht verantworten koͤnnen, wenn ſie von der Cauſſalitaͤt, die ſie kent, zu dunkeln und unerweislichen Erklaͤrungs- gruͤnden, die ſie nicht kent, uͤbergehen wolte.
Nach dieſem Schluſſe muͤßte die undeckmaͤſſigkeit und Wolgereimtheit ſo vieler Naturanſtalten blos die Zufaͤllig-
keit
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
nem kuͤnſtlichen Bauwerk, an demienigen, wohin unſere
Beobachtung reicht, mit Gewißheit, weiter hin aber,
nach allen Grundſaͤtzen der Analogie, mit Wahrſcheinlich-
keit ſchlieſſen.
Ohne hier mit der natuͤrlichen Vernunft uͤber ihren
Schluß zu chicaniren, da ſie aus der Analogie einiger Na-
turproducte mit demienigen, was menſchliche Kunſt hervor-
bringt, wenn ſie der Natur Gewalt thut und ſie noͤthigt,
nicht nach ihren Zwecken zu verfahren, ſondern ſich in die
unſrige zu ſchmiegen, (der Aehnlichkeit derſelben mit Haͤu-
ſern, Schiffen, Uhren) ſchließt, es werde eben eine ſolche
Cauſſalitaͤt, nemlich Verſtand und Wille, bey ihr zum
Grunde liegen, wenn ſie die innere Moͤglichkeit der freiwirken-
den Natur (die alle Kunſt und vielleicht ſelbſt ſo gar die
Vernunft zuerſt moͤglich macht), noch von einer anderen,
obgleich uͤbermenſchlichen Kunſt ableitet, welche Schlußart
vielleicht die ſchaͤrfſte transſc. Critik nicht aushalten duͤrfte,
muß man doch geſtehen, daß, wenn wir einmal eine Urſache
nennen ſollen, wir hier nicht ſicherer, als nach der Analogie mit
dergleichen zweckmaͤſſigen Erzeugungen, die die einzige ſind,
wovon uns die Urſachen und Wirkungsart voͤllig bekant ſind,
verfahren koͤnnen. Die Vernunft wuͤrde es bey ſich ſelbſt
nicht verantworten koͤnnen, wenn ſie von der Cauſſalitaͤt,
die ſie kent, zu dunkeln und unerweislichen Erklaͤrungs-
gruͤnden, die ſie nicht kent, uͤbergehen wolte.
Nach dieſem Schluſſe muͤßte die undeckmaͤſſigkeit und
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/656>, abgerufen am 22.11.2024.
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