Bedingungen, unter welchen die Gegenstände allein vor uns Obiecte der Sinne werden können. Sie sind nur als zufällig beygefügte Wirkungen der besondern Organi- sation mit der Erscheinung verbunden. Daher sind sie auch keine Vorstellungen a priori, sondern auf Empfin- dung, der Wohlgeschmack aber so gar auf Gefühl (der Lust und Unlust) als einer Würkung der Empfindung gegründet. Auch kan niemand a priori weder eine Vor- stellung einer Farbe, noch irgend eines Geschmacks haben: der Raum aber betrift nur die reine Form der Anschauung, schließt also gar keine Empfindung (nichts empirisches) in sich, und alle Arten und Bestimmungen des Raumes kön- nen und müssen so gar a priori vorgestellt werden können, wenn Begriffe der Gestalten so wol, als Verhältnisse ent- stehen sollen. Durch denselben ist es allein möglich, daß Dinge vor uns äussere Gegenstände seyn.
Die Absicht dieser Anmerkung geht nur dahin, zu verhüten: daß man die behauptete Idealität des Raumes nicht durch bey weitem unzulängliche Beyspiele zu erläutern sich einfallen lasse, da nemlich etwa Farben, Geschmack etc. mit Recht nicht als Beschaffenheiten der Dinge, sondern blos als Veränderungen unseres Subiects, die so gar bey verschiedenen Menschen verschieden seyn können, betrach- tet werden. Denn in diesem Falle gilt das, was ur- sprünglich selbst nur Erscheinung ist, z. B. eine Rose, im empirischen Verstande vor ein Ding an sich selbst, welches
doch
I. Abſchnitt. Von dem Raume.
Bedingungen, unter welchen die Gegenſtaͤnde allein vor uns Obiecte der Sinne werden koͤnnen. Sie ſind nur als zufaͤllig beygefuͤgte Wirkungen der beſondern Organi- ſation mit der Erſcheinung verbunden. Daher ſind ſie auch keine Vorſtellungen a priori, ſondern auf Empfin- dung, der Wohlgeſchmack aber ſo gar auf Gefuͤhl (der Luſt und Unluſt) als einer Wuͤrkung der Empfindung gegruͤndet. Auch kan niemand a priori weder eine Vor- ſtellung einer Farbe, noch irgend eines Geſchmacks haben: der Raum aber betrift nur die reine Form der Anſchauung, ſchließt alſo gar keine Empfindung (nichts empiriſches) in ſich, und alle Arten und Beſtimmungen des Raumes koͤn- nen und muͤſſen ſo gar a priori vorgeſtellt werden koͤnnen, wenn Begriffe der Geſtalten ſo wol, als Verhaͤltniſſe ent- ſtehen ſollen. Durch denſelben iſt es allein moͤglich, daß Dinge vor uns aͤuſſere Gegenſtaͤnde ſeyn.
Die Abſicht dieſer Anmerkung geht nur dahin, zu verhuͤten: daß man die behauptete Idealitaͤt des Raumes nicht durch bey weitem unzulaͤngliche Beyſpiele zu erlaͤutern ſich einfallen laſſe, da nemlich etwa Farben, Geſchmack ꝛc. mit Recht nicht als Beſchaffenheiten der Dinge, ſondern blos als Veraͤnderungen unſeres Subiects, die ſo gar bey verſchiedenen Menſchen verſchieden ſeyn koͤnnen, betrach- tet werden. Denn in dieſem Falle gilt das, was ur- ſpruͤnglich ſelbſt nur Erſcheinung iſt, z. B. eine Roſe, im empiriſchen Verſtande vor ein Ding an ſich ſelbſt, welches
doch
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I. Abſchnitt. Von dem Raume.
Bedingungen, unter welchen die Gegenſtaͤnde allein vor uns
Obiecte der Sinne werden koͤnnen. Sie ſind nur als
zufaͤllig beygefuͤgte Wirkungen der beſondern Organi-
ſation mit der Erſcheinung verbunden. Daher ſind ſie
auch keine Vorſtellungen a priori, ſondern auf Empfin-
dung, der Wohlgeſchmack aber ſo gar auf Gefuͤhl (der
Luſt und Unluſt) als einer Wuͤrkung der Empfindung
gegruͤndet. Auch kan niemand a priori weder eine Vor-
ſtellung einer Farbe, noch irgend eines Geſchmacks haben:
der Raum aber betrift nur die reine Form der Anſchauung,
ſchließt alſo gar keine Empfindung (nichts empiriſches) in
ſich, und alle Arten und Beſtimmungen des Raumes koͤn-
nen und muͤſſen ſo gar a priori vorgeſtellt werden koͤnnen,
wenn Begriffe der Geſtalten ſo wol, als Verhaͤltniſſe ent-
ſtehen ſollen. Durch denſelben iſt es allein moͤglich, daß
Dinge vor uns aͤuſſere Gegenſtaͤnde ſeyn.
Die Abſicht dieſer Anmerkung geht nur dahin, zu
verhuͤten: daß man die behauptete Idealitaͤt des Raumes
nicht durch bey weitem unzulaͤngliche Beyſpiele zu erlaͤutern
ſich einfallen laſſe, da nemlich etwa Farben, Geſchmack ꝛc.
mit Recht nicht als Beſchaffenheiten der Dinge, ſondern
blos als Veraͤnderungen unſeres Subiects, die ſo gar bey
verſchiedenen Menſchen verſchieden ſeyn koͤnnen, betrach-
tet werden. Denn in dieſem Falle gilt das, was ur-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/59>, abgerufen am 27.11.2024.
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