Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
den Grund erforschen könten, so würde es keine einzige menschliche Handlung geben, die wir nicht mit Gewisheit vorhersagen und aus ihren vorhergehenden Bedingungen als nothwendig erkennen könten. In Ansehung dieses em- pirischen Characters giebt es also keine Freiheit und nach diesem können wir doch allein den Menschen betrachten, wenn wir lediglich beobachten und, wie es in der Anthro- pologie geschieht, von seinen Handlungen die bewegende Ursachen physiologisch erforschen wollen.
Wenn wir aber eben dieselbe Handlungen in Be- ziehung auf die Vernunft erwägen und zwar nicht die speculative, um iene ihrem Ursprunge nach zu erklären, sondern ganz allein, so fern Vernunft die Ursache ist, sie selbst zu erzeugen, mit einem Worte, vergleichen wir sie mit dieser in practischer Absicht: so finden wir eine ganz andere Regel und Ordnung, als die Naturordnung ist. Denn da solte vielleicht alles das nicht geschehen seyn, was doch nach dem Naturlaufe geschehen ist und nach sei- nen empirischen Gründen unausbleiblich geschehen mußte. Bisweilen aber finden wir, oder glauben wenigstens zu fin- den: daß die Ideen der Vernunft wirklich Caussalität in Ansehung der Handlungen des Menschen, als Erscheinun- gen, bewiesen haben, und daß sie darum geschehen sind, nicht weil sie durch empirische Ursachen, nein, sondern weil sie durch Gründe der Vernunft bestimt waren.
Gesezt
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
den Grund erforſchen koͤnten, ſo wuͤrde es keine einzige menſchliche Handlung geben, die wir nicht mit Gewisheit vorherſagen und aus ihren vorhergehenden Bedingungen als nothwendig erkennen koͤnten. In Anſehung dieſes em- piriſchen Characters giebt es alſo keine Freiheit und nach dieſem koͤnnen wir doch allein den Menſchen betrachten, wenn wir lediglich beobachten und, wie es in der Anthro- pologie geſchieht, von ſeinen Handlungen die bewegende Urſachen phyſiologiſch erforſchen wollen.
Wenn wir aber eben dieſelbe Handlungen in Be- ziehung auf die Vernunft erwaͤgen und zwar nicht die ſpeculative, um iene ihrem Urſprunge nach zu erklaͤren, ſondern ganz allein, ſo fern Vernunft die Urſache iſt, ſie ſelbſt zu erzeugen, mit einem Worte, vergleichen wir ſie mit dieſer in practiſcher Abſicht: ſo finden wir eine ganz andere Regel und Ordnung, als die Naturordnung iſt. Denn da ſolte vielleicht alles das nicht geſchehen ſeyn, was doch nach dem Naturlaufe geſchehen iſt und nach ſei- nen empiriſchen Gruͤnden unausbleiblich geſchehen mußte. Bisweilen aber finden wir, oder glauben wenigſtens zu fin- den: daß die Ideen der Vernunft wirklich Cauſſalitaͤt in Anſehung der Handlungen des Menſchen, als Erſcheinun- gen, bewieſen haben, und daß ſie darum geſchehen ſind, nicht weil ſie durch empiriſche Urſachen, nein, ſondern weil ſie durch Gruͤnde der Vernunft beſtimt waren.
Geſezt
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
den Grund erforſchen koͤnten, ſo wuͤrde es keine einzige
menſchliche Handlung geben, die wir nicht mit Gewisheit
vorherſagen und aus ihren vorhergehenden Bedingungen
als nothwendig erkennen koͤnten. In Anſehung dieſes em-
piriſchen Characters giebt es alſo keine Freiheit und nach
dieſem koͤnnen wir doch allein den Menſchen betrachten,
wenn wir lediglich beobachten und, wie es in der Anthro-
pologie geſchieht, von ſeinen Handlungen die bewegende
Urſachen phyſiologiſch erforſchen wollen.
Wenn wir aber eben dieſelbe Handlungen in Be-
ziehung auf die Vernunft erwaͤgen und zwar nicht die
ſpeculative, um iene ihrem Urſprunge nach zu erklaͤren,
ſondern ganz allein, ſo fern Vernunft die Urſache iſt, ſie
ſelbſt zu erzeugen, mit einem Worte, vergleichen wir ſie
mit dieſer in practiſcher Abſicht: ſo finden wir eine ganz
andere Regel und Ordnung, als die Naturordnung iſt.
Denn da ſolte vielleicht alles das nicht geſchehen ſeyn,
was doch nach dem Naturlaufe geſchehen iſt und nach ſei-
nen empiriſchen Gruͤnden unausbleiblich geſchehen mußte.
Bisweilen aber finden wir, oder glauben wenigſtens zu fin-
den: daß die Ideen der Vernunft wirklich Cauſſalitaͤt in
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nicht weil ſie durch empiriſche Urſachen, nein, ſondern
weil ſie durch Gruͤnde der Vernunft beſtimt waren.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/580>, abgerufen am 23.11.2024.
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