Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Absch. System der cosmologischen Ideen.
anzutreffen, nemlich durch die successive Synthesis des
Mannigfaltigen der Anschauung, die im Regressus voll-
ständig seyn soll. Ob diese Vollständigkeit nun sinnlich
möglich sey, ist noch ein Problem. Allein die Idee die-
ser Vollständigkeit liegt doch in der Vernunft, unangese-
hen der Möglichkeit, oder Unmöglichkeit, ihr adäquat
empirische Begriffe zu verknüpfen. Also, da in der abso-
luten Totalität der regressiven Synthesis des Mannigfal-
tigen in der Erscheinung (nach Anleitung der Categorien,
die sie, als eine Reihe von Bedingungen zu einem gegebe-
nen Bedingten, vorstellen) das Unbedingte nothwendig
enthalten ist, man mag auch unausgemacht lassen, ob und
wie diese Totalität zu Stande zu bringen sey: so nimt
die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalität
auszugehen, ob sie gleich eigentlich das Unbedingte, es
sey der ganzen Reihe, oder eines Theils derselben, zur
Endabsicht hat.

Dieses Unbedingte kan man sich nun gedenken, ent-
weder als blos in der ganzen Reihe bestehend, in der also
alle Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze
derselben schlechthin unbedingt wäre, und denn heißt der
Regressus unendlich: oder das absolut Unbedingte ist nur
ein Theil der Reihe, dem die übrige Glieder derselben un-
tergeordnet sind, er selbst aber unter keiner anderen Be-
dingung steht*). In dem ersteren Falle ist die Reihe

a parte
*) Das absolute Ganze der Reihe von Bedingungen zu
einem
D d

I. Abſch. Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
anzutreffen, nemlich durch die ſucceſſive Syntheſis des
Mannigfaltigen der Anſchauung, die im Regreſſus voll-
ſtaͤndig ſeyn ſoll. Ob dieſe Vollſtaͤndigkeit nun ſinnlich
moͤglich ſey, iſt noch ein Problem. Allein die Idee die-
ſer Vollſtaͤndigkeit liegt doch in der Vernunft, unangeſe-
hen der Moͤglichkeit, oder Unmoͤglichkeit, ihr adaͤquat
empiriſche Begriffe zu verknuͤpfen. Alſo, da in der abſo-
luten Totalitaͤt der regreſſiven Syntheſis des Mannigfal-
tigen in der Erſcheinung (nach Anleitung der Categorien,
die ſie, als eine Reihe von Bedingungen zu einem gegebe-
nen Bedingten, vorſtellen) das Unbedingte nothwendig
enthalten iſt, man mag auch unausgemacht laſſen, ob und
wie dieſe Totalitaͤt zu Stande zu bringen ſey: ſo nimt
die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalitaͤt
auszugehen, ob ſie gleich eigentlich das Unbedingte, es
ſey der ganzen Reihe, oder eines Theils derſelben, zur
Endabſicht hat.

Dieſes Unbedingte kan man ſich nun gedenken, ent-
weder als blos in der ganzen Reihe beſtehend, in der alſo
alle Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze
derſelben ſchlechthin unbedingt waͤre, und denn heißt der
Regreſſus unendlich: oder das abſolut Unbedingte iſt nur
ein Theil der Reihe, dem die uͤbrige Glieder derſelben un-
tergeordnet ſind, er ſelbſt aber unter keiner anderen Be-
dingung ſteht*). In dem erſteren Falle iſt die Reihe

a parte
*) Das abſolute Ganze der Reihe von Bedingungen zu
einem
D d
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0447" n="417"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;ch. Sy&#x017F;tem der cosmologi&#x017F;chen Ideen.</fw><lb/>
anzutreffen, nemlich durch die &#x017F;ucce&#x017F;&#x017F;ive Synthe&#x017F;is des<lb/>
Mannigfaltigen der An&#x017F;chauung, die im Regre&#x017F;&#x017F;us voll-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;eyn &#x017F;oll. Ob die&#x017F;e Voll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit nun &#x017F;innlich<lb/>
mo&#x0364;glich &#x017F;ey, i&#x017F;t noch ein Problem. Allein die Idee die-<lb/>
&#x017F;er Voll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit liegt doch in der Vernunft, unange&#x017F;e-<lb/>
hen der Mo&#x0364;glichkeit, oder Unmo&#x0364;glichkeit, ihr ada&#x0364;quat<lb/>
empiri&#x017F;che Begriffe zu verknu&#x0364;pfen. Al&#x017F;o, da in der ab&#x017F;o-<lb/>
luten Totalita&#x0364;t der regre&#x017F;&#x017F;iven Synthe&#x017F;is des Mannigfal-<lb/>
tigen in der Er&#x017F;cheinung (nach Anleitung der Categorien,<lb/>
die &#x017F;ie, als eine Reihe von Bedingungen zu einem gegebe-<lb/>
nen Bedingten, vor&#x017F;tellen) das Unbedingte nothwendig<lb/>
enthalten i&#x017F;t, man mag auch unausgemacht la&#x017F;&#x017F;en, ob und<lb/>
wie die&#x017F;e Totalita&#x0364;t zu Stande zu bringen &#x017F;ey: &#x017F;o nimt<lb/>
die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalita&#x0364;t<lb/>
auszugehen, ob &#x017F;ie gleich eigentlich das <hi rendition="#fr">Unbedingte</hi>, es<lb/>
&#x017F;ey der ganzen Reihe, oder eines Theils der&#x017F;elben, zur<lb/>
Endab&#x017F;icht hat.</p><lb/>
                      <p>Die&#x017F;es Unbedingte kan man &#x017F;ich nun gedenken, ent-<lb/>
weder als blos in der ganzen Reihe be&#x017F;tehend, in der al&#x017F;o<lb/>
alle Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze<lb/>
der&#x017F;elben &#x017F;chlechthin unbedingt wa&#x0364;re, und denn heißt der<lb/>
Regre&#x017F;&#x017F;us unendlich: oder das ab&#x017F;olut Unbedingte i&#x017F;t nur<lb/>
ein Theil der Reihe, dem die u&#x0364;brige Glieder der&#x017F;elben un-<lb/>
tergeordnet &#x017F;ind, er &#x017F;elb&#x017F;t aber unter keiner anderen Be-<lb/>
dingung &#x017F;teht<note xml:id="seg2pn_8_1" next="#seg2pn_8_2" place="foot" n="*)">Das ab&#x017F;olute Ganze der Reihe von Bedingungen zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einem</fw></note>. In dem er&#x017F;teren Falle i&#x017F;t die Reihe<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">a parte</hi></fw><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[417/0447] I. Abſch. Syſtem der cosmologiſchen Ideen. anzutreffen, nemlich durch die ſucceſſive Syntheſis des Mannigfaltigen der Anſchauung, die im Regreſſus voll- ſtaͤndig ſeyn ſoll. Ob dieſe Vollſtaͤndigkeit nun ſinnlich moͤglich ſey, iſt noch ein Problem. Allein die Idee die- ſer Vollſtaͤndigkeit liegt doch in der Vernunft, unangeſe- hen der Moͤglichkeit, oder Unmoͤglichkeit, ihr adaͤquat empiriſche Begriffe zu verknuͤpfen. Alſo, da in der abſo- luten Totalitaͤt der regreſſiven Syntheſis des Mannigfal- tigen in der Erſcheinung (nach Anleitung der Categorien, die ſie, als eine Reihe von Bedingungen zu einem gegebe- nen Bedingten, vorſtellen) das Unbedingte nothwendig enthalten iſt, man mag auch unausgemacht laſſen, ob und wie dieſe Totalitaͤt zu Stande zu bringen ſey: ſo nimt die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalitaͤt auszugehen, ob ſie gleich eigentlich das Unbedingte, es ſey der ganzen Reihe, oder eines Theils derſelben, zur Endabſicht hat. Dieſes Unbedingte kan man ſich nun gedenken, ent- weder als blos in der ganzen Reihe beſtehend, in der alſo alle Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze derſelben ſchlechthin unbedingt waͤre, und denn heißt der Regreſſus unendlich: oder das abſolut Unbedingte iſt nur ein Theil der Reihe, dem die uͤbrige Glieder derſelben un- tergeordnet ſind, er ſelbſt aber unter keiner anderen Be- dingung ſteht *). In dem erſteren Falle iſt die Reihe a parte *) Das abſolute Ganze der Reihe von Bedingungen zu einem D d

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/447
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/447>, abgerufen am 24.05.2024.