anzutreffen, nemlich durch die successive Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung, die im Regressus voll- ständig seyn soll. Ob diese Vollständigkeit nun sinnlich möglich sey, ist noch ein Problem. Allein die Idee die- ser Vollständigkeit liegt doch in der Vernunft, unangese- hen der Möglichkeit, oder Unmöglichkeit, ihr adäquat empirische Begriffe zu verknüpfen. Also, da in der abso- luten Totalität der regressiven Synthesis des Mannigfal- tigen in der Erscheinung (nach Anleitung der Categorien, die sie, als eine Reihe von Bedingungen zu einem gegebe- nen Bedingten, vorstellen) das Unbedingte nothwendig enthalten ist, man mag auch unausgemacht lassen, ob und wie diese Totalität zu Stande zu bringen sey: so nimt die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalität auszugehen, ob sie gleich eigentlich das Unbedingte, es sey der ganzen Reihe, oder eines Theils derselben, zur Endabsicht hat.
Dieses Unbedingte kan man sich nun gedenken, ent- weder als blos in der ganzen Reihe bestehend, in der also alle Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze derselben schlechthin unbedingt wäre, und denn heißt der Regressus unendlich: oder das absolut Unbedingte ist nur ein Theil der Reihe, dem die übrige Glieder derselben un- tergeordnet sind, er selbst aber unter keiner anderen Be- dingung steht*). In dem ersteren Falle ist die Reihe
a parte
*) Das absolute Ganze der Reihe von Bedingungen zu
einem
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I. Abſch. Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
anzutreffen, nemlich durch die ſucceſſive Syntheſis des Mannigfaltigen der Anſchauung, die im Regreſſus voll- ſtaͤndig ſeyn ſoll. Ob dieſe Vollſtaͤndigkeit nun ſinnlich moͤglich ſey, iſt noch ein Problem. Allein die Idee die- ſer Vollſtaͤndigkeit liegt doch in der Vernunft, unangeſe- hen der Moͤglichkeit, oder Unmoͤglichkeit, ihr adaͤquat empiriſche Begriffe zu verknuͤpfen. Alſo, da in der abſo- luten Totalitaͤt der regreſſiven Syntheſis des Mannigfal- tigen in der Erſcheinung (nach Anleitung der Categorien, die ſie, als eine Reihe von Bedingungen zu einem gegebe- nen Bedingten, vorſtellen) das Unbedingte nothwendig enthalten iſt, man mag auch unausgemacht laſſen, ob und wie dieſe Totalitaͤt zu Stande zu bringen ſey: ſo nimt die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalitaͤt auszugehen, ob ſie gleich eigentlich das Unbedingte, es ſey der ganzen Reihe, oder eines Theils derſelben, zur Endabſicht hat.
Dieſes Unbedingte kan man ſich nun gedenken, ent- weder als blos in der ganzen Reihe beſtehend, in der alſo alle Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze derſelben ſchlechthin unbedingt waͤre, und denn heißt der Regreſſus unendlich: oder das abſolut Unbedingte iſt nur ein Theil der Reihe, dem die uͤbrige Glieder derſelben un- tergeordnet ſind, er ſelbſt aber unter keiner anderen Be- dingung ſteht*). In dem erſteren Falle iſt die Reihe
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*) Das abſolute Ganze der Reihe von Bedingungen zu
einem
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I. Abſch. Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
anzutreffen, nemlich durch die ſucceſſive Syntheſis des
Mannigfaltigen der Anſchauung, die im Regreſſus voll-
ſtaͤndig ſeyn ſoll. Ob dieſe Vollſtaͤndigkeit nun ſinnlich
moͤglich ſey, iſt noch ein Problem. Allein die Idee die-
ſer Vollſtaͤndigkeit liegt doch in der Vernunft, unangeſe-
hen der Moͤglichkeit, oder Unmoͤglichkeit, ihr adaͤquat
empiriſche Begriffe zu verknuͤpfen. Alſo, da in der abſo-
luten Totalitaͤt der regreſſiven Syntheſis des Mannigfal-
tigen in der Erſcheinung (nach Anleitung der Categorien,
die ſie, als eine Reihe von Bedingungen zu einem gegebe-
nen Bedingten, vorſtellen) das Unbedingte nothwendig
enthalten iſt, man mag auch unausgemacht laſſen, ob und
wie dieſe Totalitaͤt zu Stande zu bringen ſey: ſo nimt
die Vernunft hier den Weg, von der Idee der Totalitaͤt
auszugehen, ob ſie gleich eigentlich das Unbedingte, es
ſey der ganzen Reihe, oder eines Theils derſelben, zur
Endabſicht hat.
Dieſes Unbedingte kan man ſich nun gedenken, ent-
weder als blos in der ganzen Reihe beſtehend, in der alſo
alle Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze
derſelben ſchlechthin unbedingt waͤre, und denn heißt der
Regreſſus unendlich: oder das abſolut Unbedingte iſt nur
ein Theil der Reihe, dem die uͤbrige Glieder derſelben un-
tergeordnet ſind, er ſelbſt aber unter keiner anderen Be-
dingung ſteht *). In dem erſteren Falle iſt die Reihe
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*) Das abſolute Ganze der Reihe von Bedingungen zu
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/447>, abgerufen am 22.11.2024.
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