Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Hauptst. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft.
chen Folgerungen der vernünftelnden Seelenlehre, als
z. B. die immerwährende Dauer derselben bey allen Ver-
änderungen und selbst dem Tode des Menschen lehren kön-
ne, daß er also nur eine Substanz in der Idee, aber
nicht in der Realität bezeichne.

Zweiter Paralogism der Simplicität.

Dasienige Ding, dessen Handlung niemals als die
Concurrenz vieler handelnden Dinge angesehen werden
kan, ist einfach.

Nun ist die Seele, oder das denkende Ich, ein
solches:
Also etc.

Critik des zweiten Paralogisms
der transscendentalen Psychologie.

Dies ist der Achilles aller dialectischen Schlüsse der
reinen Seelenlehre, nicht etwa blos ein sophistisches Spiel,
welches ein Dogmatiker erkünstelt, um seinen Behauptun-
gen einen flüchtigen Schein zu geben, sondern ein Schluß,
der sogar die schärfste Prüfung und die größte Bedenklich-
keit des Nachforschens auszuhalten scheint. Hier ist er.

Eine iede zusammengesezte Substanz ist ein Aggregat
vieler, und die Handlung eines Zusammengesezten, oder
das, was ihm, als einem solchen, inhärirt, ist ein Ag-
gregat vieler Handlungen oder Accidenzen, welche unter
der Menge der Substanzen vertheilt sind. Nun ist zwar
eine Wirkung, die aus der Concurrenz vieler handelnden

Sub-

I. Hauptſt. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft.
chen Folgerungen der vernuͤnftelnden Seelenlehre, als
z. B. die immerwaͤhrende Dauer derſelben bey allen Ver-
aͤnderungen und ſelbſt dem Tode des Menſchen lehren koͤn-
ne, daß er alſo nur eine Subſtanz in der Idee, aber
nicht in der Realitaͤt bezeichne.

Zweiter Paralogism der Simplicitaͤt.

Dasienige Ding, deſſen Handlung niemals als die
Concurrenz vieler handelnden Dinge angeſehen werden
kan, iſt einfach.

Nun iſt die Seele, oder das denkende Ich, ein
ſolches:
Alſo ꝛc.

Critik des zweiten Paralogisms
der transſcendentalen Pſychologie.

Dies iſt der Achilles aller dialectiſchen Schluͤſſe der
reinen Seelenlehre, nicht etwa blos ein ſophiſtiſches Spiel,
welches ein Dogmatiker erkuͤnſtelt, um ſeinen Behauptun-
gen einen fluͤchtigen Schein zu geben, ſondern ein Schluß,
der ſogar die ſchaͤrfſte Pruͤfung und die groͤßte Bedenklich-
keit des Nachforſchens auszuhalten ſcheint. Hier iſt er.

Eine iede zuſammengeſezte Subſtanz iſt ein Aggregat
vieler, und die Handlung eines Zuſammengeſezten, oder
das, was ihm, als einem ſolchen, inhaͤrirt, iſt ein Ag-
gregat vieler Handlungen oder Accidenzen, welche unter
der Menge der Subſtanzen vertheilt ſind. Nun iſt zwar
eine Wirkung, die aus der Concurrenz vieler handelnden

Sub-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0381" n="351"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;t. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft.</fw><lb/>
chen Folgerungen der vernu&#x0364;nftelnden Seelenlehre, als<lb/>
z. B. die immerwa&#x0364;hrende Dauer der&#x017F;elben bey allen Ver-<lb/>
a&#x0364;nderungen und &#x017F;elb&#x017F;t dem Tode des Men&#x017F;chen lehren ko&#x0364;n-<lb/>
ne, daß er al&#x017F;o nur eine Sub&#x017F;tanz in der Idee, aber<lb/>
nicht in der Realita&#x0364;t bezeichne.</p>
                      </div>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head> <hi rendition="#b">Zweiter Paralogism der Simplicita&#x0364;t.</hi> </head><lb/>
                      <p>Dasienige Ding, de&#x017F;&#x017F;en Handlung niemals als die<lb/>
Concurrenz vieler handelnden Dinge ange&#x017F;ehen werden<lb/>
kan, i&#x017F;t <hi rendition="#fr">einfach</hi>.</p><lb/>
                      <p>Nun i&#x017F;t die Seele, oder das denkende Ich, ein<lb/>
&#x017F;olches:<lb/>
Al&#x017F;o &#xA75B;c.</p><lb/>
                      <div n="9">
                        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Critik des zweiten Paralogisms</hi><lb/>
der trans&#x017F;cendentalen P&#x017F;ychologie.</hi> </head><lb/>
                        <p>Dies i&#x017F;t der Achilles aller dialecti&#x017F;chen Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
reinen Seelenlehre, nicht etwa blos ein &#x017F;ophi&#x017F;ti&#x017F;ches Spiel,<lb/>
welches ein Dogmatiker erku&#x0364;n&#x017F;telt, um &#x017F;einen Behauptun-<lb/>
gen einen flu&#x0364;chtigen Schein zu geben, &#x017F;ondern ein Schluß,<lb/>
der &#x017F;ogar die &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;te Pru&#x0364;fung und die gro&#x0364;ßte Bedenklich-<lb/>
keit des Nachfor&#x017F;chens auszuhalten &#x017F;cheint. Hier i&#x017F;t er.</p><lb/>
                        <p>Eine iede zu&#x017F;ammenge&#x017F;ezte Sub&#x017F;tanz i&#x017F;t ein Aggregat<lb/>
vieler, und die Handlung eines Zu&#x017F;ammenge&#x017F;ezten, oder<lb/>
das, was ihm, als einem &#x017F;olchen, inha&#x0364;rirt, i&#x017F;t ein Ag-<lb/>
gregat vieler Handlungen oder Accidenzen, welche unter<lb/>
der Menge der Sub&#x017F;tanzen vertheilt &#x017F;ind. Nun i&#x017F;t zwar<lb/>
eine Wirkung, die aus der Concurrenz vieler handelnden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sub-</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0381] I. Hauptſt. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft. chen Folgerungen der vernuͤnftelnden Seelenlehre, als z. B. die immerwaͤhrende Dauer derſelben bey allen Ver- aͤnderungen und ſelbſt dem Tode des Menſchen lehren koͤn- ne, daß er alſo nur eine Subſtanz in der Idee, aber nicht in der Realitaͤt bezeichne. Zweiter Paralogism der Simplicitaͤt. Dasienige Ding, deſſen Handlung niemals als die Concurrenz vieler handelnden Dinge angeſehen werden kan, iſt einfach. Nun iſt die Seele, oder das denkende Ich, ein ſolches: Alſo ꝛc. Critik des zweiten Paralogisms der transſcendentalen Pſychologie. Dies iſt der Achilles aller dialectiſchen Schluͤſſe der reinen Seelenlehre, nicht etwa blos ein ſophiſtiſches Spiel, welches ein Dogmatiker erkuͤnſtelt, um ſeinen Behauptun- gen einen fluͤchtigen Schein zu geben, ſondern ein Schluß, der ſogar die ſchaͤrfſte Pruͤfung und die groͤßte Bedenklich- keit des Nachforſchens auszuhalten ſcheint. Hier iſt er. Eine iede zuſammengeſezte Subſtanz iſt ein Aggregat vieler, und die Handlung eines Zuſammengeſezten, oder das, was ihm, als einem ſolchen, inhaͤrirt, iſt ein Ag- gregat vieler Handlungen oder Accidenzen, welche unter der Menge der Subſtanzen vertheilt ſind. Nun iſt zwar eine Wirkung, die aus der Concurrenz vieler handelnden Sub-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/381
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/381>, abgerufen am 22.11.2024.