nach, unterschieden, da nemlich iene, bey ihrem gewöhn- lichen Mangel der Zergliederung, eine gewisse Vermischung von Nebenvorstellungen in den Begriff des Dinges zieht, die der Verstand davon abzusondern weiß. Mit einem Worte: Leibnitz intellectuirte die Erscheinungen, so wie Locke die Verstandesbegriffe, nach seinem System der Noogonie, (wenn es mir erlaubt ist, mich dieser Aus- drücke zu bedienen) insgesamt sensificirt, d. i. vor nichts, als empirische, aber abgesonderte Reflexionsbegriffe ausge- geben hatte. Anstatt im Verstande und der Sinnlichkeit zwey ganz verschiedene Quellen von Vorstellungen zu suchen, die aber nur in Verknüpfung obiectivgültig von Dingen ur- theilen könten, hielte sich ein ieder dieser grossen Männer nur an eine von beiden, die sich ihrer Meinung nach un- mittelbar auf Dinge an sich selbst bezöge, indessen, daß die andere nichts that, als die Vorstellungen der ersteren zu verwirren oder zu ordnen.
Leibnitz verglich demnach die Gegenstände der Sinne als Dinge überhaupt blos im Verstande unter einander, Erstlich, so fern sie von diesem als einerley oder verschie- den geurtheilt werden sollen. Da er also lediglich ihre Begriffe, und nicht ihre Stelle in der Anschauung, darin die Gegenstände allein gegeben werden können, vor Augen hatte, und den transscendentalen Ort dieser Begriffe, (ob das Obiect unter Erscheinungen, oder unter Dinge an sich selbst zu zehlen sey,) gänzlich aus der Acht ließ, so konte
es
Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
nach, unterſchieden, da nemlich iene, bey ihrem gewoͤhn- lichen Mangel der Zergliederung, eine gewiſſe Vermiſchung von Nebenvorſtellungen in den Begriff des Dinges zieht, die der Verſtand davon abzuſondern weiß. Mit einem Worte: Leibnitz intellectuirte die Erſcheinungen, ſo wie Locke die Verſtandesbegriffe, nach ſeinem Syſtem der Noogonie, (wenn es mir erlaubt iſt, mich dieſer Aus- druͤcke zu bedienen) insgeſamt ſenſificirt, d. i. vor nichts, als empiriſche, aber abgeſonderte Reflexionsbegriffe ausge- geben hatte. Anſtatt im Verſtande und der Sinnlichkeit zwey ganz verſchiedene Quellen von Vorſtellungen zu ſuchen, die aber nur in Verknuͤpfung obiectivguͤltig von Dingen ur- theilen koͤnten, hielte ſich ein ieder dieſer groſſen Maͤnner nur an eine von beiden, die ſich ihrer Meinung nach un- mittelbar auf Dinge an ſich ſelbſt bezoͤge, indeſſen, daß die andere nichts that, als die Vorſtellungen der erſteren zu verwirren oder zu ordnen.
Leibnitz verglich demnach die Gegenſtaͤnde der Sinne als Dinge uͤberhaupt blos im Verſtande unter einander, Erſtlich, ſo fern ſie von dieſem als einerley oder verſchie- den geurtheilt werden ſollen. Da er alſo lediglich ihre Begriffe, und nicht ihre Stelle in der Anſchauung, darin die Gegenſtaͤnde allein gegeben werden koͤnnen, vor Augen hatte, und den transſcendentalen Ort dieſer Begriffe, (ob das Obiect unter Erſcheinungen, oder unter Dinge an ſich ſelbſt zu zehlen ſey,) gaͤnzlich aus der Acht ließ, ſo konte
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Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
nach, unterſchieden, da nemlich iene, bey ihrem gewoͤhn-
lichen Mangel der Zergliederung, eine gewiſſe Vermiſchung
von Nebenvorſtellungen in den Begriff des Dinges zieht,
die der Verſtand davon abzuſondern weiß. Mit einem
Worte: Leibnitz intellectuirte die Erſcheinungen, ſo wie
Locke die Verſtandesbegriffe, nach ſeinem Syſtem der
Noogonie, (wenn es mir erlaubt iſt, mich dieſer Aus-
druͤcke zu bedienen) insgeſamt ſenſificirt, d. i. vor nichts,
als empiriſche, aber abgeſonderte Reflexionsbegriffe ausge-
geben hatte. Anſtatt im Verſtande und der Sinnlichkeit zwey
ganz verſchiedene Quellen von Vorſtellungen zu ſuchen, die
aber nur in Verknuͤpfung obiectivguͤltig von Dingen ur-
theilen koͤnten, hielte ſich ein ieder dieſer groſſen Maͤnner
nur an eine von beiden, die ſich ihrer Meinung nach un-
mittelbar auf Dinge an ſich ſelbſt bezoͤge, indeſſen, daß
die andere nichts that, als die Vorſtellungen der erſteren
zu verwirren oder zu ordnen.
Leibnitz verglich demnach die Gegenſtaͤnde der Sinne
als Dinge uͤberhaupt blos im Verſtande unter einander,
Erſtlich, ſo fern ſie von dieſem als einerley oder verſchie-
den geurtheilt werden ſollen. Da er alſo lediglich ihre
Begriffe, und nicht ihre Stelle in der Anſchauung, darin
die Gegenſtaͤnde allein gegeben werden koͤnnen, vor Augen
hatte, und den transſcendentalen Ort dieſer Begriffe, (ob
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/301>, abgerufen am 25.11.2024.
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