keit der leztern bewiesen werden können; so ist kein Wun- der, wenn er zwar bey aller Erfahrung zum Grunde gelegt (weil man dessen Bedürfniß bey der empirischen Erkentniß fühlt), niemals aber bewiesen worden ist.
Ein Philosoph wurde gefragt: wie viel wiegt der Rauch? Er antwortete: ziehe von dem Gewichte des ver- branten Holzes das Gewicht der übrigbleibenden Asche ab, so hast du das Gewicht des Rauchs. Er sezte also als un- widersprechlich voraus: daß, selbst im Feuer, die Ma- terie (Substanz) nicht vergehe, sondern nur die Form der- selben eine Abänderung erleide. Eben so war der Satz: aus nichts wird nichts, nur ein anderer Folgesatz aus dem Grundsatze der Beharrlichkeit, oder vielmehr des immer- währenden Daseyns des eigentlichen Subiects an den Er- scheinungen. Denn, wenn dasienige an der Erscheinung, was man Substanz nennen will, das eigentliche Substra- tum aller Zeitbestimmung seyn soll, so muß so wol alles Daseyn in der vergangenen, als das der künftigen Zeit, daran einzig und allein bestimt werden können. Daher können wir einer Erscheinung nur darum den Namen Sub- stanz geben, weil wir ihr Daseyn zu aller Zeit voraussetzen, welches durch das Wort Beharrlichkeit nicht einmal wol ausgedruckt wird, indem dieses mehr auf künftige Zeit geht. Indessen ist die innre Nothwendigkeit zu beharren, doch unzertrenlich mit der Nothwendigkeit, immer gewe- sen zu seyn, verbunden, und der Ausdruck mag also blei-
ben.
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
keit der leztern bewieſen werden koͤnnen; ſo iſt kein Wun- der, wenn er zwar bey aller Erfahrung zum Grunde gelegt (weil man deſſen Beduͤrfniß bey der empiriſchen Erkentniß fuͤhlt), niemals aber bewieſen worden iſt.
Ein Philoſoph wurde gefragt: wie viel wiegt der Rauch? Er antwortete: ziehe von dem Gewichte des ver- branten Holzes das Gewicht der uͤbrigbleibenden Aſche ab, ſo haſt du das Gewicht des Rauchs. Er ſezte alſo als un- widerſprechlich voraus: daß, ſelbſt im Feuer, die Ma- terie (Subſtanz) nicht vergehe, ſondern nur die Form der- ſelben eine Abaͤnderung erleide. Eben ſo war der Satz: aus nichts wird nichts, nur ein anderer Folgeſatz aus dem Grundſatze der Beharrlichkeit, oder vielmehr des immer- waͤhrenden Daſeyns des eigentlichen Subiects an den Er- ſcheinungen. Denn, wenn dasienige an der Erſcheinung, was man Subſtanz nennen will, das eigentliche Subſtra- tum aller Zeitbeſtimmung ſeyn ſoll, ſo muß ſo wol alles Daſeyn in der vergangenen, als das der kuͤnftigen Zeit, daran einzig und allein beſtimt werden koͤnnen. Daher koͤnnen wir einer Erſcheinung nur darum den Namen Sub- ſtanz geben, weil wir ihr Daſeyn zu aller Zeit vorausſetzen, welches durch das Wort Beharrlichkeit nicht einmal wol ausgedruckt wird, indem dieſes mehr auf kuͤnftige Zeit geht. Indeſſen iſt die innre Nothwendigkeit zu beharren, doch unzertrenlich mit der Nothwendigkeit, immer gewe- ſen zu ſeyn, verbunden, und der Ausdruck mag alſo blei-
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
keit der leztern bewieſen werden koͤnnen; ſo iſt kein Wun-
der, wenn er zwar bey aller Erfahrung zum Grunde gelegt
(weil man deſſen Beduͤrfniß bey der empiriſchen Erkentniß
fuͤhlt), niemals aber bewieſen worden iſt.
Ein Philoſoph wurde gefragt: wie viel wiegt der
Rauch? Er antwortete: ziehe von dem Gewichte des ver-
branten Holzes das Gewicht der uͤbrigbleibenden Aſche ab,
ſo haſt du das Gewicht des Rauchs. Er ſezte alſo als un-
widerſprechlich voraus: daß, ſelbſt im Feuer, die Ma-
terie (Subſtanz) nicht vergehe, ſondern nur die Form der-
ſelben eine Abaͤnderung erleide. Eben ſo war der Satz:
aus nichts wird nichts, nur ein anderer Folgeſatz aus dem
Grundſatze der Beharrlichkeit, oder vielmehr des immer-
waͤhrenden Daſeyns des eigentlichen Subiects an den Er-
ſcheinungen. Denn, wenn dasienige an der Erſcheinung,
was man Subſtanz nennen will, das eigentliche Subſtra-
tum aller Zeitbeſtimmung ſeyn ſoll, ſo muß ſo wol alles
Daſeyn in der vergangenen, als das der kuͤnftigen Zeit,
daran einzig und allein beſtimt werden koͤnnen. Daher
koͤnnen wir einer Erſcheinung nur darum den Namen Sub-
ſtanz geben, weil wir ihr Daſeyn zu aller Zeit vorausſetzen,
welches durch das Wort Beharrlichkeit nicht einmal wol
ausgedruckt wird, indem dieſes mehr auf kuͤnftige Zeit
geht. Indeſſen iſt die innre Nothwendigkeit zu beharren,
doch unzertrenlich mit der Nothwendigkeit, immer gewe-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/215>, abgerufen am 25.11.2024.
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