Noch sind Gewißheit und Deutlichkeit zwey Stücke, die die Form derselben betreffen, als wesentli- che Foderungen anzusehen, die man an den Verfas- ser, der sich an eine so schlüpfriche Unternehmung wagt, mit Recht thun kan.
Was nun die Gewißheit betrift, so habe ich mir selbst das Urtheil gesprochen: daß es in dieser Art von Betrachtungen auf keine Weise erlaubt sey, zu mei- nen und daß alles, was darin einer Hypothese nur ähnlich sieht, verbotene Waare sey, die auch nicht vor den geringsten Preiß feil stehen darf, sondern, so bald sie entdeckt wird, beschlagen werden muß. Denn das kündigt eine iede Erkentniß, die a priori fest stehen soll, selbst an: daß sie vor schlechthinnothwendig ge- halten werden will, und eine Bestimmung aller reinen Erkentnisse a priori noch vielmehr, die das Richtmaaß, mithin selbst das Beispiel aller apodictischen (philoso- phischen) Gewißheit seyn soll. Ob ich nun das, wozu ich mich anheischig mache, in diesem Stücke geleistet habe, das bleibt gänzlich dem Urtheile des Lesers an- heim gestellt, weil es dem Verfasser nur geziemet, Gründe vorzulegen, nicht aber über die Wirkung der- selben bey seinen Richtern zu urtheilen. Damit aber nicht etwas unschuldigerweise an der Schwächung der-
selben
Vorrede.
Noch ſind Gewißheit und Deutlichkeit zwey Stuͤcke, die die Form derſelben betreffen, als weſentli- che Foderungen anzuſehen, die man an den Verfaſ- ſer, der ſich an eine ſo ſchluͤpfriche Unternehmung wagt, mit Recht thun kan.
Was nun die Gewißheit betrift, ſo habe ich mir ſelbſt das Urtheil geſprochen: daß es in dieſer Art von Betrachtungen auf keine Weiſe erlaubt ſey, zu mei- nen und daß alles, was darin einer Hypotheſe nur aͤhnlich ſieht, verbotene Waare ſey, die auch nicht vor den geringſten Preiß feil ſtehen darf, ſondern, ſo bald ſie entdeckt wird, beſchlagen werden muß. Denn das kuͤndigt eine iede Erkentniß, die a priori feſt ſtehen ſoll, ſelbſt an: daß ſie vor ſchlechthinnothwendig ge- halten werden will, und eine Beſtimmung aller reinen Erkentniſſe a priori noch vielmehr, die das Richtmaaß, mithin ſelbſt das Beiſpiel aller apodictiſchen (philoſo- phiſchen) Gewißheit ſeyn ſoll. Ob ich nun das, wozu ich mich anheiſchig mache, in dieſem Stuͤcke geleiſtet habe, das bleibt gaͤnzlich dem Urtheile des Leſers an- heim geſtellt, weil es dem Verfaſſer nur geziemet, Gruͤnde vorzulegen, nicht aber uͤber die Wirkung der- ſelben bey ſeinen Richtern zu urtheilen. Damit aber nicht etwas unſchuldigerweiſe an der Schwaͤchung der-
ſelben
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[0021]
Vorrede.
Noch ſind Gewißheit und Deutlichkeit zwey
Stuͤcke, die die Form derſelben betreffen, als weſentli-
che Foderungen anzuſehen, die man an den Verfaſ-
ſer, der ſich an eine ſo ſchluͤpfriche Unternehmung wagt,
mit Recht thun kan.
Was nun die Gewißheit betrift, ſo habe ich
mir ſelbſt das Urtheil geſprochen: daß es in dieſer Art
von Betrachtungen auf keine Weiſe erlaubt ſey, zu mei-
nen und daß alles, was darin einer Hypotheſe nur
aͤhnlich ſieht, verbotene Waare ſey, die auch nicht
vor den geringſten Preiß feil ſtehen darf, ſondern, ſo
bald ſie entdeckt wird, beſchlagen werden muß. Denn
das kuͤndigt eine iede Erkentniß, die a priori feſt ſtehen
ſoll, ſelbſt an: daß ſie vor ſchlechthinnothwendig ge-
halten werden will, und eine Beſtimmung aller reinen
Erkentniſſe a priori noch vielmehr, die das Richtmaaß,
mithin ſelbſt das Beiſpiel aller apodictiſchen (philoſo-
phiſchen) Gewißheit ſeyn ſoll. Ob ich nun das, wozu
ich mich anheiſchig mache, in dieſem Stuͤcke geleiſtet
habe, das bleibt gaͤnzlich dem Urtheile des Leſers an-
heim geſtellt, weil es dem Verfaſſer nur geziemet,
Gruͤnde vorzulegen, nicht aber uͤber die Wirkung der-
ſelben bey ſeinen Richtern zu urtheilen. Damit aber
nicht etwas unſchuldigerweiſe an der Schwaͤchung der-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/21>, abgerufen am 07.10.2024.
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