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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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III. Absch. Systemat. Vorstellung aller etc.
re, und zwar darum, weil der Grad nur die Grösse be-
zeichnet, deren Apprehension nicht successiv, sondern au-
genblicklich ist. Dieses berühre ich aber hier nur beyläufig,
denn mit der Caussalität habe ich vor iezt noch nicht zu
thun.

So hat demnach iede Empfindung, mithin auch iede
Realität in der Erscheinung, so klein sie auch seyn mag,
einen Grad, d. i. eine intensive Grösse, die noch immer
vermindert werden kan, und zwischen Realität und Nega-
tion ist ein continuirlicher Zusammenhang möglicher Rea-
litäten, und möglicher kleinerer Wahrnehmungen. Eine
iede Farbe z. E. die rothe hat einen Grad, der, so klein
er auch seyn mag, niemals der kleinste ist, und so ist es
mit der Wärme, dem Moment der Schwere etc. überall
bewandt.

Die Eigenschaft der Grössen, nach welcher an ihnen
kein Theil der kleinstmögliche (kein Theil einfach) ist, heißt
die Continuität derselben. Raum und Zeit sind quanta
continua,
weil kein Theil derselben gegeben werden kan,
ohne ihn zwischen Grenzen (Puncten und Augenblicken)
einzuschliessen, mithin nur so, daß dieser Theil selbst wie-
derum ein Raum, oder eine Zeit ist. Der Raum besteht
also nur aus Räumen, die Zeit aus Zeiten. Puncte und
Augenblicke sind nur Grenzen, d. i. blosse Stellen ihrer
Einschränkung, Stellen aber setzen iederzeit iene Anschau-
ungen, die sie beschränken, oder bestimmen sollen, vor-
aus, und aus blossen Stellen, als aus Bestandtheilen, die

noch
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
re, und zwar darum, weil der Grad nur die Groͤſſe be-
zeichnet, deren Apprehenſion nicht ſucceſſiv, ſondern au-
genblicklich iſt. Dieſes beruͤhre ich aber hier nur beylaͤufig,
denn mit der Cauſſalitaͤt habe ich vor iezt noch nicht zu
thun.

So hat demnach iede Empfindung, mithin auch iede
Realitaͤt in der Erſcheinung, ſo klein ſie auch ſeyn mag,
einen Grad, d. i. eine intenſive Groͤſſe, die noch immer
vermindert werden kan, und zwiſchen Realitaͤt und Nega-
tion iſt ein continuirlicher Zuſammenhang moͤglicher Rea-
litaͤten, und moͤglicher kleinerer Wahrnehmungen. Eine
iede Farbe z. E. die rothe hat einen Grad, der, ſo klein
er auch ſeyn mag, niemals der kleinſte iſt, und ſo iſt es
mit der Waͤrme, dem Moment der Schwere ꝛc. uͤberall
bewandt.

Die Eigenſchaft der Groͤſſen, nach welcher an ihnen
kein Theil der kleinſtmoͤgliche (kein Theil einfach) iſt, heißt
die Continuitaͤt derſelben. Raum und Zeit ſind quanta
continua,
weil kein Theil derſelben gegeben werden kan,
ohne ihn zwiſchen Grenzen (Puncten und Augenblicken)
einzuſchlieſſen, mithin nur ſo, daß dieſer Theil ſelbſt wie-
derum ein Raum, oder eine Zeit iſt. Der Raum beſteht
alſo nur aus Raͤumen, die Zeit aus Zeiten. Puncte und
Augenblicke ſind nur Grenzen, d. i. bloſſe Stellen ihrer
Einſchraͤnkung, Stellen aber ſetzen iederzeit iene Anſchau-
ungen, die ſie beſchraͤnken, oder beſtimmen ſollen, vor-
aus, und aus bloſſen Stellen, als aus Beſtandtheilen, die

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[169/0199] III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc. re, und zwar darum, weil der Grad nur die Groͤſſe be- zeichnet, deren Apprehenſion nicht ſucceſſiv, ſondern au- genblicklich iſt. Dieſes beruͤhre ich aber hier nur beylaͤufig, denn mit der Cauſſalitaͤt habe ich vor iezt noch nicht zu thun. So hat demnach iede Empfindung, mithin auch iede Realitaͤt in der Erſcheinung, ſo klein ſie auch ſeyn mag, einen Grad, d. i. eine intenſive Groͤſſe, die noch immer vermindert werden kan, und zwiſchen Realitaͤt und Nega- tion iſt ein continuirlicher Zuſammenhang moͤglicher Rea- litaͤten, und moͤglicher kleinerer Wahrnehmungen. Eine iede Farbe z. E. die rothe hat einen Grad, der, ſo klein er auch ſeyn mag, niemals der kleinſte iſt, und ſo iſt es mit der Waͤrme, dem Moment der Schwere ꝛc. uͤberall bewandt. Die Eigenſchaft der Groͤſſen, nach welcher an ihnen kein Theil der kleinſtmoͤgliche (kein Theil einfach) iſt, heißt die Continuitaͤt derſelben. Raum und Zeit ſind quanta continua, weil kein Theil derſelben gegeben werden kan, ohne ihn zwiſchen Grenzen (Puncten und Augenblicken) einzuſchlieſſen, mithin nur ſo, daß dieſer Theil ſelbſt wie- derum ein Raum, oder eine Zeit iſt. Der Raum beſteht alſo nur aus Raͤumen, die Zeit aus Zeiten. Puncte und Augenblicke ſind nur Grenzen, d. i. bloſſe Stellen ihrer Einſchraͤnkung, Stellen aber ſetzen iederzeit iene Anſchau- ungen, die ſie beſchraͤnken, oder beſtimmen ſollen, vor- aus, und aus bloſſen Stellen, als aus Beſtandtheilen, die noch L 5

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/199>, abgerufen am 23.11.2024.