massungen, nicht durch Machtsprüche, sondern nach ihren ewigen und unwandelbaren Gesetzen, abfertigen könne und dieser ist kein anderer als die Critik der reinen Vernunft selbst.
Ich verstehe aber hierunter nicht eine Critik der Bücher und Systeme, sondern die des Vernunftver- mögens überhaupt, in Ansehung aller Erkentnisse, zu denen sie, unabhängig von aller Erfahrung, streben mag, mithin die Entscheidung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik überhaupt und die Bestimmung so wol der Quellen, als des Umfanges und der Gränzen derselben, alles aber aus Principien.
Diesen Weg, den einzigen, der übrig gelassen war, bin ich nun eingeschlagen und schmeichle mir, auf demselben die Abstellung aller Irrungen angetrof- fen zu haben, die bisher die Vernunft im erfahrungs- freien Gebrauche mit sich selbst entzweiet hatten. Ich bin ihren Fragen nicht dadurch etwa ausgewichen, daß ich mich mit dem Unvermögen der menschlichen Ver- nunft entschuldigte; sondern ich habe sie nach Prin- cipien vollständig specificirt und, nachdem ich den Punct des Mißverstandes der Vernunft mit ihr selbst entdeckt hatte, sie zu ihrer völligen Befriedigung auf-
gelöst.
Vorrede.
maſſungen, nicht durch Machtſpruͤche, ſondern nach ihren ewigen und unwandelbaren Geſetzen, abfertigen koͤnne und dieſer iſt kein anderer als die Critik der reinen Vernunft ſelbſt.
Ich verſtehe aber hierunter nicht eine Critik der Buͤcher und Syſteme, ſondern die des Vernunftver- moͤgens uͤberhaupt, in Anſehung aller Erkentniſſe, zu denen ſie, unabhaͤngig von aller Erfahrung, ſtreben mag, mithin die Entſcheidung der Moͤglichkeit oder Unmoͤglichkeit einer Metaphyſik uͤberhaupt und die Beſtimmung ſo wol der Quellen, als des Umfanges und der Graͤnzen derſelben, alles aber aus Principien.
Dieſen Weg, den einzigen, der uͤbrig gelaſſen war, bin ich nun eingeſchlagen und ſchmeichle mir, auf demſelben die Abſtellung aller Irrungen angetrof- fen zu haben, die bisher die Vernunft im erfahrungs- freien Gebrauche mit ſich ſelbſt entzweiet hatten. Ich bin ihren Fragen nicht dadurch etwa ausgewichen, daß ich mich mit dem Unvermoͤgen der menſchlichen Ver- nunft entſchuldigte; ſondern ich habe ſie nach Prin- cipien vollſtaͤndig ſpecificirt und, nachdem ich den Punct des Mißverſtandes der Vernunft mit ihr ſelbſt entdeckt hatte, ſie zu ihrer voͤlligen Befriedigung auf-
geloͤſt.
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[0018]
Vorrede.
maſſungen, nicht durch Machtſpruͤche, ſondern nach
ihren ewigen und unwandelbaren Geſetzen, abfertigen
koͤnne und dieſer iſt kein anderer als die Critik der
reinen Vernunft ſelbſt.
Ich verſtehe aber hierunter nicht eine Critik der
Buͤcher und Syſteme, ſondern die des Vernunftver-
moͤgens uͤberhaupt, in Anſehung aller Erkentniſſe, zu
denen ſie, unabhaͤngig von aller Erfahrung, ſtreben
mag, mithin die Entſcheidung der Moͤglichkeit oder
Unmoͤglichkeit einer Metaphyſik uͤberhaupt und die
Beſtimmung ſo wol der Quellen, als des Umfanges
und der Graͤnzen derſelben, alles aber aus Principien.
Dieſen Weg, den einzigen, der uͤbrig gelaſſen
war, bin ich nun eingeſchlagen und ſchmeichle mir,
auf demſelben die Abſtellung aller Irrungen angetrof-
fen zu haben, die bisher die Vernunft im erfahrungs-
freien Gebrauche mit ſich ſelbſt entzweiet hatten. Ich
bin ihren Fragen nicht dadurch etwa ausgewichen, daß
ich mich mit dem Unvermoͤgen der menſchlichen Ver-
nunft entſchuldigte; ſondern ich habe ſie nach Prin-
cipien vollſtaͤndig ſpecificirt und, nachdem ich den
Punct des Mißverſtandes der Vernunft mit ihr ſelbſt
entdeckt hatte, ſie zu ihrer voͤlligen Befriedigung auf-
geloͤſt.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/18>, abgerufen am 06.10.2024.
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