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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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II. Abschn. Von der log. Function in Urtheilen.
Seele im mindesten wächst, und beiahend bestimt wird.
Diese unendliche Urtheile also in Ansehung des logischen
Umfanges sind wirklich blos beschränkend in Ansehung des
Inhalts der Erkentnis überhaupt, und in so fern müssen
sie in der transscendentalen Tafel aller Momente des Den-
kens in den Urtheilen nicht übergangen werden, weil die
hierbey ausgeübte Function des Verstandes vielleicht in dem
Felde seiner reinen Erkentniß a priori wichtig seyn kan.

3. Alle Verhältnisse des Denkens in Urtheilen sind
[d]ie a) des Prädicats zum Subiect b) des Grundes zur
Folge c) der eingetheilten Erkentniß und der gesamleten
Glieder der Eintheilung unter einander. In der ersteren
Art der Urtheile sind nur zwey Begriffe, in der zweyten
zweene Urtheile, in der dritten mehrere Urtheile im Ver-
hältniß gegen einander betrachtet. Der hypothetische Satz:
wenn eine vollkommene Gerechtigkeit da ist, so wird der
beharrlich böse bestraft, enthält eigentlich das Verhält-
niß zweyer Sätze: Es ist eine vollkommene Gerechtigkeit
da, und der beharrlich böse wird bestraft. Ob beyde die-
ser Sätze an sich wahr seyn, bleibt hier unausgemacht. Es
ist nur die Consequenz, die durch dieses Urtheil gedacht wird.
Endlich enthält das disiunctive Urtheil ein Verhältniß
zweener, oder mehreren Sätze gegen einander, aber nicht
der Abfolge, sondern der logischen Entgegensetzung, so fern
die Sphäre des einen die des andern ausschließt, aber
doch zugleich der Gemeinschaft, in so fern sie zusammen
die Sphäre der eigentlichen Erkentniß ausfüllen, also ein

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II. Abſchn. Von der log. Function in Urtheilen.
Seele im mindeſten waͤchſt, und beiahend beſtimt wird.
Dieſe unendliche Urtheile alſo in Anſehung des logiſchen
Umfanges ſind wirklich blos beſchraͤnkend in Anſehung des
Inhalts der Erkentnis uͤberhaupt, und in ſo fern muͤſſen
ſie in der transſcendentalen Tafel aller Momente des Den-
kens in den Urtheilen nicht uͤbergangen werden, weil die
hierbey ausgeuͤbte Function des Verſtandes vielleicht in dem
Felde ſeiner reinen Erkentniß a priori wichtig ſeyn kan.

3. Alle Verhaͤltniſſe des Denkens in Urtheilen ſind
[d]ie a) des Praͤdicats zum Subiect b) des Grundes zur
Folge c) der eingetheilten Erkentniß und der geſamleten
Glieder der Eintheilung unter einander. In der erſteren
Art der Urtheile ſind nur zwey Begriffe, in der zweyten
zweene Urtheile, in der dritten mehrere Urtheile im Ver-
haͤltniß gegen einander betrachtet. Der hypothetiſche Satz:
wenn eine vollkommene Gerechtigkeit da iſt, ſo wird der
beharrlich boͤſe beſtraft, enthaͤlt eigentlich das Verhaͤlt-
niß zweyer Saͤtze: Es iſt eine vollkommene Gerechtigkeit
da, und der beharrlich boͤſe wird beſtraft. Ob beyde die-
ſer Saͤtze an ſich wahr ſeyn, bleibt hier unausgemacht. Es
iſt nur die Conſequenz, die durch dieſes Urtheil gedacht wird.
Endlich enthaͤlt das disiunctive Urtheil ein Verhaͤltniß
zweener, oder mehreren Saͤtze gegen einander, aber nicht
der Abfolge, ſondern der logiſchen Entgegenſetzung, ſo fern
die Sphaͤre des einen die des andern ausſchließt, aber
doch zugleich der Gemeinſchaft, in ſo fern ſie zuſammen
die Sphaͤre der eigentlichen Erkentniß ausfuͤllen, alſo ein

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[73/0103] II. Abſchn. Von der log. Function in Urtheilen. Seele im mindeſten waͤchſt, und beiahend beſtimt wird. Dieſe unendliche Urtheile alſo in Anſehung des logiſchen Umfanges ſind wirklich blos beſchraͤnkend in Anſehung des Inhalts der Erkentnis uͤberhaupt, und in ſo fern muͤſſen ſie in der transſcendentalen Tafel aller Momente des Den- kens in den Urtheilen nicht uͤbergangen werden, weil die hierbey ausgeuͤbte Function des Verſtandes vielleicht in dem Felde ſeiner reinen Erkentniß a priori wichtig ſeyn kan. 3. Alle Verhaͤltniſſe des Denkens in Urtheilen ſind die a) des Praͤdicats zum Subiect b) des Grundes zur Folge c) der eingetheilten Erkentniß und der geſamleten Glieder der Eintheilung unter einander. In der erſteren Art der Urtheile ſind nur zwey Begriffe, in der zweyten zweene Urtheile, in der dritten mehrere Urtheile im Ver- haͤltniß gegen einander betrachtet. Der hypothetiſche Satz: wenn eine vollkommene Gerechtigkeit da iſt, ſo wird der beharrlich boͤſe beſtraft, enthaͤlt eigentlich das Verhaͤlt- niß zweyer Saͤtze: Es iſt eine vollkommene Gerechtigkeit da, und der beharrlich boͤſe wird beſtraft. Ob beyde die- ſer Saͤtze an ſich wahr ſeyn, bleibt hier unausgemacht. Es iſt nur die Conſequenz, die durch dieſes Urtheil gedacht wird. Endlich enthaͤlt das disiunctive Urtheil ein Verhaͤltniß zweener, oder mehreren Saͤtze gegen einander, aber nicht der Abfolge, ſondern der logiſchen Entgegenſetzung, ſo fern die Sphaͤre des einen die des andern ausſchließt, aber doch zugleich der Gemeinſchaft, in ſo fern ſie zuſammen die Sphaͤre der eigentlichen Erkentniß ausfuͤllen, alſo ein Ver- E 5

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/103>, abgerufen am 28.04.2024.