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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. I. Hauptst.
werden, wenn sie gleich in der allgemeinen Logik ienen
mit Recht beygezählt sind, und kein besonderes Glied der
Eintheilung ausmachen. Diese nemlich abstrahirt von
allem Inhalt des Prädicats (ob es gleich verneinend ist)
und sieht nur darauf, ob dasselbe dem Subiect beygelegt,
oder ihm entgegen gesezt werde. Jene aber betrachtet das
Urtheil auch nach dem Werthe oder Inhalt dieser logischen
Beiahung vermittelst eines blos verneinenden Prädicats,
und was diese in Ansehung des gesamten Erkentnisses für
einen Gewinn verschaft. Hätte ich von der Seele gesagt,
sie ist nicht sterblich, so hätte ich durch ein verneinendes
Urtheil wenigstens einen Irrthum abgehalten. Nun habe
ich durch den Satz: die Seele ist nicht sterblich, zwar
der logischen Form nach wirklich beiahet, indem ich die
Seele in den unbeschränkten Umfang der Nichtsterbenden
Wesen setze. Weil nun von dem ganzen Umfange mög-
licher Wesen das Sterbliche einen Theil enthält, das Nicht-
sterbliche aber den andern, so ist durch meinen Satz nichts
anders gesagt, als daß die Seele eine von der unendli-
chen Menge Dinge sey, die übrig bleiben, wenn ich das
sterbliche insgesamt wegnehme. Dadurch aber wird nur
die unendliche Sphäre alles Möglichen in so weit beschränkt,
daß das Sterbliche davon abgetrent, und in dem übri-
gen Raum ihres Umfangs die Seele gesezt wird. Dieser
Raum bleibt aber bey dieser Ausnahme noch immer un-
endlich, und können noch mehrere Theile desselben wegge-
nommen werden, ohne daß darum der Begriff von der

Seele

Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. I. Hauptſt.
werden, wenn ſie gleich in der allgemeinen Logik ienen
mit Recht beygezaͤhlt ſind, und kein beſonderes Glied der
Eintheilung ausmachen. Dieſe nemlich abſtrahirt von
allem Inhalt des Praͤdicats (ob es gleich verneinend iſt)
und ſieht nur darauf, ob daſſelbe dem Subiect beygelegt,
oder ihm entgegen geſezt werde. Jene aber betrachtet das
Urtheil auch nach dem Werthe oder Inhalt dieſer logiſchen
Beiahung vermittelſt eines blos verneinenden Praͤdicats,
und was dieſe in Anſehung des geſamten Erkentniſſes fuͤr
einen Gewinn verſchaft. Haͤtte ich von der Seele geſagt,
ſie iſt nicht ſterblich, ſo haͤtte ich durch ein verneinendes
Urtheil wenigſtens einen Irrthum abgehalten. Nun habe
ich durch den Satz: die Seele iſt nicht ſterblich, zwar
der logiſchen Form nach wirklich beiahet, indem ich die
Seele in den unbeſchraͤnkten Umfang der Nichtſterbenden
Weſen ſetze. Weil nun von dem ganzen Umfange moͤg-
licher Weſen das Sterbliche einen Theil enthaͤlt, das Nicht-
ſterbliche aber den andern, ſo iſt durch meinen Satz nichts
anders geſagt, als daß die Seele eine von der unendli-
chen Menge Dinge ſey, die uͤbrig bleiben, wenn ich das
ſterbliche insgeſamt wegnehme. Dadurch aber wird nur
die unendliche Sphaͤre alles Moͤglichen in ſo weit beſchraͤnkt,
daß das Sterbliche davon abgetrent, und in dem uͤbri-
gen Raum ihres Umfangs die Seele geſezt wird. Dieſer
Raum bleibt aber bey dieſer Ausnahme noch immer un-
endlich, und koͤnnen noch mehrere Theile deſſelben wegge-
nommen werden, ohne daß darum der Begriff von der

Seele
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[72/0102] Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. I. Hauptſt. werden, wenn ſie gleich in der allgemeinen Logik ienen mit Recht beygezaͤhlt ſind, und kein beſonderes Glied der Eintheilung ausmachen. Dieſe nemlich abſtrahirt von allem Inhalt des Praͤdicats (ob es gleich verneinend iſt) und ſieht nur darauf, ob daſſelbe dem Subiect beygelegt, oder ihm entgegen geſezt werde. Jene aber betrachtet das Urtheil auch nach dem Werthe oder Inhalt dieſer logiſchen Beiahung vermittelſt eines blos verneinenden Praͤdicats, und was dieſe in Anſehung des geſamten Erkentniſſes fuͤr einen Gewinn verſchaft. Haͤtte ich von der Seele geſagt, ſie iſt nicht ſterblich, ſo haͤtte ich durch ein verneinendes Urtheil wenigſtens einen Irrthum abgehalten. Nun habe ich durch den Satz: die Seele iſt nicht ſterblich, zwar der logiſchen Form nach wirklich beiahet, indem ich die Seele in den unbeſchraͤnkten Umfang der Nichtſterbenden Weſen ſetze. Weil nun von dem ganzen Umfange moͤg- licher Weſen das Sterbliche einen Theil enthaͤlt, das Nicht- ſterbliche aber den andern, ſo iſt durch meinen Satz nichts anders geſagt, als daß die Seele eine von der unendli- chen Menge Dinge ſey, die uͤbrig bleiben, wenn ich das ſterbliche insgeſamt wegnehme. Dadurch aber wird nur die unendliche Sphaͤre alles Moͤglichen in ſo weit beſchraͤnkt, daß das Sterbliche davon abgetrent, und in dem uͤbri- gen Raum ihres Umfangs die Seele geſezt wird. Dieſer Raum bleibt aber bey dieſer Ausnahme noch immer un- endlich, und koͤnnen noch mehrere Theile deſſelben wegge- nommen werden, ohne daß darum der Begriff von der Seele

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/102>, abgerufen am 23.11.2024.