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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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der rein. Vern. in Best. des Begr vom höchst. Gut.
Interesse das oberste sey, (nicht, welches weichen müßte,
denn eines widerstreitet dem andern nicht nothwendig);
ob speculative Vernunft, die nicht von allem dem weiß,
was practische ihr anzunehmen darbietet, diese Sätze
aufnehmen, und sie, ob sie gleich für sie überschweng-
lich sind, mit ihren Begriffen, als einen fremden auf
sie übertragenen Besitz, zu vereinigen suchen müsse, oder
ob sie berechtigt sey, ihrem eigenen abgesonderten In-
teresse hartnäckig zu folgen, und, nach der Canonik
des Epicurs, alles als leere Vernünfteley auszuschla-
gen, was seine objective Realität nicht durch augen-
scheinliche in der Erfahrung aufzustellende Beyspiele be-
glaubigen kann, wenn es gleich noch so sehr mit dem
Interesse des practischen (reinen) Gebrauchs verwebt,
an sich auch der theoretischen nicht widersprechend wäre,
blos weil es wirklich so fern dem Interesse der specula-
tiven Vernunft Abbruch thut, daß es die Grenzen, die
diese sich selbst gesetzt, aufhebt, und sie allem Unsinn
oder Wahnsinn der Einbildungskraft preisgiebt.

In der That, so fern practische Vernunft als pa-
thologisch bedingt, d. i. das Interesse der Neigungen
unter dem sinnlichen Princip der Glückseligkeit blos ver-
waltend, zum Grunde gelegt würde, so ließe sich diese
Zumuthung an die speculative Vernunft gar nicht thun.
Mahomets Paradies, oder der Theosophen und My-
stiker
schmelzende Vereinigung mit der Gottheit, so
wie jedem sein Sinn steht, würden der Vernunft ihre

Unge-
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der rein. Vern. in Beſt. des Begr vom hoͤchſt. Gut.
Intereſſe das oberſte ſey, (nicht, welches weichen muͤßte,
denn eines widerſtreitet dem andern nicht nothwendig);
ob ſpeculative Vernunft, die nicht von allem dem weiß,
was practiſche ihr anzunehmen darbietet, dieſe Saͤtze
aufnehmen, und ſie, ob ſie gleich fuͤr ſie uͤberſchweng-
lich ſind, mit ihren Begriffen, als einen fremden auf
ſie uͤbertragenen Beſitz, zu vereinigen ſuchen muͤſſe, oder
ob ſie berechtigt ſey, ihrem eigenen abgeſonderten In-
tereſſe hartnaͤckig zu folgen, und, nach der Canonik
des Epicurs, alles als leere Vernuͤnfteley auszuſchla-
gen, was ſeine objective Realitaͤt nicht durch augen-
ſcheinliche in der Erfahrung aufzuſtellende Beyſpiele be-
glaubigen kann, wenn es gleich noch ſo ſehr mit dem
Intereſſe des practiſchen (reinen) Gebrauchs verwebt,
an ſich auch der theoretiſchen nicht widerſprechend waͤre,
blos weil es wirklich ſo fern dem Intereſſe der ſpecula-
tiven Vernunft Abbruch thut, daß es die Grenzen, die
dieſe ſich ſelbſt geſetzt, aufhebt, und ſie allem Unſinn
oder Wahnſinn der Einbildungskraft preisgiebt.

In der That, ſo fern practiſche Vernunft als pa-
thologiſch bedingt, d. i. das Intereſſe der Neigungen
unter dem ſinnlichen Princip der Gluͤckſeligkeit blos ver-
waltend, zum Grunde gelegt wuͤrde, ſo ließe ſich dieſe
Zumuthung an die ſpeculative Vernunft gar nicht thun.
Mahomets Paradies, oder der Theoſophen und My-
ſtiker
ſchmelzende Vereinigung mit der Gottheit, ſo
wie jedem ſein Sinn ſteht, wuͤrden der Vernunft ihre

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[217/0225] der rein. Vern. in Beſt. des Begr vom hoͤchſt. Gut. Intereſſe das oberſte ſey, (nicht, welches weichen muͤßte, denn eines widerſtreitet dem andern nicht nothwendig); ob ſpeculative Vernunft, die nicht von allem dem weiß, was practiſche ihr anzunehmen darbietet, dieſe Saͤtze aufnehmen, und ſie, ob ſie gleich fuͤr ſie uͤberſchweng- lich ſind, mit ihren Begriffen, als einen fremden auf ſie uͤbertragenen Beſitz, zu vereinigen ſuchen muͤſſe, oder ob ſie berechtigt ſey, ihrem eigenen abgeſonderten In- tereſſe hartnaͤckig zu folgen, und, nach der Canonik des Epicurs, alles als leere Vernuͤnfteley auszuſchla- gen, was ſeine objective Realitaͤt nicht durch augen- ſcheinliche in der Erfahrung aufzuſtellende Beyſpiele be- glaubigen kann, wenn es gleich noch ſo ſehr mit dem Intereſſe des practiſchen (reinen) Gebrauchs verwebt, an ſich auch der theoretiſchen nicht widerſprechend waͤre, blos weil es wirklich ſo fern dem Intereſſe der ſpecula- tiven Vernunft Abbruch thut, daß es die Grenzen, die dieſe ſich ſelbſt geſetzt, aufhebt, und ſie allem Unſinn oder Wahnſinn der Einbildungskraft preisgiebt. In der That, ſo fern practiſche Vernunft als pa- thologiſch bedingt, d. i. das Intereſſe der Neigungen unter dem ſinnlichen Princip der Gluͤckſeligkeit blos ver- waltend, zum Grunde gelegt wuͤrde, ſo ließe ſich dieſe Zumuthung an die ſpeculative Vernunft gar nicht thun. Mahomets Paradies, oder der Theoſophen und My- ſtiker ſchmelzende Vereinigung mit der Gottheit, ſo wie jedem ſein Sinn ſteht, wuͤrden der Vernunft ihre Unge- O 5

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/225>, abgerufen am 24.11.2024.