Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeine Naturgeschichte
die Sphäre der Attraction eines Planeten ein-
schränkt, aber bey gleichen Umständen der entfern-
teren ihre nicht so enge einschränkt, als der nahen:
2) weil die Zirkel, aus denen alle Theilchen zusam-
men gekommen seyn, einen Planeten auszumachen,
mit grösserem Radius beschrieben werden, also mehr
Grundstoff, als die kleinern Zirkel in sich fassen:
3) weil aus eben dem letzten Grunde die Breite zwi-
schen den zwey Flächen der grössesten Abweichung,
bey gleicher Anzahl Grade, in grossen Höhen grösser,
als in kleinen ist. Dagegen wird dieser Vorzug
der entfernteren Planeten, vor den niedrigern, zwar
dadurch eingeschränkt, daß die Partikeln näher zur
Sonne dichterer Art, und allem Ansehen nach auch
weniger zerstreuet, als in grösserem Abstande seyn
werden; allein man kan leicht ermessen, daß die
ersteren Vortheile, zu Bildung grosser Massen, die letz-
tern Einschränkungen dennoch weit übertreffen, und
überhaupt die Planeten, die sich in weitem Abstan-
de von der Sonne bilden, grössere Massen, als die
nahen bekommen müssen. Dieses geschiehet also in
so ferne man sich die Bildung eines Planeten nur
als in Gegenwart der Sonne vorstellet; allein,
wenn man mehrere Planeten, in unterschiedlichem
Abstande, sich bilden läßt; so wird einer den Um-
fang der Attraction des andern, durch seine Anzie-
hungssphäre einschränken, und dieses bringt eine
Ausnahme von dem vorigen Gesetze zuwege. Denn
derjenige Planet, welcher einem andern, von aus-
nehmender Masse, nahe ist, wird sehr viel von der
Sphäre seiner Bildung verlieren, und dadurch un-

gleich

Allgemeine Naturgeſchichte
die Sphaͤre der Attraction eines Planeten ein-
ſchraͤnkt, aber bey gleichen Umſtaͤnden der entfern-
teren ihre nicht ſo enge einſchraͤnkt, als der nahen:
2) weil die Zirkel, aus denen alle Theilchen zuſam-
men gekommen ſeyn, einen Planeten auszumachen,
mit groͤſſerem Radius beſchrieben werden, alſo mehr
Grundſtoff, als die kleinern Zirkel in ſich faſſen:
3) weil aus eben dem letzten Grunde die Breite zwi-
ſchen den zwey Flaͤchen der groͤſſeſten Abweichung,
bey gleicher Anzahl Grade, in groſſen Hoͤhen groͤſſer,
als in kleinen iſt. Dagegen wird dieſer Vorzug
der entfernteren Planeten, vor den niedrigern, zwar
dadurch eingeſchraͤnkt, daß die Partikeln naͤher zur
Sonne dichterer Art, und allem Anſehen nach auch
weniger zerſtreuet, als in groͤſſerem Abſtande ſeyn
werden; allein man kan leicht ermeſſen, daß die
erſteren Vortheile, zu Bildung groſſer Maſſen, die letz-
tern Einſchraͤnkungen dennoch weit uͤbertreffen, und
uͤberhaupt die Planeten, die ſich in weitem Abſtan-
de von der Sonne bilden, groͤſſere Maſſen, als die
nahen bekommen muͤſſen. Dieſes geſchiehet alſo in
ſo ferne man ſich die Bildung eines Planeten nur
als in Gegenwart der Sonne vorſtellet; allein,
wenn man mehrere Planeten, in unterſchiedlichem
Abſtande, ſich bilden laͤßt; ſo wird einer den Um-
fang der Attraction des andern, durch ſeine Anzie-
hungsſphaͤre einſchraͤnken, und dieſes bringt eine
Ausnahme von dem vorigen Geſetze zuwege. Denn
derjenige Planet, welcher einem andern, von aus-
nehmender Maſſe, nahe iſt, wird ſehr viel von der
Sphaͤre ſeiner Bildung verlieren, und dadurch un-

gleich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Naturge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
die Spha&#x0364;re der Attraction eines Planeten ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkt, aber bey gleichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden der entfern-<lb/>
teren ihre nicht &#x017F;o enge ein&#x017F;chra&#x0364;nkt, als der nahen:<lb/>
2) weil die Zirkel, aus denen alle Theilchen zu&#x017F;am-<lb/>
men gekommen &#x017F;eyn, einen Planeten auszumachen,<lb/>
mit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erem Radius be&#x017F;chrieben werden, al&#x017F;o mehr<lb/>
Grund&#x017F;toff, als die kleinern Zirkel in &#x017F;ich fa&#x017F;&#x017F;en:<lb/>
3) weil aus eben dem letzten Grunde die Breite zwi-<lb/>
&#x017F;chen den zwey Fla&#x0364;chen der gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Abweichung,<lb/>
bey gleicher Anzahl Grade, in gro&#x017F;&#x017F;en Ho&#x0364;hen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
als in kleinen i&#x017F;t. Dagegen wird die&#x017F;er Vorzug<lb/>
der entfernteren Planeten, vor den niedrigern, zwar<lb/>
dadurch einge&#x017F;chra&#x0364;nkt, daß die Partikeln na&#x0364;her zur<lb/>
Sonne dichterer Art, und allem An&#x017F;ehen nach auch<lb/>
weniger zer&#x017F;treuet, als in gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erem Ab&#x017F;tande &#x017F;eyn<lb/>
werden; allein man kan leicht erme&#x017F;&#x017F;en, daß die<lb/>
er&#x017F;teren Vortheile, zu Bildung gro&#x017F;&#x017F;er Ma&#x017F;&#x017F;en, die letz-<lb/>
tern Ein&#x017F;chra&#x0364;nkungen dennoch weit u&#x0364;bertreffen, und<lb/>
u&#x0364;berhaupt die Planeten, die &#x017F;ich in weitem Ab&#x017F;tan-<lb/>
de von der Sonne bilden, gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Ma&#x017F;&#x017F;en, als die<lb/>
nahen bekommen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;es ge&#x017F;chiehet al&#x017F;o in<lb/>
&#x017F;o ferne man &#x017F;ich die Bildung eines Planeten nur<lb/>
als in Gegenwart der Sonne vor&#x017F;tellet; allein,<lb/>
wenn man mehrere Planeten, in unter&#x017F;chiedlichem<lb/>
Ab&#x017F;tande, &#x017F;ich bilden la&#x0364;ßt; &#x017F;o wird einer den Um-<lb/>
fang der Attraction des andern, durch &#x017F;eine Anzie-<lb/>
hungs&#x017F;pha&#x0364;re ein&#x017F;chra&#x0364;nken, und die&#x017F;es bringt eine<lb/>
Ausnahme von dem vorigen Ge&#x017F;etze zuwege. Denn<lb/>
derjenige Planet, welcher einem andern, von aus-<lb/>
nehmender Ma&#x017F;&#x017F;e, nahe i&#x017F;t, wird &#x017F;ehr viel von der<lb/>
Spha&#x0364;re &#x017F;einer Bildung verlieren, und dadurch un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gleich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0114] Allgemeine Naturgeſchichte die Sphaͤre der Attraction eines Planeten ein- ſchraͤnkt, aber bey gleichen Umſtaͤnden der entfern- teren ihre nicht ſo enge einſchraͤnkt, als der nahen: 2) weil die Zirkel, aus denen alle Theilchen zuſam- men gekommen ſeyn, einen Planeten auszumachen, mit groͤſſerem Radius beſchrieben werden, alſo mehr Grundſtoff, als die kleinern Zirkel in ſich faſſen: 3) weil aus eben dem letzten Grunde die Breite zwi- ſchen den zwey Flaͤchen der groͤſſeſten Abweichung, bey gleicher Anzahl Grade, in groſſen Hoͤhen groͤſſer, als in kleinen iſt. Dagegen wird dieſer Vorzug der entfernteren Planeten, vor den niedrigern, zwar dadurch eingeſchraͤnkt, daß die Partikeln naͤher zur Sonne dichterer Art, und allem Anſehen nach auch weniger zerſtreuet, als in groͤſſerem Abſtande ſeyn werden; allein man kan leicht ermeſſen, daß die erſteren Vortheile, zu Bildung groſſer Maſſen, die letz- tern Einſchraͤnkungen dennoch weit uͤbertreffen, und uͤberhaupt die Planeten, die ſich in weitem Abſtan- de von der Sonne bilden, groͤſſere Maſſen, als die nahen bekommen muͤſſen. Dieſes geſchiehet alſo in ſo ferne man ſich die Bildung eines Planeten nur als in Gegenwart der Sonne vorſtellet; allein, wenn man mehrere Planeten, in unterſchiedlichem Abſtande, ſich bilden laͤßt; ſo wird einer den Um- fang der Attraction des andern, durch ſeine Anzie- hungsſphaͤre einſchraͤnken, und dieſes bringt eine Ausnahme von dem vorigen Geſetze zuwege. Denn derjenige Planet, welcher einem andern, von aus- nehmender Maſſe, nahe iſt, wird ſehr viel von der Sphaͤre ſeiner Bildung verlieren, und dadurch un- gleich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/114
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/114>, abgerufen am 08.05.2024.