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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Eilftes Kap. Reise von Famma matz bis zur Residenz Jedo.
auch auf unserer Reise viele Meilen weit zu einem Wegweiser, mir aber noch besonders zu
einem Maasstabe bei meiner Charte diente. Seine Figur ist kegelförmig, gleich und an-
sehnlich, so, daß man ihn billig für den schönsten Berg der Welt ausgeben kan, wiewol
er von Gras und Pflanzen überhaupt entblößt, und die meiste Zeit fast ganz mit einem
weißen Schneemantel, wenn ich so reden darf, bedekt ist, er wenigstens auch auf der ober-
sten Spitze bleibt, wenn gleich die almählige Sommerhitze vieles davon wegnimt. Nach
dem Berichte derer, die ihn bestiegen, hat er auf seiner Höhe auf einem hohlen hügelichten
Platze eine mit Wasser erfüllete Tiese, woraus vor Alters Flamme und Feuer mit der Asche
geflogen, und wodurch endlich das Kekelförmige entstanden. Da der Wind oben niemals
stille, sondern in steter Bewegung ist, weshalb man auch aus Andacht hinaufsteigt, um
dem Aeolus ein Opfer zu bringen, so stellet der beständige Schneestaub einen wirklichen
Rauch vor. Man braucht drei Tage, um hinauf, hingegen nur drei Stunden, um wieder
herunter zu kommen, da man im leztern Fal einen Schilf-oder Strohkorb zu Hülfe nimt,
den man unter die Hüfte bindet, und damit zur Sommerszeit im Sande, des Winters
aber im Schnee herabglitscht. Die Jammabos oder Bergpfaffen machen hier einen Orden
des Aeolus aus: das Wort Fusji Jamma ist bei ihrem Betteln und sonstigen Reden die
Losung. Die Japanischen Poeten und Maler wissen die Schönheit dieses Berges nicht ge-
nug zu rühmen und vorzustellen.

Jn dem armseligen auf eine halbe Meile lang auf einem sandigten Grunde zer-
streuet liegenden Dorfe Mottoi Sjoiro von etwa 300 Häusern, eine halbe Meile von
Jost sji wara, wo wir zu Mittag gegessen, näherten sich die Kinder bei Haufen unsern
Pferden und Cangos, und tummelten mit ihrem kurzweiligen Purzeln stets wie ein Rad auf
20 bis 30 Schritte vor uns her, um eine Almose zu verdienen, die wir ihnen auch reichlich
zuwarfen, und es mit Lust ansahen, wie sie in dem Sande über einen Haufen zusammen,
fielen, und einer vor dem andern das Geld zu erhaschen suchte. Es ist etwas gewöhnliches,
daß man sich schon zu Jost sji wara mit einem Seil vol Cassen versiehet, um damit die-
sen armen Kindern eine Freude zu machen, indem sie die Reisenden oft auf eine halbe
Meile, oder so lange man ihnen was hinwirft, verfolgen. Caß ist eine die Größe eines
drei Groschen Stüks und den Wehrt eines Hellers habende messingene platte Münze, die
in der Mitte ein Loch hat, wodurch man ein Seil ziehet und sie bei sich aus Pferd binden
und mitführen kan.

Das Dorf Farra von 250, und das Städtchen oder Flecken Numitsju von bei-
nahe 2000 Häusern, waren unter den von da bis zu unserm Nachtlager passirten vielen be-
wohnten Oertern die vornehmsten.

Numitsju ist offen, und gleicht mehr einem Dorfe als einer Stadt. Die mit-
lere Gasse ziehet sich auf eine halbe Meile in die Länge. Unsere Bedienten besuchten alhier

aus
K k 2

Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo.
auch auf unſerer Reiſe viele Meilen weit zu einem Wegweiſer, mir aber noch beſonders zu
einem Maasſtabe bei meiner Charte diente. Seine Figur iſt kegelfoͤrmig, gleich und an-
ſehnlich, ſo, daß man ihn billig fuͤr den ſchoͤnſten Berg der Welt ausgeben kan, wiewol
er von Gras und Pflanzen uͤberhaupt entbloͤßt, und die meiſte Zeit faſt ganz mit einem
weißen Schneemantel, wenn ich ſo reden darf, bedekt iſt, er wenigſtens auch auf der ober-
ſten Spitze bleibt, wenn gleich die almaͤhlige Sommerhitze vieles davon wegnimt. Nach
dem Berichte derer, die ihn beſtiegen, hat er auf ſeiner Hoͤhe auf einem hohlen huͤgelichten
Platze eine mit Waſſer erfuͤllete Tieſe, woraus vor Alters Flamme und Feuer mit der Aſche
geflogen, und wodurch endlich das Kekelfoͤrmige entſtanden. Da der Wind oben niemals
ſtille, ſondern in ſteter Bewegung iſt, weshalb man auch aus Andacht hinaufſteigt, um
dem Aeolus ein Opfer zu bringen, ſo ſtellet der beſtaͤndige Schneeſtaub einen wirklichen
Rauch vor. Man braucht drei Tage, um hinauf, hingegen nur drei Stunden, um wieder
herunter zu kommen, da man im leztern Fal einen Schilf-oder Strohkorb zu Huͤlfe nimt,
den man unter die Huͤfte bindet, und damit zur Sommerszeit im Sande, des Winters
aber im Schnee herabglitſcht. Die Jammabos oder Bergpfaffen machen hier einen Orden
des Aeolus aus: das Wort Fuſji Jamma iſt bei ihrem Betteln und ſonſtigen Reden die
Loſung. Die Japaniſchen Poeten und Maler wiſſen die Schoͤnheit dieſes Berges nicht ge-
nug zu ruͤhmen und vorzuſtellen.

Jn dem armſeligen auf eine halbe Meile lang auf einem ſandigten Grunde zer-
ſtreuet liegenden Dorfe Mottoi Sjoiro von etwa 300 Haͤuſern, eine halbe Meile von
Joſt ſji wara, wo wir zu Mittag gegeſſen, naͤherten ſich die Kinder bei Haufen unſern
Pferden und Cangos, und tummelten mit ihrem kurzweiligen Purzeln ſtets wie ein Rad auf
20 bis 30 Schritte vor uns her, um eine Almoſe zu verdienen, die wir ihnen auch reichlich
zuwarfen, und es mit Luſt anſahen, wie ſie in dem Sande uͤber einen Haufen zuſammen,
fielen, und einer vor dem andern das Geld zu erhaſchen ſuchte. Es iſt etwas gewoͤhnliches,
daß man ſich ſchon zu Joſt ſji wara mit einem Seil vol Caſſen verſiehet, um damit die-
ſen armen Kindern eine Freude zu machen, indem ſie die Reiſenden oft auf eine halbe
Meile, oder ſo lange man ihnen was hinwirft, verfolgen. Caß iſt eine die Groͤße eines
drei Groſchen Stuͤks und den Wehrt eines Hellers habende meſſingene platte Muͤnze, die
in der Mitte ein Loch hat, wodurch man ein Seil ziehet und ſie bei ſich aus Pferd binden
und mitfuͤhren kan.

Das Dorf Farra von 250, und das Staͤdtchen oder Flecken Numitſju von bei-
nahe 2000 Haͤuſern, waren unter den von da bis zu unſerm Nachtlager paſſirten vielen be-
wohnten Oertern die vornehmſten.

Numitſju iſt offen, und gleicht mehr einem Dorfe als einer Stadt. Die mit-
lere Gaſſe ziehet ſich auf eine halbe Meile in die Laͤnge. Unſere Bedienten beſuchten alhier

aus
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[259/0293] Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. auch auf unſerer Reiſe viele Meilen weit zu einem Wegweiſer, mir aber noch beſonders zu einem Maasſtabe bei meiner Charte diente. Seine Figur iſt kegelfoͤrmig, gleich und an- ſehnlich, ſo, daß man ihn billig fuͤr den ſchoͤnſten Berg der Welt ausgeben kan, wiewol er von Gras und Pflanzen uͤberhaupt entbloͤßt, und die meiſte Zeit faſt ganz mit einem weißen Schneemantel, wenn ich ſo reden darf, bedekt iſt, er wenigſtens auch auf der ober- ſten Spitze bleibt, wenn gleich die almaͤhlige Sommerhitze vieles davon wegnimt. Nach dem Berichte derer, die ihn beſtiegen, hat er auf ſeiner Hoͤhe auf einem hohlen huͤgelichten Platze eine mit Waſſer erfuͤllete Tieſe, woraus vor Alters Flamme und Feuer mit der Aſche geflogen, und wodurch endlich das Kekelfoͤrmige entſtanden. Da der Wind oben niemals ſtille, ſondern in ſteter Bewegung iſt, weshalb man auch aus Andacht hinaufſteigt, um dem Aeolus ein Opfer zu bringen, ſo ſtellet der beſtaͤndige Schneeſtaub einen wirklichen Rauch vor. Man braucht drei Tage, um hinauf, hingegen nur drei Stunden, um wieder herunter zu kommen, da man im leztern Fal einen Schilf-oder Strohkorb zu Huͤlfe nimt, den man unter die Huͤfte bindet, und damit zur Sommerszeit im Sande, des Winters aber im Schnee herabglitſcht. Die Jammabos oder Bergpfaffen machen hier einen Orden des Aeolus aus: das Wort Fuſji Jamma iſt bei ihrem Betteln und ſonſtigen Reden die Loſung. Die Japaniſchen Poeten und Maler wiſſen die Schoͤnheit dieſes Berges nicht ge- nug zu ruͤhmen und vorzuſtellen. Jn dem armſeligen auf eine halbe Meile lang auf einem ſandigten Grunde zer- ſtreuet liegenden Dorfe Mottoi Sjoiro von etwa 300 Haͤuſern, eine halbe Meile von Joſt ſji wara, wo wir zu Mittag gegeſſen, naͤherten ſich die Kinder bei Haufen unſern Pferden und Cangos, und tummelten mit ihrem kurzweiligen Purzeln ſtets wie ein Rad auf 20 bis 30 Schritte vor uns her, um eine Almoſe zu verdienen, die wir ihnen auch reichlich zuwarfen, und es mit Luſt anſahen, wie ſie in dem Sande uͤber einen Haufen zuſammen, fielen, und einer vor dem andern das Geld zu erhaſchen ſuchte. Es iſt etwas gewoͤhnliches, daß man ſich ſchon zu Joſt ſji wara mit einem Seil vol Caſſen verſiehet, um damit die- ſen armen Kindern eine Freude zu machen, indem ſie die Reiſenden oft auf eine halbe Meile, oder ſo lange man ihnen was hinwirft, verfolgen. Caß iſt eine die Groͤße eines drei Groſchen Stuͤks und den Wehrt eines Hellers habende meſſingene platte Muͤnze, die in der Mitte ein Loch hat, wodurch man ein Seil ziehet und ſie bei ſich aus Pferd binden und mitfuͤhren kan. Das Dorf Farra von 250, und das Staͤdtchen oder Flecken Numitſju von bei- nahe 2000 Haͤuſern, waren unter den von da bis zu unſerm Nachtlager paſſirten vielen be- wohnten Oertern die vornehmſten. Numitſju iſt offen, und gleicht mehr einem Dorfe als einer Stadt. Die mit- lere Gaſſe ziehet ſich auf eine halbe Meile in die Laͤnge. Unſere Bedienten beſuchten alhier aus K k 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/293>, abgerufen am 24.11.2024.