bant und die einheimischen Christen beinahe völlig ausgerottet waren, musten wir 1641 die Stadt Firando räumen, und uns auf einer andern im Seebusen der Stadt Nangasacki erbaueten Jnsel De oder Desima einsperren und uns gleichsam zu Gefangnen ma- chen lassen.
Die Ursache dieser uns zugemutheten harten Veränderung war vornemlich das Be- kentnis des christlichen Glaubens, welchen der Hof als die ärgste Pest des Reichs ansah, und auf denselben immer mehr erbittert wurde, um desto mehr, da ihm die Vertilgung un- srer Religion so vieler tausend Unterthanen Blut gekostet hatte. Aus diesem Grunde wurde ihm auch unsre Nation immer mehr verhast und verdächtig. Weil wir aber doch nicht von der verfolgten Sekte waren, uns Feinde und Verfolger der Pfaffen nanten, ihre gefährliche Unternehmungen wider die höchste Landesregierung entdekten, so duldete man doch noch un- sre Nation; doch so, daß wir gar keine Freiheit oder Erlaubnis hatten, mit den eingebor- nen Japanern umzugehn; um von ihnen nicht etwa zu erfahren, was bei Hofe und im Reiche vorgehe? oder sie zu einer freundschaftlichen Verbindung mit uns oder gar zu unsrer Religion zu verleiten, weil dieses Aufruhr und Gefahr für die Regierung hervorbringen könte. Sie fürchteten dieses besonders, wenn wir vielleicht jemals mit den Castilianern und Per- tugiesen, von deren Rachsucht sie noch immer irgend einigen Ausbruch besorgen, uns wieder vereinigen solten. Besonders wurde ihr Mistrauen vermehrt, und sie noch früher bewogen, uns ganz von hier zu vertreiben, als wir zu Verwahrung unsrer Waaren in Firando ein ansehnliches Magazingebäude, höher als es die Reichsgesetze erlauben, anlegten, und den- selben so dicke Mauern gaben, daß es in den Augen der Japaner mehr ein Casteel als ein Waarenhaus zu seyn schien. Noch mehr war ihnen dieses Gebäude anstößig, weil wir in dem Giebel desselben die Jahrzahl nach unsrer christlichen Rechnung angebracht hatten. Ein Japaner hat mir noch folgende Anecdote heimlich mitgetheilt: Wie die Holländer ihre Sa- chen vom Schiffe in dieses Haus gebracht, sey aus einem Kasten der Boden gefallen, und stat der Waaren wäre ein schwerer messingener Mörser zum Vorschein gekommen. Ohne zu entscheiden, ob diese Nachricht richtig sey oder nicht; so ist soviel gewis, daß die Holländer auf Kaiserlichen Befehl und bei Lebensstrafe das Haus bis auf den Grund wieder niederrei- ßen und ihre Residenz zu Firando mit dem Gefängnis zu Nangasacki vertauschen musten. Dies war das Ende dieser ersten Periode unsers freien Handels in Japan.
Unser jetziger schon neunzig jähriger Oberdolmetscher, Brosman, der auch sonst Jenseimon hies, und schon damals der Compagnie gedient hatte, legte dem stolzen Betra- gen unsers damaligen Residentens Caron die meiste Schuld an dieser Veränderung bei. Die japanische Nation, sagte er mir, können nun einmal durchaus keinen Stolz von Kauf- leuten vertragen, weil diese hier im Lande für die vierte und lezte Klasse der Menschen ge-
halten
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
bant und die einheimiſchen Chriſten beinahe voͤllig ausgerottet waren, muſten wir 1641 die Stadt Firando raͤumen, und uns auf einer andern im Seebuſen der Stadt Nangaſacki erbaueten Jnſel De oder Deſima einſperren und uns gleichſam zu Gefangnen ma- chen laſſen.
Die Urſache dieſer uns zugemutheten harten Veraͤnderung war vornemlich das Be- kentnis des chriſtlichen Glaubens, welchen der Hof als die aͤrgſte Peſt des Reichs anſah, und auf denſelben immer mehr erbittert wurde, um deſto mehr, da ihm die Vertilgung un- ſrer Religion ſo vieler tauſend Unterthanen Blut gekoſtet hatte. Aus dieſem Grunde wurde ihm auch unſre Nation immer mehr verhaſt und verdaͤchtig. Weil wir aber doch nicht von der verfolgten Sekte waren, uns Feinde und Verfolger der Pfaffen nanten, ihre gefaͤhrliche Unternehmungen wider die hoͤchſte Landesregierung entdekten, ſo duldete man doch noch un- ſre Nation; doch ſo, daß wir gar keine Freiheit oder Erlaubnis hatten, mit den eingebor- nen Japanern umzugehn; um von ihnen nicht etwa zu erfahren, was bei Hofe und im Reiche vorgehe? oder ſie zu einer freundſchaftlichen Verbindung mit uns oder gar zu unſrer Religion zu verleiten, weil dieſes Aufruhr und Gefahr fuͤr die Regierung hervorbringen koͤnte. Sie fuͤrchteten dieſes beſonders, wenn wir vielleicht jemals mit den Caſtilianern und Per- tugieſen, von deren Rachſucht ſie noch immer irgend einigen Ausbruch beſorgen, uns wieder vereinigen ſolten. Beſonders wurde ihr Mistrauen vermehrt, und ſie noch fruͤher bewogen, uns ganz von hier zu vertreiben, als wir zu Verwahrung unſrer Waaren in Firando ein anſehnliches Magazingebaͤude, hoͤher als es die Reichsgeſetze erlauben, anlegten, und den- ſelben ſo dicke Mauern gaben, daß es in den Augen der Japaner mehr ein Caſteel als ein Waarenhaus zu ſeyn ſchien. Noch mehr war ihnen dieſes Gebaͤude anſtoͤßig, weil wir in dem Giebel deſſelben die Jahrzahl nach unſrer chriſtlichen Rechnung angebracht hatten. Ein Japaner hat mir noch folgende Anecdote heimlich mitgetheilt: Wie die Hollaͤnder ihre Sa- chen vom Schiffe in dieſes Haus gebracht, ſey aus einem Kaſten der Boden gefallen, und ſtat der Waaren waͤre ein ſchwerer meſſingener Moͤrſer zum Vorſchein gekommen. Ohne zu entſcheiden, ob dieſe Nachricht richtig ſey oder nicht; ſo iſt ſoviel gewis, daß die Hollaͤnder auf Kaiſerlichen Befehl und bei Lebensſtrafe das Haus bis auf den Grund wieder niederrei- ßen und ihre Reſidenz zu Firando mit dem Gefaͤngnis zu Nangaſacki vertauſchen muſten. Dies war das Ende dieſer erſten Periode unſers freien Handels in Japan.
Unſer jetziger ſchon neunzig jaͤhriger Oberdolmetſcher, Brosman, der auch ſonſt Jenſeimon hies, und ſchon damals der Compagnie gedient hatte, legte dem ſtolzen Betra- gen unſers damaligen Reſidentens Caron die meiſte Schuld an dieſer Veraͤnderung bei. Die japaniſche Nation, ſagte er mir, koͤnnen nun einmal durchaus keinen Stolz von Kauf- leuten vertragen, weil dieſe hier im Lande fuͤr die vierte und lezte Klaſſe der Menſchen ge-
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[104/0118]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
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Stadt Firando raͤumen, und uns auf einer andern im Seebuſen der Stadt Nangaſacki
erbaueten Jnſel De oder Deſima einſperren und uns gleichſam zu Gefangnen ma-
chen laſſen.
Die Urſache dieſer uns zugemutheten harten Veraͤnderung war vornemlich das Be-
kentnis des chriſtlichen Glaubens, welchen der Hof als die aͤrgſte Peſt des Reichs anſah,
und auf denſelben immer mehr erbittert wurde, um deſto mehr, da ihm die Vertilgung un-
ſrer Religion ſo vieler tauſend Unterthanen Blut gekoſtet hatte. Aus dieſem Grunde wurde
ihm auch unſre Nation immer mehr verhaſt und verdaͤchtig. Weil wir aber doch nicht von
der verfolgten Sekte waren, uns Feinde und Verfolger der Pfaffen nanten, ihre gefaͤhrliche
Unternehmungen wider die hoͤchſte Landesregierung entdekten, ſo duldete man doch noch un-
ſre Nation; doch ſo, daß wir gar keine Freiheit oder Erlaubnis hatten, mit den eingebor-
nen Japanern umzugehn; um von ihnen nicht etwa zu erfahren, was bei Hofe und im
Reiche vorgehe? oder ſie zu einer freundſchaftlichen Verbindung mit uns oder gar zu unſrer
Religion zu verleiten, weil dieſes Aufruhr und Gefahr fuͤr die Regierung hervorbringen koͤnte.
Sie fuͤrchteten dieſes beſonders, wenn wir vielleicht jemals mit den Caſtilianern und Per-
tugieſen, von deren Rachſucht ſie noch immer irgend einigen Ausbruch beſorgen, uns wieder
vereinigen ſolten. Beſonders wurde ihr Mistrauen vermehrt, und ſie noch fruͤher bewogen,
uns ganz von hier zu vertreiben, als wir zu Verwahrung unſrer Waaren in Firando ein
anſehnliches Magazingebaͤude, hoͤher als es die Reichsgeſetze erlauben, anlegten, und den-
ſelben ſo dicke Mauern gaben, daß es in den Augen der Japaner mehr ein Caſteel als ein
Waarenhaus zu ſeyn ſchien. Noch mehr war ihnen dieſes Gebaͤude anſtoͤßig, weil wir in
dem Giebel deſſelben die Jahrzahl nach unſrer chriſtlichen Rechnung angebracht hatten. Ein
Japaner hat mir noch folgende Anecdote heimlich mitgetheilt: Wie die Hollaͤnder ihre Sa-
chen vom Schiffe in dieſes Haus gebracht, ſey aus einem Kaſten der Boden gefallen, und
ſtat der Waaren waͤre ein ſchwerer meſſingener Moͤrſer zum Vorſchein gekommen. Ohne zu
entſcheiden, ob dieſe Nachricht richtig ſey oder nicht; ſo iſt ſoviel gewis, daß die Hollaͤnder
auf Kaiſerlichen Befehl und bei Lebensſtrafe das Haus bis auf den Grund wieder niederrei-
ßen und ihre Reſidenz zu Firando mit dem Gefaͤngnis zu Nangaſacki vertauſchen muſten.
Dies war das Ende dieſer erſten Periode unſers freien Handels in Japan.
Unſer jetziger ſchon neunzig jaͤhriger Oberdolmetſcher, Brosman, der auch ſonſt
Jenſeimon hies, und ſchon damals der Compagnie gedient hatte, legte dem ſtolzen Betra-
gen unſers damaligen Reſidentens Caron die meiſte Schuld an dieſer Veraͤnderung bei.
Die japaniſche Nation, ſagte er mir, koͤnnen nun einmal durchaus keinen Stolz von Kauf-
leuten vertragen, weil dieſe hier im Lande fuͤr die vierte und lezte Klaſſe der Menſchen ge-
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/118>, abgerufen am 22.07.2024.
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