durcheinander zum Klang der Querpfeife und Handtrommel, "Männer und Frauen wechselweise, in Ringen und Reihen".
In beiden Castilien fand man zwar keine Gasthäuser, wohl aber geräumige Adelssitze. Nirgends war mehr Platz zur Verfügung, als in dem unermesslichen Palast des Cardinals zu Alcala, mit seinen plateresken Patios von Alonso de Covar- rubias, einem Bau des Alonso de Fonseca. Konnte sich hier das Auge berauschen an der phantastisch-polychromen Pracht des Conciliensaals, der reichsten und letzten Schöpfung gothisch- mudejarer Ornamentik, so sah man sich gleich darauf in Guada- lajara, im Palast Infantado (erbaut von Diego Hurtado de Men- doza seit 1461) versetzt in Räume, die Rumulo Cincinnato mit antiken Grotesken im heitern Loggienstil bemalt hatte. Der Park des Palasts der Herzöge von Frias zu Berlanga gewährte bei nächtlicher Beleuchtung einen seltenen Anblick: er war am- phitheatralisch in drei Terassen angelegt, mit Aussichtsthürmchen, Springbrunnen und Statuen. Dieser Palast, sowie der modernere der Lerma am gleichnamigen Ort, sind von den Franzosen ver- brannt worden. Letzterer war eine Schöpfung des Cardinals dieses Namens und im Herrerastil von Francisco de Mora 1614 gebaut, die Bronzestatue des Erzbischof Sandoval von Pompeo Leoni steht noch heute in der Kirche. Da befand sich also Philipp im Hause der Lerma, unter seinem Vater den Herrschern der Monarchie, die er selbst einst vom Gipfel der Macht herab- gestürzt hatte, bis nahe ans Nichts! Der Mann der ihn dazu verleitet und der Erbe ihrer Gunst geworden war, hatte nun auch schon längst im Dunkel der Verbannung geendet.
Dazwischen erwies man alten Gnadenbildern und berühmten Klöstern seine Ehrerbietung. In der Benediktinerabtei Sopetran, in reizender Landschaft gelegen, bei Hita, kniete S. M. vor dem wunderthätigen Bild U. L. F., das vor sechshundert Jahren dort auf einem Feigenbaum erschienen war. In Atienza kam der Bischof von Sigüenza, Antonio de Luna, mit Reliquien. Im Prä- monstratenserkloster La Vid am Dueroufer, gestiftet vom Cardinal Innigo Lopez de Mendoza, erbaute man sich an den Spuren des heiligen Norbert. In Aguilera (bei Aranda) verweilte man am Grabe des h. Pedro Regalado; die Alabasterurne hatte Isabella die katholische (1442) gestiftet; der einst prächtige Bau ist jetzt kläglich ausgeplündert und in vollem Verfall.
So erreichte man am 24. April die alte Hauptstadt Casti- liens. In Burgos gedachte der König zu verweilen; Velazquez
Die Reise nach den Pyrenäen.
durcheinander zum Klang der Querpfeife und Handtrommel, „Männer und Frauen wechselweise, in Ringen und Reihen“.
In beiden Castilien fand man zwar keine Gasthäuser, wohl aber geräumige Adelssitze. Nirgends war mehr Platz zur Verfügung, als in dem unermesslichen Palast des Cardinals zu Alcalá, mit seinen plateresken Patios von Alonso de Covar- rúbias, einem Bau des Alonso de Fonseca. Konnte sich hier das Auge berauschen an der phantastisch-polychromen Pracht des Conciliensaals, der reichsten und letzten Schöpfung gothisch- mudejarer Ornamentik, so sah man sich gleich darauf in Guada- lajara, im Palast Infantado (erbaut von Diego Hurtado de Men- doza seit 1461) versetzt in Räume, die Rumulo Cincinnato mit antiken Grotesken im heitern Loggienstil bemalt hatte. Der Park des Palasts der Herzöge von Frias zu Berlanga gewährte bei nächtlicher Beleuchtung einen seltenen Anblick: er war am- phitheatralisch in drei Terassen angelegt, mit Aussichtsthürmchen, Springbrunnen und Statuen. Dieser Palast, sowie der modernere der Lerma am gleichnamigen Ort, sind von den Franzosen ver- brannt worden. Letzterer war eine Schöpfung des Cardinals dieses Namens und im Herrerastil von Francisco de Mora 1614 gebaut, die Bronzestatue des Erzbischof Sandoval von Pompeo Leoni steht noch heute in der Kirche. Da befand sich also Philipp im Hause der Lerma, unter seinem Vater den Herrschern der Monarchie, die er selbst einst vom Gipfel der Macht herab- gestürzt hatte, bis nahe ans Nichts! Der Mann der ihn dazu verleitet und der Erbe ihrer Gunst geworden war, hatte nun auch schon längst im Dunkel der Verbannung geendet.
Dazwischen erwies man alten Gnadenbildern und berühmten Klöstern seine Ehrerbietung. In der Benediktinerabtei Sopetran, in reizender Landschaft gelegen, bei Hita, kniete S. M. vor dem wunderthätigen Bild U. L. F., das vor sechshundert Jahren dort auf einem Feigenbaum erschienen war. In Atienza kam der Bischof von Sigüenza, Antonio de Luna, mit Reliquien. Im Prä- monstratenserkloster La Vid am Dueroufer, gestiftet vom Cardinal Iñigo Lopez de Mendoza, erbaute man sich an den Spuren des heiligen Norbert. In Aguilera (bei Aranda) verweilte man am Grabe des h. Pedro Regalado; die Alabasterurne hatte Isabella die katholische (1442) gestiftet; der einst prächtige Bau ist jetzt kläglich ausgeplündert und in vollem Verfall.
So erreichte man am 24. April die alte Hauptstadt Casti- liens. In Burgos gedachte der König zu verweilen; Velazquez
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Die Reise nach den Pyrenäen.
durcheinander zum Klang der Querpfeife und Handtrommel,
„Männer und Frauen wechselweise, in Ringen und Reihen“.
In beiden Castilien fand man zwar keine Gasthäuser, wohl
aber geräumige Adelssitze. Nirgends war mehr Platz zur
Verfügung, als in dem unermesslichen Palast des Cardinals zu
Alcalá, mit seinen plateresken Patios von Alonso de Covar-
rúbias, einem Bau des Alonso de Fonseca. Konnte sich hier
das Auge berauschen an der phantastisch-polychromen Pracht
des Conciliensaals, der reichsten und letzten Schöpfung gothisch-
mudejarer Ornamentik, so sah man sich gleich darauf in Guada-
lajara, im Palast Infantado (erbaut von Diego Hurtado de Men-
doza seit 1461) versetzt in Räume, die Rumulo Cincinnato mit
antiken Grotesken im heitern Loggienstil bemalt hatte. Der
Park des Palasts der Herzöge von Frias zu Berlanga gewährte
bei nächtlicher Beleuchtung einen seltenen Anblick: er war am-
phitheatralisch in drei Terassen angelegt, mit Aussichtsthürmchen,
Springbrunnen und Statuen. Dieser Palast, sowie der modernere
der Lerma am gleichnamigen Ort, sind von den Franzosen ver-
brannt worden. Letzterer war eine Schöpfung des Cardinals
dieses Namens und im Herrerastil von Francisco de Mora 1614
gebaut, die Bronzestatue des Erzbischof Sandoval von Pompeo
Leoni steht noch heute in der Kirche. Da befand sich also
Philipp im Hause der Lerma, unter seinem Vater den Herrschern
der Monarchie, die er selbst einst vom Gipfel der Macht herab-
gestürzt hatte, bis nahe ans Nichts! Der Mann der ihn dazu
verleitet und der Erbe ihrer Gunst geworden war, hatte nun
auch schon längst im Dunkel der Verbannung geendet.
Dazwischen erwies man alten Gnadenbildern und berühmten
Klöstern seine Ehrerbietung. In der Benediktinerabtei Sopetran,
in reizender Landschaft gelegen, bei Hita, kniete S. M. vor dem
wunderthätigen Bild U. L. F., das vor sechshundert Jahren dort
auf einem Feigenbaum erschienen war. In Atienza kam der
Bischof von Sigüenza, Antonio de Luna, mit Reliquien. Im Prä-
monstratenserkloster La Vid am Dueroufer, gestiftet vom Cardinal
Iñigo Lopez de Mendoza, erbaute man sich an den Spuren des
heiligen Norbert. In Aguilera (bei Aranda) verweilte man am
Grabe des h. Pedro Regalado; die Alabasterurne hatte Isabella
die katholische (1442) gestiftet; der einst prächtige Bau ist jetzt
kläglich ausgeplündert und in vollem Verfall.
So erreichte man am 24. April die alte Hauptstadt Casti-
liens. In Burgos gedachte der König zu verweilen; Velazquez
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/409>, abgerufen am 22.11.2024.
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