zureisen, Quartier zu machen, und endlich mit dem rothen Ordens- kreuz und der goldnen Kette vor Majestäten und Grossen sich zeigen zu dürfen. --
Die Abfahrt war auf den 15. April festgesetzt; Velazquez reiste indess einige Tage früher, begleitet von drei Quartier- meistern (ayudas de furriera): seinem Schwiegersohn Mazo, Damian Goetens und Joseph de Villareal.
Eine königliche Reise, mit solchem Tross, auf solchen Wegen, muss man sich vorstellen, um für den Aposentador Angst zu empfinden, wenn ihm auch die Instandsetzung der Wege von zwei andern hohen Hofbeamten abgenommen wurde. Obwol Seine Majestät a la ligera reisen wollte und sich auf die unent- behrliche Begleitung beschränkte (darunter waren u. a. vier Leibärzte, vier Wundärzte, zwei Aderlasser, und der Leibbarbier mit drei Gehülfen), so kamen dazu doch noch die Granden mit ihrer unentbehrlichen Dienerschaft, Haro mit einem Haushalt von über zweihundert Köpfen, die Wagen mit den Geschenken und den täglich zu erneuernden Livreen. Der Vortrab war vor Alcala's Thoren, als das Ende des Zugs das Alcalathor in Madrid verliess. Man legte den Weg von der Hauptstadt bis S. Sebastian in einundzwanzig Stationen zurück. Die Route folgt erst der heu- tigen Bahnlinie nach Saragossa, verlässt diese bei Jadraque, über- schreitet von da aus die Sierra und stösst bei Berlanga auf den Duero, den sie begleitet bis Aranda, geht dann auf Burgos los, wo sie mit der Linie der Nordbahn zusammentrifft. Bei ebener Strasse wurden etwa sechs spanische Meilen täglich zurückge- legt, in den Bergen von Alava und Guipuzcoa jedoch viel weniger; immer traf man um sechs Uhr im Nachtquartier ein.
Es fehlte nicht an Abwechslung. Der alte König hatte Ge- legenheit, in verödeten Palästen die Magnificenz grosser Vasallen von ehemals kennen zu lernen, sich uralte nun ganz verfallene iberische Ortschaften, wie Osma anzusehn, über den noch un- verminderten Schatz leicht entzündbarer Loyalität seiner schwer- geprüften Kastilier gerührt zu sein, und über den Niedergang einstiger reicher Handelsplätze unter seiner glorreichen Regierung Betrachtungen anzustellen. Zu letztern wurde ihm indess wenig Zeit gelassen; denn bei jedem Einzug erwarteten ihn Chöre und Maskeraden, Stiergefechte und Feuerwerk. In Borgo de Osma "beurkundeten die Bauern in Tänzen ohne Takt, durch wenig Kunst ihre grosse Ergebenheit". In Guipuzcoa führten Basken und Baskinnen ihren Schwerttanz auf, Volk und Adel
Siebentes Buch.
zureisen, Quartier zu machen, und endlich mit dem rothen Ordens- kreuz und der goldnen Kette vor Majestäten und Grossen sich zeigen zu dürfen. —
Die Abfahrt war auf den 15. April festgesetzt; Velazquez reiste indess einige Tage früher, begleitet von drei Quartier- meistern (ayudas de furriera): seinem Schwiegersohn Mazo, Damian Goetens und Joseph de Villareal.
Eine königliche Reise, mit solchem Tross, auf solchen Wegen, muss man sich vorstellen, um für den Aposentador Angst zu empfinden, wenn ihm auch die Instandsetzung der Wege von zwei andern hohen Hofbeamten abgenommen wurde. Obwol Seine Majestät á la ligera reisen wollte und sich auf die unent- behrliche Begleitung beschränkte (darunter waren u. a. vier Leibärzte, vier Wundärzte, zwei Aderlasser, und der Leibbarbier mit drei Gehülfen), so kamen dazu doch noch die Granden mit ihrer unentbehrlichen Dienerschaft, Haro mit einem Haushalt von über zweihundert Köpfen, die Wagen mit den Geschenken und den täglich zu erneuernden Livreen. Der Vortrab war vor Alcalá’s Thoren, als das Ende des Zugs das Alcaláthor in Madrid verliess. Man legte den Weg von der Hauptstadt bis S. Sebastian in einundzwanzig Stationen zurück. Die Route folgt erst der heu- tigen Bahnlinie nach Saragossa, verlässt diese bei Jadraque, über- schreitet von da aus die Sierra und stösst bei Berlanga auf den Duero, den sie begleitet bis Aranda, geht dann auf Burgos los, wo sie mit der Linie der Nordbahn zusammentrifft. Bei ebener Strasse wurden etwa sechs spanische Meilen täglich zurückge- legt, in den Bergen von Alava und Guipuzcoa jedoch viel weniger; immer traf man um sechs Uhr im Nachtquartier ein.
Es fehlte nicht an Abwechslung. Der alte König hatte Ge- legenheit, in verödeten Palästen die Magnificenz grosser Vasallen von ehemals kennen zu lernen, sich uralte nun ganz verfallene iberische Ortschaften, wie Osma anzusehn, über den noch un- verminderten Schatz leicht entzündbarer Loyalität seiner schwer- geprüften Kastilier gerührt zu sein, und über den Niedergang einstiger reicher Handelsplätze unter seiner glorreichen Regierung Betrachtungen anzustellen. Zu letztern wurde ihm indess wenig Zeit gelassen; denn bei jedem Einzug erwarteten ihn Chöre und Maskeraden, Stiergefechte und Feuerwerk. In Borgo de Osma „beurkundeten die Bauern in Tänzen ohne Takt, durch wenig Kunst ihre grosse Ergebenheit“. In Guipuzcoa führten Basken und Baskinnen ihren Schwerttanz auf, Volk und Adel
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0408"n="382"/><fwplace="top"type="header">Siebentes Buch.</fw><lb/>
zureisen, Quartier zu machen, und endlich mit dem rothen Ordens-<lb/>
kreuz und der goldnen Kette vor Majestäten und Grossen sich<lb/>
zeigen zu dürfen. —</p><lb/><p>Die Abfahrt war auf den 15. April festgesetzt; Velazquez<lb/>
reiste indess einige Tage früher, begleitet von drei Quartier-<lb/>
meistern (<hirendition="#i">ayudas de furriera</hi>): seinem Schwiegersohn Mazo,<lb/>
Damian Goetens und Joseph de Villareal.</p><lb/><p>Eine königliche Reise, mit solchem Tross, auf solchen<lb/>
Wegen, muss man sich vorstellen, um für den Aposentador Angst<lb/>
zu empfinden, wenn ihm auch die Instandsetzung der Wege von<lb/>
zwei andern hohen Hofbeamten abgenommen wurde. Obwol<lb/>
Seine Majestät <hirendition="#i">á la ligera</hi> reisen wollte und sich auf die unent-<lb/>
behrliche Begleitung beschränkte (darunter waren u. a. vier<lb/>
Leibärzte, vier Wundärzte, zwei Aderlasser, und der Leibbarbier<lb/>
mit drei Gehülfen), so kamen dazu doch noch die Granden mit<lb/>
ihrer unentbehrlichen Dienerschaft, Haro mit einem Haushalt<lb/>
von über zweihundert Köpfen, die Wagen mit den Geschenken<lb/>
und den täglich zu erneuernden Livreen. Der Vortrab war vor<lb/>
Alcalá’s Thoren, als das Ende des Zugs das Alcaláthor in Madrid<lb/>
verliess. Man legte den Weg von der Hauptstadt bis S. Sebastian<lb/>
in einundzwanzig Stationen zurück. Die Route folgt erst der heu-<lb/>
tigen Bahnlinie nach Saragossa, verlässt diese bei Jadraque, über-<lb/>
schreitet von da aus die Sierra und stösst bei Berlanga auf den<lb/>
Duero, den sie begleitet bis Aranda, geht dann auf Burgos los,<lb/>
wo sie mit der Linie der Nordbahn zusammentrifft. Bei ebener<lb/>
Strasse wurden etwa sechs spanische Meilen täglich zurückge-<lb/>
legt, in den Bergen von Alava und Guipuzcoa jedoch viel<lb/>
weniger; immer traf man um sechs Uhr im Nachtquartier ein.</p><lb/><p>Es fehlte nicht an Abwechslung. Der alte König hatte Ge-<lb/>
legenheit, in verödeten Palästen die Magnificenz grosser Vasallen<lb/>
von ehemals kennen zu lernen, sich uralte nun ganz verfallene<lb/>
iberische Ortschaften, wie Osma anzusehn, über den noch un-<lb/>
verminderten Schatz leicht entzündbarer Loyalität seiner schwer-<lb/>
geprüften Kastilier gerührt zu sein, und über den Niedergang<lb/>
einstiger reicher Handelsplätze unter seiner glorreichen Regierung<lb/>
Betrachtungen anzustellen. Zu letztern wurde ihm indess wenig<lb/>
Zeit gelassen; denn bei jedem Einzug erwarteten ihn Chöre<lb/>
und Maskeraden, Stiergefechte und Feuerwerk. In Borgo de<lb/>
Osma „beurkundeten die Bauern in Tänzen ohne Takt, durch<lb/>
wenig Kunst ihre grosse Ergebenheit“. In Guipuzcoa führten<lb/>
Basken und Baskinnen ihren Schwerttanz auf, Volk und Adel<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[382/0408]
Siebentes Buch.
zureisen, Quartier zu machen, und endlich mit dem rothen Ordens-
kreuz und der goldnen Kette vor Majestäten und Grossen sich
zeigen zu dürfen. —
Die Abfahrt war auf den 15. April festgesetzt; Velazquez
reiste indess einige Tage früher, begleitet von drei Quartier-
meistern (ayudas de furriera): seinem Schwiegersohn Mazo,
Damian Goetens und Joseph de Villareal.
Eine königliche Reise, mit solchem Tross, auf solchen
Wegen, muss man sich vorstellen, um für den Aposentador Angst
zu empfinden, wenn ihm auch die Instandsetzung der Wege von
zwei andern hohen Hofbeamten abgenommen wurde. Obwol
Seine Majestät á la ligera reisen wollte und sich auf die unent-
behrliche Begleitung beschränkte (darunter waren u. a. vier
Leibärzte, vier Wundärzte, zwei Aderlasser, und der Leibbarbier
mit drei Gehülfen), so kamen dazu doch noch die Granden mit
ihrer unentbehrlichen Dienerschaft, Haro mit einem Haushalt
von über zweihundert Köpfen, die Wagen mit den Geschenken
und den täglich zu erneuernden Livreen. Der Vortrab war vor
Alcalá’s Thoren, als das Ende des Zugs das Alcaláthor in Madrid
verliess. Man legte den Weg von der Hauptstadt bis S. Sebastian
in einundzwanzig Stationen zurück. Die Route folgt erst der heu-
tigen Bahnlinie nach Saragossa, verlässt diese bei Jadraque, über-
schreitet von da aus die Sierra und stösst bei Berlanga auf den
Duero, den sie begleitet bis Aranda, geht dann auf Burgos los,
wo sie mit der Linie der Nordbahn zusammentrifft. Bei ebener
Strasse wurden etwa sechs spanische Meilen täglich zurückge-
legt, in den Bergen von Alava und Guipuzcoa jedoch viel
weniger; immer traf man um sechs Uhr im Nachtquartier ein.
Es fehlte nicht an Abwechslung. Der alte König hatte Ge-
legenheit, in verödeten Palästen die Magnificenz grosser Vasallen
von ehemals kennen zu lernen, sich uralte nun ganz verfallene
iberische Ortschaften, wie Osma anzusehn, über den noch un-
verminderten Schatz leicht entzündbarer Loyalität seiner schwer-
geprüften Kastilier gerührt zu sein, und über den Niedergang
einstiger reicher Handelsplätze unter seiner glorreichen Regierung
Betrachtungen anzustellen. Zu letztern wurde ihm indess wenig
Zeit gelassen; denn bei jedem Einzug erwarteten ihn Chöre
und Maskeraden, Stiergefechte und Feuerwerk. In Borgo de
Osma „beurkundeten die Bauern in Tänzen ohne Takt, durch
wenig Kunst ihre grosse Ergebenheit“. In Guipuzcoa führten
Basken und Baskinnen ihren Schwerttanz auf, Volk und Adel
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/408>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.