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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der dritte Stil.
Analyse wird gesteigert durch die Wechsel seines Verfahrens,
nicht bloss in der Folge sogenannter Perioden, sondern selbst
in Arbeiten derselben Zeit, ja in ganz gleichartigen Aufgaben,
wie den Reiterbildnissen.

Man kann sagen, dass alle grossen Maler, nicht nur Jan
van Eyck und die Italiener der goldenen Zeit, sondern auch die
kühnen niederländischen Koloristen des siebzehnten Jahrhunderts
eine sehr solide, der Veränderung und Zersetzung widerstehende
Technik gehabt haben. Die ersten die darin gefehlt haben,
die Carracci, waren auch in höhern Dingen, z. B. der Erfindung,
sekundäre Grössen. --

Alles führt darauf, dass Velazquez schon der Imprimirung
besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat, indem er darauf hielt
dass sie von der Leinwand möglichst aufgesogen wurde. Wenn
Palomino sagt, je dünner die Imprimirung, jemehr das Gewebe
der Leinwand zu sehen ist, desto sichrer, fester und dauerhafter
ist das Gemälde (Museo II, 31), so scheint er hier auf Velaz-
quez'scher Ueberlieferung zu fussen; denn andere spanische Maler,
wie Murillo und Ribera liebten dicke Imprimirungen, letzterer
zum Schaden seiner Werke. Die Mehrzahl der Gemälde unsres
Meisters fallen auf durch die Dünne der Farbendecke. Die
Ungetrübtheit und Widerstandskraft der Farbe scheint in der
That damit zusammenzuhängen; das zeigen grade die bewun-
dertsten Stücke, wie der Prinz zu Pferde, die Meninas, die Ein-
siedler.

Eine zweite Ursache ihrer Dauerhaftigkeit liegt in der Ver-
meidung dunkler Untermalung (besonders mit Oker), welche so
oft beim Austrocknen der daraufgesetzten Farben widerwärtig
zu Tage tritt. Nur in den frühsten Bildern kommen zuweilen jene
breiten, stumpfen, rothbraunen Flächen vor, welche die Werke der
Bologneser entstellen. Später aber scheint er sich meist eines
weisslichen Grundes bedient zu haben, dem ja auch die alten Nie-
derländer ihre Leuchtkraft verdanken. Auf diesen hellen Grund hat
er die Umrisse, in kleinen Stücken wohl mit dem Stift (Skizze der
Meninas) 1), sonst mit dem Pinsel und brauner Farbe entworfen.
Die Schatten, der dunkle Hintergrund eines Bildnisses wurden
ebenfalls braun untertuscht. In einigen Gemälden, meist nicht

1) Diess ist das einzige bekannte bloss untermalte Bild, eine Skizze im
strengen Sinn des Worts. Denn in den Scenen der Reitbahn ist doch die Haupt-
figur für den letzten Eindruck hergestellt.

Der dritte Stil.
Analyse wird gesteigert durch die Wechsel seines Verfahrens,
nicht bloss in der Folge sogenannter Perioden, sondern selbst
in Arbeiten derselben Zeit, ja in ganz gleichartigen Aufgaben,
wie den Reiterbildnissen.

Man kann sagen, dass alle grossen Maler, nicht nur Jan
van Eyck und die Italiener der goldenen Zeit, sondern auch die
kühnen niederländischen Koloristen des siebzehnten Jahrhunderts
eine sehr solide, der Veränderung und Zersetzung widerstehende
Technik gehabt haben. Die ersten die darin gefehlt haben,
die Carracci, waren auch in höhern Dingen, z. B. der Erfindung,
sekundäre Grössen. —

Alles führt darauf, dass Velazquez schon der Imprimirung
besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat, indem er darauf hielt
dass sie von der Leinwand möglichst aufgesogen wurde. Wenn
Palomino sagt, je dünner die Imprimirung, jemehr das Gewebe
der Leinwand zu sehen ist, desto sichrer, fester und dauerhafter
ist das Gemälde (Museo II, 31), so scheint er hier auf Velaz-
quez’scher Ueberlieferung zu fussen; denn andere spanische Maler,
wie Murillo und Ribera liebten dicke Imprimirungen, letzterer
zum Schaden seiner Werke. Die Mehrzahl der Gemälde unsres
Meisters fallen auf durch die Dünne der Farbendecke. Die
Ungetrübtheit und Widerstandskraft der Farbe scheint in der
That damit zusammenzuhängen; das zeigen grade die bewun-
dertsten Stücke, wie der Prinz zu Pferde, die Meninas, die Ein-
siedler.

Eine zweite Ursache ihrer Dauerhaftigkeit liegt in der Ver-
meidung dunkler Untermalung (besonders mit Oker), welche so
oft beim Austrocknen der daraufgesetzten Farben widerwärtig
zu Tage tritt. Nur in den frühsten Bildern kommen zuweilen jene
breiten, stumpfen, rothbraunen Flächen vor, welche die Werke der
Bologneser entstellen. Später aber scheint er sich meist eines
weisslichen Grundes bedient zu haben, dem ja auch die alten Nie-
derländer ihre Leuchtkraft verdanken. Auf diesen hellen Grund hat
er die Umrisse, in kleinen Stücken wohl mit dem Stift (Skizze der
Meninas) 1), sonst mit dem Pinsel und brauner Farbe entworfen.
Die Schatten, der dunkle Hintergrund eines Bildnisses wurden
ebenfalls braun untertuscht. In einigen Gemälden, meist nicht

1) Diess ist das einzige bekannte bloss untermalte Bild, eine Skizze im
strengen Sinn des Worts. Denn in den Scenen der Reitbahn ist doch die Haupt-
figur für den letzten Eindruck hergestellt.
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[277/0297] Der dritte Stil. Analyse wird gesteigert durch die Wechsel seines Verfahrens, nicht bloss in der Folge sogenannter Perioden, sondern selbst in Arbeiten derselben Zeit, ja in ganz gleichartigen Aufgaben, wie den Reiterbildnissen. Man kann sagen, dass alle grossen Maler, nicht nur Jan van Eyck und die Italiener der goldenen Zeit, sondern auch die kühnen niederländischen Koloristen des siebzehnten Jahrhunderts eine sehr solide, der Veränderung und Zersetzung widerstehende Technik gehabt haben. Die ersten die darin gefehlt haben, die Carracci, waren auch in höhern Dingen, z. B. der Erfindung, sekundäre Grössen. — Alles führt darauf, dass Velazquez schon der Imprimirung besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat, indem er darauf hielt dass sie von der Leinwand möglichst aufgesogen wurde. Wenn Palomino sagt, je dünner die Imprimirung, jemehr das Gewebe der Leinwand zu sehen ist, desto sichrer, fester und dauerhafter ist das Gemälde (Museo II, 31), so scheint er hier auf Velaz- quez’scher Ueberlieferung zu fussen; denn andere spanische Maler, wie Murillo und Ribera liebten dicke Imprimirungen, letzterer zum Schaden seiner Werke. Die Mehrzahl der Gemälde unsres Meisters fallen auf durch die Dünne der Farbendecke. Die Ungetrübtheit und Widerstandskraft der Farbe scheint in der That damit zusammenzuhängen; das zeigen grade die bewun- dertsten Stücke, wie der Prinz zu Pferde, die Meninas, die Ein- siedler. Eine zweite Ursache ihrer Dauerhaftigkeit liegt in der Ver- meidung dunkler Untermalung (besonders mit Oker), welche so oft beim Austrocknen der daraufgesetzten Farben widerwärtig zu Tage tritt. Nur in den frühsten Bildern kommen zuweilen jene breiten, stumpfen, rothbraunen Flächen vor, welche die Werke der Bologneser entstellen. Später aber scheint er sich meist eines weisslichen Grundes bedient zu haben, dem ja auch die alten Nie- derländer ihre Leuchtkraft verdanken. Auf diesen hellen Grund hat er die Umrisse, in kleinen Stücken wohl mit dem Stift (Skizze der Meninas) 1), sonst mit dem Pinsel und brauner Farbe entworfen. Die Schatten, der dunkle Hintergrund eines Bildnisses wurden ebenfalls braun untertuscht. In einigen Gemälden, meist nicht 1) Diess ist das einzige bekannte bloss untermalte Bild, eine Skizze im strengen Sinn des Worts. Denn in den Scenen der Reitbahn ist doch die Haupt- figur für den letzten Eindruck hergestellt.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/297>, abgerufen am 19.04.2024.