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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
ganz vollendeten, ist dieses warme durchsichtige Braun in der
schattigen Seite des Grunds, an der verkürzten Hälfte des Ge-
sichts ohne weitere Uebermalung stehn geblieben. Die eigent-
liche Untermalung (bosquejo) erfolgte dann mit hellen grauen,
gelben, braunen Mitteltönen, sehr dünn, sehr breit und mosaik-
artig; auch die Lokalfarben wurden in schwachem, schmutzigem
Ton oft mit einem Hauch angedeutet. Theile, die zum Hervor-
treten bestimmt waren, wurden sofort mit Weiss, Schwarz und
Lokalfarben accentuirt. Dann begann die Uebermalung (retocar,
acabar
), indem die grossen Flächen der Carnation und Draperie,
sehr solide, absolut deckend und widerstandsfähig, verschmolzen
und ohne Rücksicht auf Nüancen des Lichts impastirt wurden.
Modellirende Halbtöne und Nebentinten wurden später einge-
tragen. Man sieht also, in dem allmählichen Aufbau der Farbe
schliesst auch Velazquez sich ganz an das herkömmliche Ver-
fahren.

Ueberall hier spielt das Weiss eine wichtige Rolle. Selten
kommt es rein vor, aber oft ist es Basis der Mischung. Darauf
beruht sein vielbewundertes feines Grau, auf dem auch ein
Hauch von Farbe klar und bestimmt wirkt; und sein Schwarz, das,
wie Charles Blanc sagt, nie schwer und matt, stets leicht und
durchsichtig ist. Diese mit Weiss gebrochnen Farben bringen
über den dunklern und gesättigtern und über der Braununter-
malung den kühlen Silberton hervor.

Zuletzt wurden stark körperliche Flecke darüber gesät, um
die höchsten Lichter, den Glanz hervorzubringen, nur äusserst
selten aber eine Lokalfarbe durch Lasiren betont, endlich der
Rundung durch braune Retouchen, Drucker und Randschatten
Relief gegeben.

Wie in der Grundirung ist auch in der Färbung Oekonomie
im quantitativen Stoffverbrauch die Regel. Er hat sich offenbar
bemüht, mit möglichst wenig Farben und Farbenmischungen
alle vorkommenden Nüancen zu bestreiten. Wahrscheinlich hat
er die Töne seiner Bilder bereits auf der Palette gehabt, be-
ziehungsweise gemischt, so dass er der Durcharbeitung auf
der Leinwand überhoben war. Sonst wäre auch eine so weit-
gehende Durchführung des unverschmolznen Stichs nicht möglich
gewesen.

Das ist der dritte Punkt, der seinen Werken Segen gebracht
hat. Seine Farben sind weder nachgedunkelt noch zersprungen
noch sonst anders geworden, wie gequälte Farben pflegen.

Siebentes Buch.
ganz vollendeten, ist dieses warme durchsichtige Braun in der
schattigen Seite des Grunds, an der verkürzten Hälfte des Ge-
sichts ohne weitere Uebermalung stehn geblieben. Die eigent-
liche Untermalung (bosquejo) erfolgte dann mit hellen grauen,
gelben, braunen Mitteltönen, sehr dünn, sehr breit und mosaik-
artig; auch die Lokalfarben wurden in schwachem, schmutzigem
Ton oft mit einem Hauch angedeutet. Theile, die zum Hervor-
treten bestimmt waren, wurden sofort mit Weiss, Schwarz und
Lokalfarben accentuirt. Dann begann die Uebermalung (retocar,
acabar
), indem die grossen Flächen der Carnation und Draperie,
sehr solide, absolut deckend und widerstandsfähig, verschmolzen
und ohne Rücksicht auf Nüancen des Lichts impastirt wurden.
Modellirende Halbtöne und Nebentinten wurden später einge-
tragen. Man sieht also, in dem allmählichen Aufbau der Farbe
schliesst auch Velazquez sich ganz an das herkömmliche Ver-
fahren.

Ueberall hier spielt das Weiss eine wichtige Rolle. Selten
kommt es rein vor, aber oft ist es Basis der Mischung. Darauf
beruht sein vielbewundertes feines Grau, auf dem auch ein
Hauch von Farbe klar und bestimmt wirkt; und sein Schwarz, das,
wie Charles Blanc sagt, nie schwer und matt, stets leicht und
durchsichtig ist. Diese mit Weiss gebrochnen Farben bringen
über den dunklern und gesättigtern und über der Braununter-
malung den kühlen Silberton hervor.

Zuletzt wurden stark körperliche Flecke darüber gesät, um
die höchsten Lichter, den Glanz hervorzubringen, nur äusserst
selten aber eine Lokalfarbe durch Lasiren betont, endlich der
Rundung durch braune Retouchen, Drucker und Randschatten
Relief gegeben.

Wie in der Grundirung ist auch in der Färbung Oekonomie
im quantitativen Stoffverbrauch die Regel. Er hat sich offenbar
bemüht, mit möglichst wenig Farben und Farbenmischungen
alle vorkommenden Nüancen zu bestreiten. Wahrscheinlich hat
er die Töne seiner Bilder bereits auf der Palette gehabt, be-
ziehungsweise gemischt, so dass er der Durcharbeitung auf
der Leinwand überhoben war. Sonst wäre auch eine so weit-
gehende Durchführung des unverschmolznen Stichs nicht möglich
gewesen.

Das ist der dritte Punkt, der seinen Werken Segen gebracht
hat. Seine Farben sind weder nachgedunkelt noch zersprungen
noch sonst anders geworden, wie gequälte Farben pflegen.

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[278/0298] Siebentes Buch. ganz vollendeten, ist dieses warme durchsichtige Braun in der schattigen Seite des Grunds, an der verkürzten Hälfte des Ge- sichts ohne weitere Uebermalung stehn geblieben. Die eigent- liche Untermalung (bosquejo) erfolgte dann mit hellen grauen, gelben, braunen Mitteltönen, sehr dünn, sehr breit und mosaik- artig; auch die Lokalfarben wurden in schwachem, schmutzigem Ton oft mit einem Hauch angedeutet. Theile, die zum Hervor- treten bestimmt waren, wurden sofort mit Weiss, Schwarz und Lokalfarben accentuirt. Dann begann die Uebermalung (retocar, acabar), indem die grossen Flächen der Carnation und Draperie, sehr solide, absolut deckend und widerstandsfähig, verschmolzen und ohne Rücksicht auf Nüancen des Lichts impastirt wurden. Modellirende Halbtöne und Nebentinten wurden später einge- tragen. Man sieht also, in dem allmählichen Aufbau der Farbe schliesst auch Velazquez sich ganz an das herkömmliche Ver- fahren. Ueberall hier spielt das Weiss eine wichtige Rolle. Selten kommt es rein vor, aber oft ist es Basis der Mischung. Darauf beruht sein vielbewundertes feines Grau, auf dem auch ein Hauch von Farbe klar und bestimmt wirkt; und sein Schwarz, das, wie Charles Blanc sagt, nie schwer und matt, stets leicht und durchsichtig ist. Diese mit Weiss gebrochnen Farben bringen über den dunklern und gesättigtern und über der Braununter- malung den kühlen Silberton hervor. Zuletzt wurden stark körperliche Flecke darüber gesät, um die höchsten Lichter, den Glanz hervorzubringen, nur äusserst selten aber eine Lokalfarbe durch Lasiren betont, endlich der Rundung durch braune Retouchen, Drucker und Randschatten Relief gegeben. Wie in der Grundirung ist auch in der Färbung Oekonomie im quantitativen Stoffverbrauch die Regel. Er hat sich offenbar bemüht, mit möglichst wenig Farben und Farbenmischungen alle vorkommenden Nüancen zu bestreiten. Wahrscheinlich hat er die Töne seiner Bilder bereits auf der Palette gehabt, be- ziehungsweise gemischt, so dass er der Durcharbeitung auf der Leinwand überhoben war. Sonst wäre auch eine so weit- gehende Durchführung des unverschmolznen Stichs nicht möglich gewesen. Das ist der dritte Punkt, der seinen Werken Segen gebracht hat. Seine Farben sind weder nachgedunkelt noch zersprungen noch sonst anders geworden, wie gequälte Farben pflegen.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/298>, abgerufen am 22.11.2024.