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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
kleinen Schrift und in ihrer Entstehungsgeschichte, so dass wol
der Verdacht sich regen kann, ob sie nicht vielleicht zu jener
Zahl von wiedergefundenen Verlorenen gehöre, die als falsche
Prätendenten entlarvt worden sind.

Wie? wenn Jemand durch jenen Wink Sir W. Stirling's
angeregt worden wäre, den Spuren von Velazquez Hand in dem
Folianten des Priors nachzugehn, und dadurch auf den Versuch
geführt, die Memoria des Malers aus der Descripcion des
Francisco de los Santos herauszupräpariren? Und sodann der
Versuchung unterlegen wäre, seine gelehrten Landsleute mit dem
Ergebniss seines Scharfsinns auf die Probe zu stellen? Die Her-
richtung eines kleinen alten Schmökers, mittelst einiger Bogen
echten alten Papiers und der Reste einer alten Officin ist ja
keine Hexerei für die Technik künstlicher Alterthümer von heut-
zutage. Vieles lässt sich leicht erklären unter dieser Voraus-
setzung. Den Maler seine Denkschrift selbst herausgeben zu
lassen, war nicht räthlich, denn wie hätte der Druck eines Man-
nes von seinem Namen und seiner Stellung so aus der Menschen
Angedenken verschwinden können? Um diess zu erklären kam
der findige Entdecker auf die Idee eines Winkeldrucks durch
andere Hand, in Rom bei Lodovico Grignano, wobei er dann
noch die Herstellung der Madrider Censuratteste ersparte. Die
Person des Herausgebers Alfaro gab die weitläufige Grabschrift
an die Hand, welche dieser und sein Bruder Heinrich zwei Jahre
später dem verehrten Meister setzten; statt Posteritati sacrum im
Lapidarstil dort, heisst es hier in moderner Breite, ofrece,
dedica y consagra a la posteridad
.

Sr. Adolfo de Castro hat uns nicht verrathen, wo er sein
Unicum gefunden hat, in welcher unzugänglichen Bibliothek
ein Buch, auf dessen Titel der Name Diego de Sylva Velazquez
in grossen Buchstaben dem Auge entgegentritt, sich verbergen
konnte. Der glückliche Finder hat schon vor Jahren durch seine
Entdeckung einer verlornen Schrift des Cervantes, des Buscapie
Aufsehn gemacht. Diese fand er in einer Abschrift, deren Ge-
nealogie er bis zum Jahre 1606 nachzuweisen vermochte. Der
Buscapie erwies sich freilich, wie bei Ticknor (History of spanish
literature III, 404 ff.) nachzulesen, als eine Mystification. Timeo
Danaos
1).

Das misstrauisch gemachte Auge sieht nun noch andre Auf-

1) Bis jetzt hat nur Edwin Stowe in seinem Life of V., 1881, einen Zweifel
geäussert: But did he really write the catalogue we here have before us? 66 f.

Siebentes Buch.
kleinen Schrift und in ihrer Entstehungsgeschichte, so dass wol
der Verdacht sich regen kann, ob sie nicht vielleicht zu jener
Zahl von wiedergefundenen Verlorenen gehöre, die als falsche
Prätendenten entlarvt worden sind.

Wie? wenn Jemand durch jenen Wink Sir W. Stirling’s
angeregt worden wäre, den Spuren von Velazquez Hand in dem
Folianten des Priors nachzugehn, und dadurch auf den Versuch
geführt, die Memoria des Malers aus der Descripcion des
Francisco de los Santos herauszupräpariren? Und sodann der
Versuchung unterlegen wäre, seine gelehrten Landsleute mit dem
Ergebniss seines Scharfsinns auf die Probe zu stellen? Die Her-
richtung eines kleinen alten Schmökers, mittelst einiger Bogen
echten alten Papiers und der Reste einer alten Officin ist ja
keine Hexerei für die Technik künstlicher Alterthümer von heut-
zutage. Vieles lässt sich leicht erklären unter dieser Voraus-
setzung. Den Maler seine Denkschrift selbst herausgeben zu
lassen, war nicht räthlich, denn wie hätte der Druck eines Man-
nes von seinem Namen und seiner Stellung so aus der Menschen
Angedenken verschwinden können? Um diess zu erklären kam
der findige Entdecker auf die Idee eines Winkeldrucks durch
andere Hand, in Rom bei Lodovico Grignano, wobei er dann
noch die Herstellung der Madrider Censuratteste ersparte. Die
Person des Herausgebers Alfaro gab die weitläufige Grabschrift
an die Hand, welche dieser und sein Bruder Heinrich zwei Jahre
später dem verehrten Meister setzten; statt Posteritati sacrum im
Lapidarstil dort, heisst es hier in moderner Breite, ofrece,
dedica y consagra á la posteridad
.

Sr. Adolfo de Castro hat uns nicht verrathen, wo er sein
Unicum gefunden hat, in welcher unzugänglichen Bibliothek
ein Buch, auf dessen Titel der Name Diego de Sylva Velazquez
in grossen Buchstaben dem Auge entgegentritt, sich verbergen
konnte. Der glückliche Finder hat schon vor Jahren durch seine
Entdeckung einer verlornen Schrift des Cervantes, des Buscapié
Aufsehn gemacht. Diese fand er in einer Abschrift, deren Ge-
nealogie er bis zum Jahre 1606 nachzuweisen vermochte. Der
Buscapié erwies sich freilich, wie bei Ticknor (History of spanish
literature III, 404 ff.) nachzulesen, als eine Mystification. Timeo
Danaos
1).

Das misstrauisch gemachte Auge sieht nun noch andre Auf-

1) Bis jetzt hat nur Edwin Stowe in seinem Life of V., 1881, einen Zweifel
geäussert: But did he really write the catalogue we here have before us? 66 f.
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[256/0276] Siebentes Buch. kleinen Schrift und in ihrer Entstehungsgeschichte, so dass wol der Verdacht sich regen kann, ob sie nicht vielleicht zu jener Zahl von wiedergefundenen Verlorenen gehöre, die als falsche Prätendenten entlarvt worden sind. Wie? wenn Jemand durch jenen Wink Sir W. Stirling’s angeregt worden wäre, den Spuren von Velazquez Hand in dem Folianten des Priors nachzugehn, und dadurch auf den Versuch geführt, die Memoria des Malers aus der Descripcion des Francisco de los Santos herauszupräpariren? Und sodann der Versuchung unterlegen wäre, seine gelehrten Landsleute mit dem Ergebniss seines Scharfsinns auf die Probe zu stellen? Die Her- richtung eines kleinen alten Schmökers, mittelst einiger Bogen echten alten Papiers und der Reste einer alten Officin ist ja keine Hexerei für die Technik künstlicher Alterthümer von heut- zutage. Vieles lässt sich leicht erklären unter dieser Voraus- setzung. Den Maler seine Denkschrift selbst herausgeben zu lassen, war nicht räthlich, denn wie hätte der Druck eines Man- nes von seinem Namen und seiner Stellung so aus der Menschen Angedenken verschwinden können? Um diess zu erklären kam der findige Entdecker auf die Idee eines Winkeldrucks durch andere Hand, in Rom bei Lodovico Grignano, wobei er dann noch die Herstellung der Madrider Censuratteste ersparte. Die Person des Herausgebers Alfaro gab die weitläufige Grabschrift an die Hand, welche dieser und sein Bruder Heinrich zwei Jahre später dem verehrten Meister setzten; statt Posteritati sacrum im Lapidarstil dort, heisst es hier in moderner Breite, ofrece, dedica y consagra á la posteridad. Sr. Adolfo de Castro hat uns nicht verrathen, wo er sein Unicum gefunden hat, in welcher unzugänglichen Bibliothek ein Buch, auf dessen Titel der Name Diego de Sylva Velazquez in grossen Buchstaben dem Auge entgegentritt, sich verbergen konnte. Der glückliche Finder hat schon vor Jahren durch seine Entdeckung einer verlornen Schrift des Cervantes, des Buscapié Aufsehn gemacht. Diese fand er in einer Abschrift, deren Ge- nealogie er bis zum Jahre 1606 nachzuweisen vermochte. Der Buscapié erwies sich freilich, wie bei Ticknor (History of spanish literature III, 404 ff.) nachzulesen, als eine Mystification. Timeo Danaos 1). Das misstrauisch gemachte Auge sieht nun noch andre Auf- 1) Bis jetzt hat nur Edwin Stowe in seinem Life of V., 1881, einen Zweifel geäussert: But did he really write the catalogue we here have before us? 66 f.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/276>, abgerufen am 24.11.2024.