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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Memoria.
Sigüenza zum Vorwurf gemacht und daraus geschlossen, dass
das Plagiat so zu sagen in seinem Charakter gewesen sei.
Allein er hat im Prolog offen erklärt, dass er für das alte, vor
seiner Zeit vorhandene nur einen Auszug der "Geschichte des
Ordens des heil. Hieronymus" geben werde. Diese Entlehnun-
gen aus Sigüenza gehören also zu dem seinem eignen Berichte
behufs Abrundung hinzugefügten allgemeinen Theil.

Anders verhält es sich freilich mit denen aus der Memoria.
Die Abschnitte über die Geschenke des regierenden Monarchen
gehörten dem Theil des Buchs an, den er als eigne, neue Arbeit
gab; seine Quelle war nicht durch den Druck bekannt, wie
dort, er hat nicht bloss benutzt, sondern abgeschrieben; und
doch hat er den Namen verschwiegen. Ein etwas naives Ver-
fahren, selbst für jenes Zeitalter der Compilatoren und seiner viel
lockrern Etikette bei Benutzung fremden Eigenthums!

Vielleicht aber fand nicht blos die Benutzung (was sich von
selbst versteht, denn die Denkschrift konnte er nur zu diesem
Zwecke erhalten haben), sondern auch die Verschweigung des
Namens mit Wissen und Willen des Velazquez statt. Vielleicht
legte dieser, als Künstler und Bewerber um ein Ritterkreuz, auf
diess Erzeugniss seiner Feder keinen sonderlichen Werth, er
wollte, zufrieden mit seinem Künstlerruhm, nicht gern als Bücher-
schreiber erscheinen. Man kennt die Begriffe des damaligen
spanischen Adels von gelehrtem und literarischem Verdienst. Es
ist ja kaum denkbar, dass der Hofkaplan etwas gethan haben
sollte, was seinem Herrn und dessen hochbegünstigtem Schloss-
marschall hätte missfallen können. Ihnen konnte ja der Diebstahl
keinen Augenblick verborgen bleiben. Aber wie mochte Ve-
lazquez dann gleich darauf dem Alfaro die Erlaubniss zur
Herausgabe der Schrift unter seinem Namen und damit zur
öffentlichen Blossstellung des Paters geben?

Nun gar, nachdem ein Jahr darauf seine Quelle im Druck
erschienen war, Jedermann den Beweis des Plagiats in der
Hand hatte: wie konnte der Prior in den spätern Auflagen eine
Erklärung oder Beschönigung seines frühern Schweigens umgehn?
Dazu bot sich eine gute Gelegenheit, als er in der Auflage von
1681 ein Gemälde des Velazquez, den bunten Rock des Joseph,
zu beschreiben hatte, welches Philipp IV noch vor seinem Ableben
für den Escorial bestimmt hatte (S. 67).

"Philipp IV, heisst es hier, ehrte den Velazquez wegen
seiner Vorzüge und treuen Dienste. Wie der königliche Palast,

Die Memoria.
Sigüenza zum Vorwurf gemacht und daraus geschlossen, dass
das Plagiat so zu sagen in seinem Charakter gewesen sei.
Allein er hat im Prolog offen erklärt, dass er für das alte, vor
seiner Zeit vorhandene nur einen Auszug der „Geschichte des
Ordens des heil. Hieronymus“ geben werde. Diese Entlehnun-
gen aus Sigüenza gehören also zu dem seinem eignen Berichte
behufs Abrundung hinzugefügten allgemeinen Theil.

Anders verhält es sich freilich mit denen aus der Memoria.
Die Abschnitte über die Geschenke des regierenden Monarchen
gehörten dem Theil des Buchs an, den er als eigne, neue Arbeit
gab; seine Quelle war nicht durch den Druck bekannt, wie
dort, er hat nicht bloss benutzt, sondern abgeschrieben; und
doch hat er den Namen verschwiegen. Ein etwas naives Ver-
fahren, selbst für jenes Zeitalter der Compilatoren und seiner viel
lockrern Etikette bei Benutzung fremden Eigenthums!

Vielleicht aber fand nicht blos die Benutzung (was sich von
selbst versteht, denn die Denkschrift konnte er nur zu diesem
Zwecke erhalten haben), sondern auch die Verschweigung des
Namens mit Wissen und Willen des Velazquez statt. Vielleicht
legte dieser, als Künstler und Bewerber um ein Ritterkreuz, auf
diess Erzeugniss seiner Feder keinen sonderlichen Werth, er
wollte, zufrieden mit seinem Künstlerruhm, nicht gern als Bücher-
schreiber erscheinen. Man kennt die Begriffe des damaligen
spanischen Adels von gelehrtem und literarischem Verdienst. Es
ist ja kaum denkbar, dass der Hofkaplan etwas gethan haben
sollte, was seinem Herrn und dessen hochbegünstigtem Schloss-
marschall hätte missfallen können. Ihnen konnte ja der Diebstahl
keinen Augenblick verborgen bleiben. Aber wie mochte Ve-
lazquez dann gleich darauf dem Alfaro die Erlaubniss zur
Herausgabe der Schrift unter seinem Namen und damit zur
öffentlichen Blossstellung des Paters geben?

Nun gar, nachdem ein Jahr darauf seine Quelle im Druck
erschienen war, Jedermann den Beweis des Plagiats in der
Hand hatte: wie konnte der Prior in den spätern Auflagen eine
Erklärung oder Beschönigung seines frühern Schweigens umgehn?
Dazu bot sich eine gute Gelegenheit, als er in der Auflage von
1681 ein Gemälde des Velazquez, den bunten Rock des Joseph,
zu beschreiben hatte, welches Philipp IV noch vor seinem Ableben
für den Escorial bestimmt hatte (S. 67).

„Philipp IV, heisst es hier, ehrte den Velazquez wegen
seiner Vorzüge und treuen Dienste. Wie der königliche Palast,

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[249/0269] Die Memoria. Sigüenza zum Vorwurf gemacht und daraus geschlossen, dass das Plagiat so zu sagen in seinem Charakter gewesen sei. Allein er hat im Prolog offen erklärt, dass er für das alte, vor seiner Zeit vorhandene nur einen Auszug der „Geschichte des Ordens des heil. Hieronymus“ geben werde. Diese Entlehnun- gen aus Sigüenza gehören also zu dem seinem eignen Berichte behufs Abrundung hinzugefügten allgemeinen Theil. Anders verhält es sich freilich mit denen aus der Memoria. Die Abschnitte über die Geschenke des regierenden Monarchen gehörten dem Theil des Buchs an, den er als eigne, neue Arbeit gab; seine Quelle war nicht durch den Druck bekannt, wie dort, er hat nicht bloss benutzt, sondern abgeschrieben; und doch hat er den Namen verschwiegen. Ein etwas naives Ver- fahren, selbst für jenes Zeitalter der Compilatoren und seiner viel lockrern Etikette bei Benutzung fremden Eigenthums! Vielleicht aber fand nicht blos die Benutzung (was sich von selbst versteht, denn die Denkschrift konnte er nur zu diesem Zwecke erhalten haben), sondern auch die Verschweigung des Namens mit Wissen und Willen des Velazquez statt. Vielleicht legte dieser, als Künstler und Bewerber um ein Ritterkreuz, auf diess Erzeugniss seiner Feder keinen sonderlichen Werth, er wollte, zufrieden mit seinem Künstlerruhm, nicht gern als Bücher- schreiber erscheinen. Man kennt die Begriffe des damaligen spanischen Adels von gelehrtem und literarischem Verdienst. Es ist ja kaum denkbar, dass der Hofkaplan etwas gethan haben sollte, was seinem Herrn und dessen hochbegünstigtem Schloss- marschall hätte missfallen können. Ihnen konnte ja der Diebstahl keinen Augenblick verborgen bleiben. Aber wie mochte Ve- lazquez dann gleich darauf dem Alfaro die Erlaubniss zur Herausgabe der Schrift unter seinem Namen und damit zur öffentlichen Blossstellung des Paters geben? Nun gar, nachdem ein Jahr darauf seine Quelle im Druck erschienen war, Jedermann den Beweis des Plagiats in der Hand hatte: wie konnte der Prior in den spätern Auflagen eine Erklärung oder Beschönigung seines frühern Schweigens umgehn? Dazu bot sich eine gute Gelegenheit, als er in der Auflage von 1681 ein Gemälde des Velazquez, den bunten Rock des Joseph, zu beschreiben hatte, welches Philipp IV noch vor seinem Ableben für den Escorial bestimmt hatte (S. 67). „Philipp IV, heisst es hier, ehrte den Velazquez wegen seiner Vorzüge und treuen Dienste. Wie der königliche Palast,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/269>, abgerufen am 24.11.2024.