Versuchen wir uns das Nähere dieser Abenteuer einer Schrift zu vergegenwärtigen.
Francisco de los Santos hatte sein auf Wunsch des Königs unternommenes Buch über die "Vollendung des Escorial durch Philipp IV", d. h. über das Pantheon und die Ueberführung der königlichen Reste in dasselbe (1654) bereits unter der Feder, als das Geschenk der einundvierzig Bilder ankam. Velazquez brachte dieselben im Jahre 1656 an Ort und Stelle, liess sie aufhängen und erstattete dann Bericht an S. M. Nun aber datirt das Pri- vileg der Descripcion bereits vom 15. Oktober desselben Jahres 1656, sie hatte also damals schon einige Zeit dem Censor vorge- legen, und auch der Druck war vor dem 20. März 1657 beendigt, denn an diesem Tage wird die Uebereinstimmung desselben mit dem Originalmanuscript von der Censur bescheinigt. Einen Folianten von 184 folios schüttelt man nicht aus dem Aermel; zu der Zeit folglich, wo dem Verfasser die Memoria von dem Könige mitgetheilt worden sein kann, muss er sein Buch in der Hauptsache bereits fertig gehabt haben. Er hat also deren In- halt noch in der letzten Stunde vor der Einsendung des Manu- scripts an die Censurbehörde an den betreffenden Stellen nach- tragen müssen; wobei er sich noch die Zeit nahm durch jene theologischen Glossen im eignen Geschmack den Text des Ma- lers zu verzieren. Mit solchem Geschick wie gesagt, dass seine Arbeit völlig aus einem Guss scheint. Ja er hat in der Ge- schwindigkeit auch noch von dem Maler gelernt: denn in mehreren schon damals aus eignen Mitteln hinzugefügten Beschreibungen ahmt er dessen Manier nach und bedient sich derselben Kunst- ausdrücke.
Dass der Pater, der in der Kunst Laie war, bei einer sol- chen Arbeit fremde Hülfe suchte, z. B. in den architektonischen Abschnitten, verstand sich ja eigentlich von selbst. Er hat aber auch daraus gar kein Hehl gemacht. Er gesteht im Prolog (auch diese Stelle hat Sr. de Castro übersehen), dass er nicht einen, sondern mehrere für solche Dinge besser ausgerüstete Männer getroffen habe, die ihm ihren Beistand gewährt. Wie hätte er sonst ein solches Werk in so kurzer Frist zu schreiben gewagt! 1) Man hat ihm auch die Benutzung seines Vorgängers
1) Y a no haver topado otras [fuerzas] de mayor caudal, que me diessen la mano para conseguir la empresa, nunca intentara en pocos dias el trabajo de muchos tiempos.
Siebentes Buch.
Versuchen wir uns das Nähere dieser Abenteuer einer Schrift zu vergegenwärtigen.
Francisco de los Santos hatte sein auf Wunsch des Königs unternommenes Buch über die „Vollendung des Escorial durch Philipp IV“, d. h. über das Pantheon und die Ueberführung der königlichen Reste in dasselbe (1654) bereits unter der Feder, als das Geschenk der einundvierzig Bilder ankam. Velazquez brachte dieselben im Jahre 1656 an Ort und Stelle, liess sie aufhängen und erstattete dann Bericht an S. M. Nun aber datirt das Pri- vileg der Descripcion bereits vom 15. Oktober desselben Jahres 1656, sie hatte also damals schon einige Zeit dem Censor vorge- legen, und auch der Druck war vor dem 20. März 1657 beendigt, denn an diesem Tage wird die Uebereinstimmung desselben mit dem Originalmanuscript von der Censur bescheinigt. Einen Folianten von 184 folios schüttelt man nicht aus dem Aermel; zu der Zeit folglich, wo dem Verfasser die Memoria von dem Könige mitgetheilt worden sein kann, muss er sein Buch in der Hauptsache bereits fertig gehabt haben. Er hat also deren In- halt noch in der letzten Stunde vor der Einsendung des Manu- scripts an die Censurbehörde an den betreffenden Stellen nach- tragen müssen; wobei er sich noch die Zeit nahm durch jene theologischen Glossen im eignen Geschmack den Text des Ma- lers zu verzieren. Mit solchem Geschick wie gesagt, dass seine Arbeit völlig aus einem Guss scheint. Ja er hat in der Ge- schwindigkeit auch noch von dem Maler gelernt: denn in mehreren schon damals aus eignen Mitteln hinzugefügten Beschreibungen ahmt er dessen Manier nach und bedient sich derselben Kunst- ausdrücke.
Dass der Pater, der in der Kunst Laie war, bei einer sol- chen Arbeit fremde Hülfe suchte, z. B. in den architektonischen Abschnitten, verstand sich ja eigentlich von selbst. Er hat aber auch daraus gar kein Hehl gemacht. Er gesteht im Prolog (auch diese Stelle hat Sr. de Castro übersehen), dass er nicht einen, sondern mehrere für solche Dinge besser ausgerüstete Männer getroffen habe, die ihm ihren Beistand gewährt. Wie hätte er sonst ein solches Werk in so kurzer Frist zu schreiben gewagt! 1) Man hat ihm auch die Benutzung seines Vorgängers
1) Y á no haver topado otras [fuerzas] de mayor caudal, que me diessen la mano para conseguir la empresa, nunca intentara en pocos dias el trabajo de muchos tiempos.
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Siebentes Buch.
Versuchen wir uns das Nähere dieser Abenteuer einer
Schrift zu vergegenwärtigen.
Francisco de los Santos hatte sein auf Wunsch des Königs
unternommenes Buch über die „Vollendung des Escorial durch
Philipp IV“, d. h. über das Pantheon und die Ueberführung der
königlichen Reste in dasselbe (1654) bereits unter der Feder, als
das Geschenk der einundvierzig Bilder ankam. Velazquez brachte
dieselben im Jahre 1656 an Ort und Stelle, liess sie aufhängen
und erstattete dann Bericht an S. M. Nun aber datirt das Pri-
vileg der Descripcion bereits vom 15. Oktober desselben Jahres
1656, sie hatte also damals schon einige Zeit dem Censor vorge-
legen, und auch der Druck war vor dem 20. März 1657 beendigt,
denn an diesem Tage wird die Uebereinstimmung desselben mit
dem Originalmanuscript von der Censur bescheinigt. Einen
Folianten von 184 folios schüttelt man nicht aus dem Aermel;
zu der Zeit folglich, wo dem Verfasser die Memoria von dem
Könige mitgetheilt worden sein kann, muss er sein Buch in der
Hauptsache bereits fertig gehabt haben. Er hat also deren In-
halt noch in der letzten Stunde vor der Einsendung des Manu-
scripts an die Censurbehörde an den betreffenden Stellen nach-
tragen müssen; wobei er sich noch die Zeit nahm durch jene
theologischen Glossen im eignen Geschmack den Text des Ma-
lers zu verzieren. Mit solchem Geschick wie gesagt, dass seine
Arbeit völlig aus einem Guss scheint. Ja er hat in der Ge-
schwindigkeit auch noch von dem Maler gelernt: denn in mehreren
schon damals aus eignen Mitteln hinzugefügten Beschreibungen
ahmt er dessen Manier nach und bedient sich derselben Kunst-
ausdrücke.
Dass der Pater, der in der Kunst Laie war, bei einer sol-
chen Arbeit fremde Hülfe suchte, z. B. in den architektonischen
Abschnitten, verstand sich ja eigentlich von selbst. Er hat aber
auch daraus gar kein Hehl gemacht. Er gesteht im Prolog
(auch diese Stelle hat Sr. de Castro übersehen), dass er nicht
einen, sondern mehrere für solche Dinge besser ausgerüstete
Männer getroffen habe, die ihm ihren Beistand gewährt. Wie
hätte er sonst ein solches Werk in so kurzer Frist zu schreiben
gewagt! 1) Man hat ihm auch die Benutzung seines Vorgängers
1) Y á no haver topado otras [fuerzas] de mayor caudal, que me diessen la
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/268>, abgerufen am 24.11.2024.
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