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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Antiken.
Die Antiken.

Während dem allen hatte Velazquez seine eigentliche Kom-
mission nicht aus den Augen verloren: die Auswahl und Abfor-
mung der Antiken, welche für die Ausstattung der neuen Säle
des Alcazar in Madrid bestimmt waren. Hier nun traf es sich,
dass grade in dem Jahre, wo der Abgesandte Philipp IV mit der
Vorbereitung dieser Statuensammlung für Spaniens Hauptstadt
beschäftigt war, das Antikenmuseum der Stadt Rom eröffnet
wurde. Am 9. März machte Innocenz X seinen ersten solennen
Besuch auf dem Kapitol, um den fast vollendeten Palast des
kapitolinischen Museums zu besichtigen.

In diesem Wendepunkt der Zeiten, als durch den west-
phälischen Frieden die Abwendung der europäischen Cabinete
von den kirchenpolitischen Tendenzen besiegelt wurde, traten
zuerst auch am päbstlichen Hof Bestrebungen hervor, welche
Rom noch in anderer Beziehung zu einem Anziehungs- und
Sammelpunkt der gebildeten Welt machen sollten. Während im
Zeitalter der Gegenreformation so oft ein feindseliger Geist gegen
das heidnische Alterthum sich geregt hatte, wandte sich von nun
an die Munificenz der Päbste immer mehr der Erhaltung und
Aufstellung dieser ihnen anvertrauten Reste zu.

Der Gedanke, auf dem Kapitol, wo seit dem fünfzehnten
Jahrhundert eine städtische Statuensammlung, gleichsam das Re-
liquiarium des alten Rom bestand, ein Antikenmuseum zu errich-
ten, war nicht neu. Er reicht zurück in die Zeit Paul III Farnese,
als Michelangelo in der Mitte des Platzes die Reiterstatue Marc
Aurels aufstellte (1538). Sein Plan war, dem mittelalterlichen
Palast der Conservatoren, der sich an den Hügel des kapitolini-
schen Jupitertempels anlehnte, einen gleichen Bau an dem Abhang
von Ara Coeli gegenüber zu stellen. Beide Paläste kamen in
etwas schräger Richtung auf den alten Palast des Senators über
dem Tabularium zu stehn; durch Modernisirung des Aeussern

dunklen Augen war etwas einnehmendes. Aber die von der oben im Text ge-
schilderten ganz verschiedene, sehr umständliche Malweise, die schwachen und
confusen Hände, die grellen Farben liessen keinen Zweifel, dass die Original-
aufnahme, wenn eine dahinter steckte, durch Ueberarbeitung vollkommen zugedeckt
worden war. Die Adresse auf dem Brief, den er in der Hand hält lautet: Alla
Santta. di Nro Sigre. | Innocentio Xo. | Monsre. Maggiordomo | ne parli a S. Sta. |
Per | Diego de Silua y Velasq | e Pietro Martire Neri.
II. 13
Die Antiken.
Die Antiken.

Während dem allen hatte Velazquez seine eigentliche Kom-
mission nicht aus den Augen verloren: die Auswahl und Abfor-
mung der Antiken, welche für die Ausstattung der neuen Säle
des Alcazar in Madrid bestimmt waren. Hier nun traf es sich,
dass grade in dem Jahre, wo der Abgesandte Philipp IV mit der
Vorbereitung dieser Statuensammlung für Spaniens Hauptstadt
beschäftigt war, das Antikenmuseum der Stadt Rom eröffnet
wurde. Am 9. März machte Innocenz X seinen ersten solennen
Besuch auf dem Kapitol, um den fast vollendeten Palast des
kapitolinischen Museums zu besichtigen.

In diesem Wendepunkt der Zeiten, als durch den west-
phälischen Frieden die Abwendung der europäischen Cabinete
von den kirchenpolitischen Tendenzen besiegelt wurde, traten
zuerst auch am päbstlichen Hof Bestrebungen hervor, welche
Rom noch in anderer Beziehung zu einem Anziehungs- und
Sammelpunkt der gebildeten Welt machen sollten. Während im
Zeitalter der Gegenreformation so oft ein feindseliger Geist gegen
das heidnische Alterthum sich geregt hatte, wandte sich von nun
an die Munificenz der Päbste immer mehr der Erhaltung und
Aufstellung dieser ihnen anvertrauten Reste zu.

Der Gedanke, auf dem Kapitol, wo seit dem fünfzehnten
Jahrhundert eine städtische Statuensammlung, gleichsam das Re-
liquiarium des alten Rom bestand, ein Antikenmuseum zu errich-
ten, war nicht neu. Er reicht zurück in die Zeit Paul III Farnese,
als Michelangelo in der Mitte des Platzes die Reiterstatue Marc
Aurels aufstellte (1538). Sein Plan war, dem mittelalterlichen
Palast der Conservatoren, der sich an den Hügel des kapitolini-
schen Jupitertempels anlehnte, einen gleichen Bau an dem Abhang
von Ara Coeli gegenüber zu stellen. Beide Paläste kamen in
etwas schräger Richtung auf den alten Palast des Senators über
dem Tabularium zu stehn; durch Modernisirung des Aeussern

dunklen Augen war etwas einnehmendes. Aber die von der oben im Text ge-
schilderten ganz verschiedene, sehr umständliche Malweise, die schwachen und
confusen Hände, die grellen Farben liessen keinen Zweifel, dass die Original-
aufnahme, wenn eine dahinter steckte, durch Ueberarbeitung vollkommen zugedeckt
worden war. Die Adresse auf dem Brief, den er in der Hand hält lautet: Alla
Santta. di Nro̅ Sigre. | Innocentio Xo. | Monsre. Maggiordomo | ne parli à S. Sta. |
Per | Diego de Silua y Velasq̅ | e Pietro Martire Neri.
II. 13
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[193/0213] Die Antiken. Die Antiken. Während dem allen hatte Velazquez seine eigentliche Kom- mission nicht aus den Augen verloren: die Auswahl und Abfor- mung der Antiken, welche für die Ausstattung der neuen Säle des Alcazar in Madrid bestimmt waren. Hier nun traf es sich, dass grade in dem Jahre, wo der Abgesandte Philipp IV mit der Vorbereitung dieser Statuensammlung für Spaniens Hauptstadt beschäftigt war, das Antikenmuseum der Stadt Rom eröffnet wurde. Am 9. März machte Innocenz X seinen ersten solennen Besuch auf dem Kapitol, um den fast vollendeten Palast des kapitolinischen Museums zu besichtigen. In diesem Wendepunkt der Zeiten, als durch den west- phälischen Frieden die Abwendung der europäischen Cabinete von den kirchenpolitischen Tendenzen besiegelt wurde, traten zuerst auch am päbstlichen Hof Bestrebungen hervor, welche Rom noch in anderer Beziehung zu einem Anziehungs- und Sammelpunkt der gebildeten Welt machen sollten. Während im Zeitalter der Gegenreformation so oft ein feindseliger Geist gegen das heidnische Alterthum sich geregt hatte, wandte sich von nun an die Munificenz der Päbste immer mehr der Erhaltung und Aufstellung dieser ihnen anvertrauten Reste zu. Der Gedanke, auf dem Kapitol, wo seit dem fünfzehnten Jahrhundert eine städtische Statuensammlung, gleichsam das Re- liquiarium des alten Rom bestand, ein Antikenmuseum zu errich- ten, war nicht neu. Er reicht zurück in die Zeit Paul III Farnese, als Michelangelo in der Mitte des Platzes die Reiterstatue Marc Aurels aufstellte (1538). Sein Plan war, dem mittelalterlichen Palast der Conservatoren, der sich an den Hügel des kapitolini- schen Jupitertempels anlehnte, einen gleichen Bau an dem Abhang von Ara Coeli gegenüber zu stellen. Beide Paläste kamen in etwas schräger Richtung auf den alten Palast des Senators über dem Tabularium zu stehn; durch Modernisirung des Aeussern 1) 1) dunklen Augen war etwas einnehmendes. Aber die von der oben im Text ge- schilderten ganz verschiedene, sehr umständliche Malweise, die schwachen und confusen Hände, die grellen Farben liessen keinen Zweifel, dass die Original- aufnahme, wenn eine dahinter steckte, durch Ueberarbeitung vollkommen zugedeckt worden war. Die Adresse auf dem Brief, den er in der Hand hält lautet: Alla Santta. di Nro̅ Sigre. | Innocentio Xo. | Monsre. Maggiordomo | ne parli à S. Sta. | Per | Diego de Silua y Velasq̅ | e Pietro Martire Neri. II. 13

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/213>, abgerufen am 29.03.2024.